Hagen. . Der Warenkorb der Caritas Hagen stellt keine Hilfsbedürftigen-Ausweise mehr aus. Grund: Die Hilfsorganisation wird der steigenden Nachfrage nach billigen Lebensmitteln nicht mehr gerecht. „Wir versorgen inzwischen 3650 Menschen in Hagen, und pro Monat kommen 100 hinzu“, berichtet Fachbereichsleiterin Tatjana Flatt von einem dramatischen Anstieg der Bedürftigkeit. „Diesen Andrang können wir einfach nicht mehr bewältigen.“

Als Konsequenz müssen nun arme Menschen, die eigentlich berechtigt wären, sich in einem der beiden Warenkörbe in Wehringhausen (Lange Straße 70a) oder Boele (Boeler Kirchplatz 15) mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln einzudecken, außen vor bleiben. Sie erhalten von der Caritas keinen Berechtigungsschein mehr. Dieser Ausweis, den wiederum nur erhält, wer nach Vorlage eines Sozialhilfebescheides oder eines anderen staatlichen Papiers seine Bedürftigkeit nachgewiesen hat, ist zwingende Voraussetzung für einen Einkauf beim Warenkorb. „Wir können die Situation nicht anders auffangen“, wirbt Frau Flatt um Verständnis.

Suche nach neuen Lebensmittelsponsoren

Der Warenkorb ist aber nicht nur aufgrund der steigenden Zahl an Bedürftigen in die Bredouille geraten. Die 60 Supermärkte und Geschäfte, die die Hilfsorganisation mit Ess- und Trinkbarem versorgen, haben immer weniger Waren übrig. „Sie kalkulieren jetzt schärfer und verkaufen viele Sachen, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, selbst zum halben Preis“, hat Tatjana Flatt erkannt. Aufgrund dieser Entwicklung sucht der Warenkorb neue Lebensmittelsponsoren und bittet um Spenden, um die Versorgung der Bedürftigen weiterhin gewährleisten zu können.

Das Bestehen des Warenkorbs und die Versorgung armer Menschen sind eng mit dem ehrenamtlichen Engagement der rund 70 Helfer verbunden, die ihre Freizeit opfern, um die qualitativ einwandfreien Lebensmittel in den Geschäften abzuholen und in den Sammelstellen zu sortieren. Der Warenkorb ist keine Behörde und kein Amt, er ist überhaupt keine staatliche Institution.

Kinder leiden besonders

Dennoch würden Bedürftige mittlerweile von Jobcenter oder Sozialamt an den Warenkorb verwiesen, als handele es sich um eine offizielle Anlaufstelle. „Wir sind inzwischen ein willkommener Lückenfüller für den Mangel an staatlicher Daseinsfürsorge“, regt sich Caritas-Geschäftsführer Wolfgang Röspel auf. „Das kann nicht im Sinne der Sache sein.“ Röspel, selbst Fraktionschef der CDU in Hagen, fordert von der Bundesregierung, die Regelsätze für arbeitslose und bedürftige Menschen deutlich aufzustocken.

Denn unter den Menschen, die zum Warenkorb kommen, werden die klassischen Hartz-IV-Empfänger immer stärker von Familien verdrängt, in denen die Eltern arbeiten, aber mit Minijobs und Zeitarbeit nicht genug verdienen, um den Alltag zu bewältigen. 44 Prozent der Bedürftigen sind denn auch Kinder. „Sie leiden besonders unter der Situation“, sagt Tatjana Flatt.

So hat sich denn ein Paradigmenwechsel ergeben: Der Warenkorb, vor acht Jahren ins Leben gerufen, um überschüssige Lebensmittel an bedürftige Menschen zu vermitteln, ist nun gezwungen, seine Tätigkeit einzuschränken. Nicht, weil keine Armut mehr existiert, sondern weil es immer mehr Arme gibt.