Hagen.. Jahrelang lag eine Frau in Hagen tot in ihrer Wohnung, ohne dass es jemand merkte. Doch jetzt erzählen die Nachbarn: Schon vor Jahren hätten sie die Vermieterin des Hauses über einen unangenehmen Geruch informiert. Geschehen sei daraufhin aber nichts. Erst Einbrecher entdeckten die Leiche.
Thomas Lübke kennt hier jeden. Er lebt mit seiner Freundin und den Kindern im Erdgeschoss. Der Schwiegervater wohnt eine Etage darüber. Zwei seiner Freunde sind ebenfalls Mieter in dem Haus, eine Bekannte will bald einziehen. Eine anonyme Mietskaserne, wo die Nachbarn einander gleichgültig sind, ist das Wohnhaus in Altenhagen keineswegs. Nur Helga K., die kannte Thomas Lübke nicht.
Als er bei seiner Freundin in dem Altenhagener Mietshaus einzog, da war Helga K. schon tot. Jahrelang lag ihre Leiche in der Wohnung direkt nebenan auf dem Fußboden. Bis Ende 2009 bezog die Tote noch Rente, monatlich 680 Euro. Eine Zeit lang habe es nebenan gestunken, erzählt Thomas Lübke. „Es waren auch ein paar Fliegen an der Tür“, erinnert er sich. Die Lübkes beschwerten sich zwar bei der Vermieterin. Es geschah nichts. Irgendwann ließ der Geruch wohl nach. Wie lange er angehalten hat, weiß Thomas Lübke nicht mehr.
Kein strenger Geruch im Treppenhaus
Dann brauchten die Lübkes eines Tages mehr Platz, wollten die Wohnung nebenan dazu mieten, weil die ja offensichtlich nicht genutzt wurde. Die Vermieterin versprach, sich zu erkundigen. Bei Jürgen Treppmann, der im dritten Stock wohnt. Auch ihn kennt Jürgen Lübke, weist hilfsbereit den Weg. An der Wohnungstür nämlich hängt ein handgeschriebenes Schild, das Schellen zwischen 11 und 13 Uhr verbietet, „sonst K.O. Oder eine Kiste Bier“.
Ein rustikaler Spaß. Tatsächlich ist Jürgen Treppmann ein freundlicher Mann. Früher hat der 62-Jährige auf dem Markt gearbeitet - wie Helga K. auch. Daher kannten sich die beiden, sind zufällig 1997 in das gleiche Haus gezogen. „Gewundert habe ich mich schon“, als er sie irgendwann gar nicht mehr gesehen habe, sagt er. Doch er habe gehört, die kranke Frau sei zu ihrem Sohn gezogen, der ebenfalls in Hagen wohnt. Woher er die vage Information hatte, weiß er heute nicht mehr. Aber der Vermieterin genügte sie.
Gerochen habe es nie schlimm im Treppenhaus, sagt Jürgen Treppmann. Jedenfalls nicht so schlimm wie vor einigen Jahren, als ein anderer Mieter im Haus tot in der Wohnung lag. „Das fing montags an“, sagt Jürgen Treppmann, „und war freitags einfach nicht mehr auszuhalten.“ Daraufhin holte er die Polizei.
Vermüllung im Haus
Im Hausflur sind die Briefkästen aufgebrochen. Ein Zettel hängt an der Wand, der den Mietern verbietet, den Eingangsbereich als Schuttabladeplatz zu benutzen. Unterschrieben vom „Vermieter“. An der Tür hängt ein weiterer Zettel von Hand geschrieben, auf dem sich ein Mieter bei seinen Nachbarn ebenfalls über den Müll beklagt: „Deswegen auch die Rattenplage jedes Mal hier im Haus.“ An diesem Tag allerdings sieht es halbwegs ordentlich aus, eine Zeitung liegt auf dem Boden, eine einzelne Zigarettenkippe und Staub. „Die Vermieterin kümmert sich“, versichert Thomas Lübke. Es dauere nur manchmal ein bisschen, bis etwas repariert werde.
Während die Mieter im Treppenhaus stehen und über Helga K. sprechen, da kommt der Schlüsseldienst ins Haus, geht hinauf in die vierte Etage. „Da ist ein Mieter bei Nacht und Nebel ausgezogen ohne den Schlüssel abzugeben“, so Thomas Lübke.
Ein paar Tage zuvor war der Mann vom Schlüsseldienst bereits einmal da, um bei Marcel Gabrisch in der zweiten Etage ein neues Schloss einzubauen. Das alte haben Diebe aufgebrochen, das Pfandglas aus der Wohnung gestohlen, den Kühlschrank leer geräumt. Im Flur liegen Holzsplitter auf dem Boden: In der Tür der Nachbarwohnung klafft ein Loch, so dass die Sperrholzfüllung zu sehen ist. Offenbar hat auch dort jemand der Tür zugesetzt. Vielleicht die gleichen „Besucher“, die am vergangenen Freitag auch mit bei Helga K. mit viel Lärm eingedrungen sind.
Als Thomas Lübke und Marcel Gabrisch den Krach an diesem Tag hörten, da sind sie sofort los gerannt zur Wohnung von Helga K., wie es sich für Nachbarn gehört. Doch als sie ankamen, waren die Einbrecher schon weg. Stattdessen entdeckten die beiden Männer den Leichnam, der dort schon fünf Jahre lang lag.