Hagen. .

Die Hagener hatten sich offenbar gut auf den gestrigen Verdi-Warnstreik eingestellt: Ein Chaos auf den Straßen blieb trotz stark eingeschränkten Busverkehrs aus, der Andrang im Rathaus hielt sich in Grenzen und die Marktplätze waren am späten Mittag wieder sauber – obwohl die streikenden HEB-Mitarbeiter nicht zur Reinigung erschienen waren.

Geradezu beschaulich ging es im Eingangsbereich des Rathauses zu, wo gestern nur vier der ansonsten 15 städtischen Mitarbeiter an der Infostelle und am Notfalltelefon des Bürgeramtes ihren Dienst versahen. Wesentlich weniger Hagener als noch beim Warnstreik vor zwei Wochen trugen ihre Anliegen vor und reagierten größtenteils mit Verständnis, als sie erfuhren, dass beispielsweise die Kfz-Zulassungs- und die Führerscheinstelle komplett geschlossen blieben.

Geschlossene Ämter und Museen

Aylin Azman, die eigentlich ihren Führerschein abholen wollte, wusste zwar, dass kaum Busse fahren, doch von geschlossenen Ämtern hörte sie vor Ort zum ersten Mal. Doch die 18-Jährige nahm’s gelassen: „Eine schriftliche Erlaubnis, dass ich Auto fahren darf, habe ich ja bereits. Den Führerschein hole ich mir dann eben später ab.“

Vor einer geschlossenen Tür standen vormittags 40 Kulturinteressierte des Fördervereins Romanischer Kirchen, die eigens aus Köln angereist waren. Auf ihrem Besichtigungsplan stand ursprünglich auch das Osthaus-Museum, doch am Dienstag erfuhr Reiseleiterin Dr. Brigitte Wolff-Wintrich dann, dass dieser Punkt aufgrund des Streiks gestrichen werden musste. Die ebenfalls lange geplante Führung durch den Hohenhof fand indes statt. „Somit ist die Sache noch glimpflich ausgegangen“, sagte Dr. Wolff-Wintrich und erläuterte auch gleich, wie die zusätzliche Freizeit genutzt werde: „Jetzt gehen wir eben ausführlicher essen.“

Hagener Unternehmern fiel Stein vom Herzen

Als sie gestern Mittag erfuhren, dass der Hohenhof geöffnet blieb, fiel Jan Grüne und Adelfo Marino ein Stein vom Herzen. Die Chefs des Hagener Unternehmens „brand addition“ hatten das historische Gebäude für eine Ausstellung am heutigen Donnerstag gemietet und wollten gestern – gemeinsam mit Lieferanten – mit dem Aufbau beginnen. Vormittags wussten die beiden noch nicht, ob das klappen würde. „Hätte das nicht funktioniert und die Kunden wären umsonst angereist, wäre uns ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden“, sagt Marino. „Das wäre der Supergau gewesen.“

Dass der Reinigungsdienst gestern nicht auf den Märkten in Boele und Altenhagen erschien, war den Plätzen nicht anzumerken. Marktleiter Alexander Frye, als Beamter selbst nicht streikberechtigt, hatte den Händlern die Entscheidung überlassen, wie sie mit ihren Abfällen verfahren. Und offenbar sind die Verkäufer gut erzogen, denn alle kehrten ihren Müll zusammen und verpackten ihn anschließend in Säcke. Die ließ man allerdings stehen – und bewies so eine gewisse Solidarität mit den Streikenden.

Von der Situation inspiriert

Wurst- und Käsehändler Volker Grunert, seines Zeichens 2. Vorsitzender des Markt- und Schaustellerverbandes, ließ sich von der gestrigen Situation sogar inspirieren. „Ein großer Teil unserer Standgelder sind Kosten für die Beseitigung des Mülls. Wenn man die Standgebühren deutlich senken würde, wären wir bereit, künftig selber sauber zu machen und die Abfälle zur Entsorgung zu fahren.“ Dieser Vorschlag stieß bei Grunerts Kollegen auf positive Resonanz – unter anderem bei Wild- und Geflügelhändlerin Michaela Bien: „Da wär ich auf jeden Fall dabei.“

In punkto Müll waren gestern auch die Hohenlimburger vom Streik betroffen, denn der Abfall wurde dort gestern nicht abgefahren. Die meisten Bürger hatten sich aber vorab informiert: Nur hier und da standen Tonnen an der Straße.