Hagen. .
Wenn Raten nicht mehr beglichen werden können, dann kann aus Verschuldung schnell Überschuldung werden. Tom Höppner ist seit 2006 Schuldnerberater bei der AWo in Hagen und hilft Menschen aus der Schuldenfalle. Im vergangenen Jahr erhielten dort 130 Menschen eine Intensivberatung, 190 eine Kurzberatung.
Was steht bei einer Beratung an vorderster Stelle?
Tom Höppner: Das Wichtigste ist, die Lebensgrundlagen zu sichern. Häufig haben Menschen, die zu uns kommen, Mietschulden und Ausstände beim Stromanbieter. Daher gilt es erst diese Grundlagen zu sichern, so dass jemand nicht eines Tages im Dunkeln oder auf der Straße sitzt.
Und danach?
Höppner: Danach steht in der Regel der Abbau von Schulden an. Man schaut sich die Einnahmesituation an, überblickt den Schuldenstand und stellt Haushaltspläne auf. Bei meinen Kunden steht am Ende allerdings häufig die Privatinsolvenz, da es sich um Arbeitslosengeld-II-Empfänger handelt, die das Jobcenter in die Beratungsstelle geschickt hat. Für viele dieser Leute gibt es keinen anderen Weg aus der Schuldenfalle; ein pfändbares Einkommen gibt es ja nicht und Schuldner können nur kleinste Beträge zur Regulierung anbieten. 2011 haben wir für 41 Personen das Verbraucherinsolvenzverfahren eingeleitet. Eine Beratung zieht sich meist über Monate. Oft sind Aktenberge zu bearbeiten. Die Gläubiger müssen ja auch angeschrieben werden. Die Bereitschaft, tragfähige Kompromisse einzugehen, ist oft nicht vorhanden. Solche Prozesse ziehen sich dann. Daher bleibt leider für eine intensive Beratung von Menschen, die selbstständig Rat wegen Überschuldung suchen, kaum Zeit. Meist ist für diese Leute nur eine Kurzberatung während unserer Sprechzeiten möglich.
Also ist Arbeitslosigkeit die Ursache Nummer 1 für Überschuldung?
Höppner: Ja, das ist so. Ursachen können aber auch zum Beispiel Krankheit, Scheidung oder eine gescheiterte Selbstständigkeit sein. Ein großes Problem sind auch die prekären Lebensumstände, die in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen haben. Menschen, die bei Zeitarbeitsfirmen beschäftigt sind oder die befristete Arbeitsverträge haben, haben einfach ein größeres Risiko, sich zu verschulden. Ganz bedenklich finde ich, dass überschuldete Menschen immer jünger werden. Der Anteil der unter 25-Jährigen in unserer Beratungsstelle hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt.
Die Zahl der überschuldeten Menschen nimmt zu. Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Arbeit im Vergleich zu früheren Jahren?
Höppner: Die AWo Schuldnerberatung in Hagen ist von mir mit einer halben Stelle besetzt, die andere Hälfte arbeite ich in Altena. Die Stadt Hagen ist ja finanziell nicht aus Rosen gebettet. Daher bin ich froh, dass immerhin diese halbe Stelle finanziert wird. Da wir seit Anfang 2011 deutlich mehr Menschen vom Jobcenter zugewiesen bekommen als vorher, wäre es natürlich schön, wenn mehr Kapazität zur Verfügung stehen würde, diesen Leuten zu helfen. Die Diakonie und die Stadt Hagen bieten ebenfalls Schuldner- und Insolvenzberatung an. Eine volle Stelle für Verbraucherinsolvenzberatung wurde im Jahr 2011 bei der Diakonie nicht mehr verlängert. Da die Diakonie aufgrund der Überlastung für Verbraucherinsolvenzen lange Wartezeiten hat, melden sich bei der AWo immer mehr Personen, die ansonsten durch die Diakonie betreut worden wären, mit dem Wunsch, eine Verbraucherinsolvenz vorbereitet zu bekommen.
Was raten Sie Menschen, die bemerken, dass sie aus dem finanziellen Gleichgewicht geraten?
Höppner: Zunächst einmal sollten sie sich Hilfe suchen in einer Beratungsstelle. Sehr wichtig ist die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos. Auf diesem Konto werden dann Zahlungseingänge in Höhe des allgemeinen Freibetrags von derzeit gut 1000 Euro dem Zugriff von Gläubigern entzogen. Wenn jemand außerdem gesetzliche Unterhaltspflichten erfüllt, kann dieser unpfändbare Grundbetrag noch erhöht werden. Dazu bedarf es aber einer Bescheinigung, die unter anderem Schuldnerberatungsstellen ausstellen.