Hagen. Im Rahmen des Modellprojektes „Kurve kriegen“ sollen in Hagen straffällig gewordene Kinder davor bewahrt werden, tiefer in Gewalt und Kriminalität abzugleiten.

Kriminelle Karrieren beginnen mitunter im Kindesalter: Die Raubüberfälle eines Zehnjährigen oder ein Boxkampf von zwei Zwölfjährigen, bei dem der Sieger dem am Boden liegenden Verlierer noch ein paar Extratritte verpasst, können erste Anzeichen sein. Im Rahmen eines Modellprojektes sollen in Hagen straffällig gewordene Kinder davor bewahrt werden, tiefer in Gewalt und Kriminalität abzugleiten.

„Es gibt Menschen, die ich im jungen Alter als Polizistin kennen gelernt habe und die mir als Erwachsene immer wieder als Kriminelle begegnen“, sagt Kriminalhauptkommissarin Christiane Buß. Erfahrungen der Polizei zeigen, dass Intensivtäter häufig vor dem 14. Lebensjahr durch Gewalt- oder Eigentumsdelikte auffallen.

2010 gab es stadtweit 239 Intensivstraftäter

Im Polizeipräsidium werden als Intensivstraftäter Kriminelle geführt, die innerhalb eines Jahres mindestens fünf Straftaten begangen haben. 2010 gab es stadtweit 239 Intensivstraftäter. 34 Prozent davon waren Jugendliche. Möglichkeiten, bei Kindern unter 14 Jahren präventiv einzugreifen, sind begrenzt.

Strafmündigkeit beginnt mit 14 Jahren – erst ab dann können Jugendgerichte auch verhaltenspädagogische Maßnahmen anordnen. Häufig haben diese Jugendlichen dann schon eine kleine kriminelle Karriere hinter sich. Verhaltensmuster haben sich verfestigt. Präventive Ansätze verpuffen ebenso wie kurze Arreste. Mit 16 oder 17 Jahren bleibt häufig die vorläufige Endstation Jugendknast.

Das Präventionsprojekt „Kurve kriegen“, das zwei Jahre lang vom nordrhein-westfälischen Innenministerium finanziert wird, setzt daher bei Kinder ab acht Jahren an. Hagen ist eine von NRW-weit acht Modellregionen, in denen das bundesweit einzigartige Projekt erprobt wird.

Pädagogische Betreuung der Kinder und ihrer Familien

Seit September 2010 laufen die Vorbereitungen der Projektpartner Polizei und Jugendamt. Am Polizeipräsidium werden die Taten von straffällig gewordenen Kindern begutachtet. Anhand eines Kriterienkatalogs werden Probanden herausgefiltert, die gefährdet sind, Intensivtäter zu werden. Das Einverständnis der Familien zur Projektteilnahme wurde eingeholt. 18 Jungen und 3 Mädchen zwischen 8 und 15 Jahren wurden zunächst in das Programm aufgenommen.

Für die pädagogische Betreuung der Kinder und ihrer Familien wurde Uwe Grohmann vom Dortmunder Verein „Die Brücke“ engagiert, die kriminalpräventive Arbeit in der Dortmunder Nordstadt leistet. Grohmann hat sein Büro am Polizeipräsidium Hagen bezogen. „Inhaltlich wurde die Arbeit in Hagen gut vorbereitet. Es gibt eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Polizei und Jugendamt“, ist er zuversichtlich in den zwei Jahren der Projektphase etwas bewegen zu können.

Kurse starten im Frühjahr

„Das sind Angebote, die wir in Hagen für Kinder dieser Altersgruppe bislang nicht hatten“, sagt Christian Goebels vom Jugendamt. Mit Coolness-Trainings, Anti-Aggressions-Programmen, Lernhilfen, Sprach- oder Sportkursen sollen die Jugendlichen positiv beeinflusst werden. Ein Ziel ist, ihre soziale Kompetenz zu steigern. „Sie haben zum Beispiel Probleme, Signale ihres Gegenübers zu deuten und können auch ihre eigene Gefühlslage nicht einschätzen“, erklärt Grohmann. Eingebunden werden in die pädagogischen Hilfen auch die Eltern. Die Kurse starten im Frühjahr.

Das Land lässt sich das Projekt einiges kosten. 4,5 Millionen Euro wurden pro Jahr im Haushalt veranschlagt. Das Projekt „Kurve kriegen“ wird wissenschaftlich begleitet. Eine Evaluation soll zeigen, ob dieses frühe Eingreifen erfolgsversprechend ist und kriminelle Karrieren verhindern kann.