Hagen.

Hagen ist eine von NRW-weit acht Modellregionen, in denen das bundesweit einzigartige Projekt erprobt wird.

Nicht alle Kinder, die einmal straffällig geworden sind, geraten auf die schiefe Bahn. Kriminelle Karrieren zeichnen sich mitunter aber in frühen Jahren ab. Die Erfahrungen der Polizei zeigen, dass Intensivtäter in der Regel bereits vor dem 14. Lebensjahr durch Gewalt- und Eigentumsdelikte auffallen. Die Möglichkeiten, bei Kindern unter 14 Jahren präventiv einzugreifen, sind allerdings begrenzt. Denn die Strafmündigkeit beginnt mit 14 Jahren – erst ab diesem Zeitpunkt können von Jugendgerichten auch verhaltenspädagogische Maßnahmen verordnet werden. Häufig haben diese Jugendlichen dann schon eine kleine kriminelle Karriere hinter sich. Verhaltensmuster haben sich verfestigt. Präventive Ansätze verpuffen ebenso wie kurze Arreste. Mit 16 oder 17 Jahren steht dann viel zu häufig die vorläufige Endstation: der Jugendknast.

Im Kinderalter – so das Ergebnis einer Enquetekommission, auf deren Ergebnisse das Projekt „Kurve kriegen“ basiert, – kann die Entwicklung aber mit guten Erfolgsaussichten beeinflusst werden.

Mühsame Überzeugungsarbeit

„Kurve kriegen“ setzt daher bei Kindern zwischen acht und 14 Jahren an. Dann, wenn diese Kinder entweder zum ersten mal gewalttätig geworden sind oder mindestens drei Eigentumsdelikte begonnen haben. „Jeder Fall der uns gemeldet wird“, sagt Kriminaloberrat Sascha Mader, der in Hagen das Projekt „Kurve kriegen“ leitet, „wird genau geprüft.“ Das Jugendamt und eine pädagogische Fachkraft, die im September am Polizeipräsidium Hagen die Arbeit aufnehmen wird, entscheiden dann, ob das Kind oder der Jugendliche in das Projekt aufgenommen wird. „Wenn die Sozialprognose kritisch ist und wir den Eindruck haben ,Da kommt noch etwas’ werden wir auf die Familie zugehen“, so Mader. Die Teilnahme ist freiwillig, eine Zustimmung der Eltern erforderlich. „Wir können niemanden zwingen.“ Auf die Projektbeteiligten wird also mühsame Überzeugungsarbeit zukommen. Denn das junge Klientel wird besonders häufig in sozial prekären Verhältnissen zu Hause sein.

2010 lag die Zahl der mehrfachtatverdächtigen Kinder und Jugendlichen in NRW bei 3969. Sie haben knapp 30 000 Straftaten begangen. Die Dunkelziffer dürfte noch um Einiges höher liegen, da bei der Polizei zum Beispiel nicht alle Körperverletzungen von Acht-, Neun- oder Zehnjährigen, die auf Schulhöfen stattfinden, angezeigt werden.

Damit die Polizei ihre Präventionsaufgabe erfüllen kann, müssen Schulen und Betroffene Straftaten tatsächlich anzeigen. „Wir haben jetzt schon Rückmeldungen aus Grund- und Förderschulen erhalten“, sagt der Leiter des Hagener Jugendkommissariats, Guido Künemund. Die Schulen waren seitens des Polizeipräsidiums über das Projekt bereits informiert worden.

250 000 Euro für Projekte bis zum Jahresende

Im Landeshaushalt werden pro Jahr 4,25 Millionen Euro bereitgestellt. Davon werden die acht sozialpädagogischen Fachkräfte für die acht Projektregionen bezahlt. Das restliche Geld ist für verhaltenspädagogische Maßnahmen bestimmt. In Hagen stehen bis zum Jahresende hierfür 250 000 Euro zur Verfügung. Mit diesem Geld dürften einige Dutzend Kinder aufgefangen werden. Für das kommende Jahr wird dieser Betrag deutlich aufgestockt. Mit Coolness-Trainings, Anti-Aggressions-Programmen, Lernhilfen, Sprach- oder Sportkursen sollen die Jugendlichen positiv beeinflusst werden.

Für die Träger und Entwickler solcher verhaltenspädagogischen Maßnahmen ist das Projekt „Kurve kriegen“ ebenfalls Neuland. Denn bislang konzentrierte sich ihre Arbeit auf Jugendliche über 14 Jahre. Für Kinder müssen neue Konzepte entwickelt werden. Projektleiter Mader ist sich aber sicher, dass die Träger solcher präventiver Maßnahmen schnell Entwürfe vorlegen: „Schließlich gibt es auch eine Menge Geld zu verdienen.“