Hagen. Im städtischen Männerasyl in Hagen finden Obdachlose bei draußen schneidender Kälte eine warme Unterkunft. Einige bleiben Jahre, andere sind schon nach zwei Stunden wieder weg.

Die Nachrichten sind im Radio zu hören. Die Warnungen vor Eis, dem Schnee, vor Chaos. Wolfgang (56), der „wegen ein paar Saufkumpanen aus der Wohnung geflogen ist”, drückt die Zigarettenkippe in der Kaffeetasse aus. „Ich habe oft nachts draußen geschlafen”, sagt er. „Da wird man beschimpft, bedroht und dazu die Kälte. Hier bin ich geschützt. Hier fühle ich mich wohl.”

Das hier, von dem er spricht, ist alles andere als das Paradies auf Erden. Ein karger Raum, ein paar Spinde, acht Betten - im Erdgeschoss des städtischen Männerasyls an der Tuchmacherstraße. „Wir sind ein starkes Team, alles Biker”, sagt Wolfgang, dessen letzte Motorrad-Tour Lichtjahre zurückzuliegen scheint. „Geschlagen wird nicht. Wir halten zusammen. Wenn es einmal Streit gibt, dann ist das am nächsten Morgen wieder vergessen.” Marius, der 1997 aus Polen gekommen ist, und Ralf (49), der aus Düsseldorf stammt und „den Laden hier” seit 1984 kennt, nicken. Sie teilen mit Wolfgang das Zimmer und mit 22 weiteren das Männerasyl. Viele von ihnen haben (oder hatten) Probleme mit Alkohol, einige nehmen Drogen, manche sind psychisch erkrankt. Sie alle eint, dass sie im normalen Leben (oder dem, was wir dafür halten) irgendwie nicht mehr zurechtgekommen sind. Sie sind durch alle sozialen Netze gefallen, sind gestrandet. Zuerst auf der Straße, später im städtischen Männerasyl.

Niemand muss draußen bleiben

Draußen bleiben muss niemand. Jeder, der hierher kommt, hat - vorausgesetzt er hält sich an ein paar einfache Regeln - wieder ein Dach über dem Kopf. Erst recht bei diesen Temperaturen. „Schon im Sommer waren wir gut belegt”, sagt Jörg Breden, der in der Tuchmacherstraße arbeitet, „derzeit leben hier 25 Männer. Rund 40 könnten wir aufnehmen. Aber dann wird es eng. Zumal man bedenken muss, dass viele der Bewohner ganz eigene Probleme haben und mit Konflikten beladen sind.”

Im Erdgeschoss sind die großen Schlafräume, in der ersten Etage die Einzelzimmer für ein Wohntraining, in der zweiten eine Art Wohngemeinschaft. Wer oben wohnt, muss sich selbst versorgen. Im Erdgeschoss gibt es Frühstück und ein warmes Abendessen, das die Polizeikantine zubereitet und anliefert. „Viele, die hier zum ersten Mal aufschlagen, haben über lange Zeit die Verpflegung völlig vernachlässigt”, sagt Jörg Breden, „nach einer Zeit merkt man, wie sie langsam wieder zunehmen.”

Harte Drogen tabu

Harte Drogen sind tabu, Alkohol darf im Eingangsbereich konsumiert werden. „Wenn das in ein lautes Gelage ausartet, schreiten wir ein”, erzählt Jörg Breden, „das funktioniert in der Regel gut.”

Einmal in der Woche kommt die Amtsärztin und hält eine Sprechstunde in Praxisräumen im Obergeschoss ab. „Viele der Bewohner können sich die Praxisgebühr nicht leisten und schämen sich, zu einem normalen Arzt zu gehen”, erzählt Jörg Breden, „eine Apotheke in der Nachbarschaft gibt Medikamente aus und verzichtet auf den Eigenanteil.”

Einige bleiben Jahre, andere sind schon nach zwei Stunden wieder weg. Aber das ist die Ausnahme. „Viele, die sich aus freien Stücken entschließen, hier auszuziehen, kommen nach einiger Zeit wieder”, sagt Jörg Breden. Spätestens an den kalten Tagen. „Ich kenne nur einen, der sich bewusst dazu entschieden hat, auf der Straße zu leben . . .”