Hagen. .

Den Großteil ihres fünfjährigen Lebens hat Julie als Gebärmaschine auf einer Zuchtstation vor sich hinvegetiert. Eingesperrt in einen Käfig, beschränkte sich das Leben der Hündin darauf, möglichst viele Welpen zu bekommen und so Profit abzuwerfen. Im Juli 2011 befreite der Verein „Berner Sennenhunde in Not“ Julie, seit September lebt sie bei der Hagener Vereinsvorsitzenden Solvig Rosenberger-Kampmann – und ist immer noch traumatisiert. Ob die Hündin jemals wieder Vertrauen zu Menschen fassen kann, steht in den Sternen.

Nicht weniger als 833 Hunde haben Solvig Rosenberger-Kampmann und ihre Mitstreiter seit der Vereinsgründung im Jahre 2006 von gewissenlosen Züchtern oder überforderten Privatleuten übernommen und an Halter vermittelt, die den Tieren noch ein paar schöne Jahre bieten können. Denn wenngleich viele von ihnen schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, werden die meisten dieser Vierbeiner doch zum freundlichen Familienhund.

„Vor 15 Jahren habe ich zum ersten Mal einen Berner Sennenhund gesehen und mich sofort darin verliebt“, erinnert sich Solvig Rosenberger-Kampmann. Die Hagenerin beschäftigte sich fortan intensiver mit den Schweizer Vierbeinern und stellte alsbald fest, dass es keineswegs nur positive Nachrichten über die hübschen Tiere gab: „Ich war erschrocken, wie viele von ihnen in Not geraten.“ Denn nicht selten wird ein niedlicher Welpe gekauft, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass daraus binnen weniger Monate ein Kraftpaket wird, das erzogen werden muss. Passiert das nicht, kann ein Berner auch mal die Zähne zeigen. Endstation ist dann oft das Tierheim.

Fast ein Vollzeitjob

Die 41-Jährige wollte etwas dagegen tun und richtete eine Internetplattform ein, auf der Berner Sennenhunde in Tierheimen gezeigt wurden. Die Resonanz war groß: „Es meldeten sich aber auch Menschen, die sagten, sie müssten ihren Hund abgeben.“ Also ging sie noch einen Schritt weiter und gründete den Verein, der heute einen großen Teil ihrer Freizeit in Anspruch nimmt. Längst ist es nicht mehr damit getan, Bilder ins Netz hochzuladen – mit zwölf ehrenamtlichen Mitarbeitern sucht die Hagenerin nach Pflegefamilien, kümmert sich um die Internetpräsenz, befreit Hunde, geht mit ihnen zum Tierarzt... Fast ein Vollzeitjob.

Namenlose "Vermehrerhunde"

Bei einem großen Teil der vermittelten Tiere handelt es sich um namenlose „Vermehrerhunde“, wie Rosenberger-Kampmann sie nennt. „Diese Hündinnen leben in einem Stall oder Zwinger und bekommen in den ersten fünf Lebensjahren durchschnittlich zwölf Junge pro Jahr. Das ist ein Riesengeschäft. Doch anschließend werden es immer weniger Jungtiere. Die Folge: Die Hündinnen sind nicht mehr rentabel.“ Manchmal würden sie dann noch zu einem anderen „Vermehrer“ weitergegeben, in anderen Fällen „aber auch einfach entsorgt, sprich getötet.“

Trotzdem vermittelt der Verein die Tiere nicht an die erstbeste Pflegestelle, fährt die 41-Jährige fort: „Zwei Drittel der Interessenten lehnen wir ab – es muss einfach alles stimmen, damit der Hund dort hin kommt.“ Und diese strengen Regeln tragen Früchte: 70 Prozent der Pflege-Herrchen oder -Frauchen, die eigentlich nur als Zwischenstation eingeplant waren, behalten den Hund für immer. So wie Millie. Die elfjährige Hündin durfte bei Familie Kampmann bleiben und alt werden – und das hat ihr sichtlich gut getan.