Hagen. .
Jetzt hat es die Politik schwarz auf weiß: Das Derivat-Urteil des Bundesgerichtshofs lässt sich auf die hochriskanten Zinswetten übertragen, die die Stadt Hagen mit der Deutschen Bank abgeschlossen hat.
Zu dieser Einschätzung kommt das Rechtsamt. Allerdings sprechen sich die Juristen dagegen aus, die Vereinbarung aus 2009 anzufechten. Sollte sich der Rat dieser Auffassung anschließen, wäre der Gesamtverlust von rund 40 Millionen Euro zementiert.
Wörtlich heißt es in der Einschätzung zur Prozesssituation: „Es besteht keine reelle Chance, den im Jahr 2009 mit der Deutschen Bank geschlossenen Vergleich wegen Nichtigkeit anzufechten und die Deutsche Bank erneut auf Schadensersatz zu verklagen.“ Die Juristen der Verwaltung empfehlen, es bei dem im Jahr 2009 erzielten Verhandlungsergebnis zu belassen. Somit wird immer deutlicher, dass die Anwälte der Kanzlei Streitbörger und Speckmann mit ihrer Einschätzung daneben lagen, als sie dem Rat empfahlen, der Vereinbarung mit der Bank zuzustimmen anstatt eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten.
Rücknahmder Klage
Juristisch gesehen handelt es sich gar nicht um einen Vergleich, sondern um eine Rücknahme der Klage durch die Stadt Hagen. Eine Anfechtung wegen Nichtigkeit komme, so die Hagener Juristen, damit nicht in Frage.
Auch im Vertragswerk hat das Kreditinstitut seine Interessen durchgesetzt. Wörtlich heißt es im Paragraf 3: „Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit dem Abschluss dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche der Parteien aus dem jeweiligen Rechtsstreit wegen der Swap-Geschäfte abgegolten sind. ,Ansprüche’ im Sinne dieser Vereinbarung umfasst alle gegenwärtigen und künftigen, bedingten oder befristeten, bekannten oder unbekannten Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund.“
„Auf alles verzichtet“
Eine Klausel, die die Grünen schon immer gestört hat, weshalb sie sich mit Hagen Aktiv gegen die Vereinbarung aussprachen. „Durch diesen Absatz hat die Stadt auf alles verzichtet“, so Fraktionssprecher Jochen Riechel. „Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass eine Klausel eingearbeitet wird, die eine mögliche BGH-Entscheidung berücksichtigt.“ Die Option, ein externes Gutachten zur Bewertung der Erfolgsaussichten des weiteren juristischen Vorgehens einzuholen, habe man noch. Allerdings mache das nur Sinn, wenn man dann in einem zweiten Schritt auch bereit sei, das weitaus höhere Prozesskostenrisiko (bis zu 1,8 Millionen Euro) zu tragen.
Dass die Stadt Hagen erneut in die Röhre gucken wird, fürchtet Dr. Josef Bücker (Hagen Aktiv). „Neben dem Vergleich hat sich die Stadt Hagen auch noch auf eine Klagerücknahme eingelassen. Das bedeutet, dass sie sich zukünftig sämtlicher juristischer Schritte gegenüber der Deutschen Bank beraubt hat – selbst wenn die Geschäfte nichtig waren. Dieses Ergebnis ist niederschmetternd.“
Die SPD sei grundsätzlich bereit, Wege zu gehen, um den Schaden aus den Geschäften zu minimieren. „Allerdings“, so der Fraktionsvorsitzende Mark Krippner, „werden wir genau hingucken, wie groß unsere Chancen sind.“
Die CDU schließt sich der Auffassung des Rechtsamtes weitestgehend an: „Das Desaster ist zwar äußerst bedauerlich“, so der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Röspel, „aber eine Perspektive für einen neuen Weg sehe ich nicht.“