Hagen. Aufgrund seiner Homosexualität wurde Alex Schlüter von den Nazis umgebracht. Ein Stolperstein in Hagen erinnert an ihn. Das sagen seine Urenkel:
Für mehr Toleranz und gegen Hass: „Unsere Oma hat sich Zeit ihres Lebens gefragt, was mit ihrem Vater geschehen ist. Diese dunkle Wolke schwebte immer über ihr. Trotzdem hat sie ihr Leben mit Stärke gemeistert“, sagt Sonja Queisser, geborene Bause, mit Bewunderung und Wertschätzung in der Stimme.
Von den Nazis umgebracht
Die 40-Jährige spricht über ihre Oma Katharina, die Tochter von Alexander Schlüter. Besagter Alexander Schlüter, der einige Jahre in Hagen gelebt hat, wurde aufgrund seiner Homosexualität von den Nazis umgebracht. Am Freitag, 17. Mai, wurde ihm zum Gedenken ein Stolperstein verlegt - in Hagen der erste Stolperstein für einen Homosexuellen.
Internationaler Tag gegen Homophobie
Der Tag - der 17. Mai - wurde mit Bedacht gewählt, da es sich um den „Internationalen Tag gegen Homophobie“ handelt.
Eine menschenverachtende Tat
Aber zurück zu Alexander (Alex) Schlüter: „Wir sind über die menschenverachtende Tat und über seinen Tod, der so viele Fragen aufwirft, natürlich auch betroffen. Unsere Oma Katharina hat nach dem Tod ihres Vaters auch selbst recherchiert, um Licht ins Dunkel zu bringen. Sie hat sogar einen offiziellen Suchdienst, der nach mysteriösen Todesfällen forcht, beauftragt“, blickt Marius Bause (31) zurück. Was für sie immer besonders schlimm gewesen sei: Vom Tod ihres Vaters hatte sie per Post erfahren. Und ob er irgendwo begraben worden war, weiß sie bis heute nicht.
Als Urenkel von Alex Schlüter hat Marius Bause seinen Vater (Katharinas Sohn) darin bestärkt, dem Aktivisten Jürgen Wenke, der sich dem Thema NS-Opfer verschrieben hat und die Idee, Stolpersteine für Opfer zu verlegen, ins Leben gerufen hat, „zuzuarbeiten“. „Die beiden haben sich ausgetauscht, und heute ist es tatsächlich so weit, dass für unseren Urgroßvater ein Erinnerungsstein verlegt wird“, so Bause am Freitag in Haspe.
Im Beisein von Schülern
Ein Blick auf den Bürgersteig vor dem Wohnhaus an der Enneper Straße 38: Im Erdgeschoss auf der linken Seite ein Geschäft für Elekrotechnik, rechts ein Wachdienst-Unternehmen. Vor dem Eingang des Gebäudes - dem letzten freigewählten Wohnsitz von Alexander Schlüter - verlegten am Freitagmittag Mitarbeiter der Stadt Hagen einen glänzenden Stolperstein. Im Beisein von ungefähr 50 Schülerinnen und Schüler aus Hagener Schulen.
Ein „unverbesserlicher Homosexueller“
Alexander (Alex) Schlüter, 1903 in Gelsenkirchen-Buer geboren, heiratete 1928 in Hagen-Haspe Katharina Wiegand. Die beiden hatten zwei Töchter. 1939 wurde Alex Schlüter aufgrund homosexueller Kontakte verurteilt und in Saarbrücken zu zwei Jahren Zuchthaus nach §175a verurteilt. Der Paragraph war 1935 von den Nazis eingeführt worden und beinhaltete eine Verschärftung des Homosexuellenparagraphen.
Aufgrund zweier einschlägiger Vorstrafen wurde Schlüter als „unheilbarer Sittlichkeitsverbrecher“ bezeichnet, an anderer Stelle auch als „unverbesserlicher Homosexueller“ abgewertet. Er wurde umquartiert ins Zuchthaus Rheinbach und Moorlager Bathorn und ins Zuchthaus Lingen.
Am rechnerischen Entlassungstag, dem 6.Januar 1941, wurde Alex Schlüter von der Polizei Dortmund in „Vorbeugungshaft“ genommen und in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin als „Rosa-Winkel-Häftling“ deportiert. Dann wurde er im neu zu bauenden KZ Natzweiler im Elsass als Arbeitssklave eingesetzt, später kam er zurück nach Sachsenhausen, wo er am 13. Noember 1941 ermordet wurde. Als Todesursache wurde „Herz- und Kreislaufinsuffizienz“ angegeben.
Am 23. Mai wird ein weiterer Stolperstein für einen homosexuellen Mann (Max Sander) in Hagen verlegt.
Zu dem Treffen hatten der Hagener Geschichtsverein sowie das Rahel-Varnhagen-Kolleg eingeladen. Vertreter des Geschichtsvereins, außerdem Pablo Arias, Lehrer am Rahel-Varnhagen-Kolleg, und Horst Wisotzki, Bezirksbürgermeister Haspe, unterstrichen in ihren Reden allesamt, dass der Tod von Alex Schlüter ein tiefes Loch in die Familiengeschichte gerissen habe.
Und sie appellierten daran, auch heute wachsam zu sein und gegen Ungerechtigkeiten und Ausgrenzungen jeglicher Art vorzugehen.
Zwei Schülerinnen des Christian-Rohlfs-Gymnasiums (CRG) legten Blumen am Stolperstein nieder. Die Mädchen spiegelten die Gegenwart, die vielfach noch immer durch Hass und Verachtung jener Menschen, die „fremd und anders“ erscheinen, geprägt ist, wider.
„Wir akzeptieren jeden, und wir stehen für eine bunte Gesellschaft“, betonten Jasmina und Esila, die für ihre ganze Schule - eine Schule gegen Rassismus, aber mit Courage - sprachen.
Auch interessant:
- Mittelstraße verwandelt sich Pets Avenue
- Im Volmetal gehen die Gäste zu „Slavko und Matija“
- Hagen karibisch zieht an der Stadt vorbei
- Diesen Anblick von einem Turm aus hat man in Hagen nicht
- Ein Abschiedsbrief an das Freibad Henkhausen
Gesellschaft muss toleranter werden
Die 16-jährige Esila, die die elfte Klasse des CRG besucht, sagte mit fester Stimme: „Leider gibt es überall noch Ausgrenzung. Definitiv.“ Die Gymnasiastin kopfschüttelnd weiter: „Dabei wird doch niemand durch Homosexuelle in irgendeiner Form eingeschränkt.“ Jasmina, ebenfalls 16 und Schülersprecherin am CRG, ergänzte: „Einige konservative Menschen möchten an ihrer sturen Sichtweise einfach nichts ändern. Aber es muss sich was tun. Unsere Gesellschaft muss toleranter werden.“
Die engagierten Schülerinnen sprachen mit einer Stimme weiter: „Wir haben eine lesbische Freundin, und die ist total integriert. Warum auch nicht?“