Hagen/Berlin. Sollte es doch noch eine Lösung für die erdrückende Hagener Schuldenlast geben? Das Berliner Finanzministerium kümmert sich um die Situation.

Diese aktuelle Nachricht aus der Bundeshauptstadt lässt in Hagen angesichts der brisanten Haushaltslage aufhorchen: Der Finanzausschuss des Bundestags hat sich erneut auf die Fahnen geschrieben, die Finanzierung der Städte und Gemeinden zu verbessern. Das zuständige Berliner Ministerium von Christian Lindner (FDP) will bis zum Sommer eine Konferenz organisieren, um Lösungen zu diskutieren. Eine Botschaft, die nicht bloß Optimismus bei den betroffenen Kommunen, sondern auch bei dem Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“, das inzwischen 70 notleidende Städte aus acht Bundesländern mit insgesamt 8,7 Millionen Menschen repräsentiert, weckt.

Hagens Kämmerer Christoph, zugleich einer der Sprecher des Aktionsbündnisses, begrüßte die Erklärungen aus Berlin ausdrücklich. Das teilt die Stadt Hagen mit: „Die Beteiligten im Finanzausschuss haben die Probleme der Kommunen präzise beschrieben und mögliche Lösungen benannt. Das ist ein wichtiges Zeichen der Hoffnung in der kommunalen Finanzkrise. In die nun anstehenden Diskussionen bringen wir gerne unsere Erfahrungen aus der Praxis und unsere wissenschaftlich fundierten Vorschläge ein.“

Das ist ein wichtiges Zeichen der Hoffnung in der kommunalen Finanzkrise. In die nun anstehenden Diskussionen bringen wir gerne unsere Erfahrungen aus der Praxis und unsere wissenschaftlich fundierten Vorschläge ein.
Christoph Gerbersmann - Finanzdezernent der Stadt Hagen

Kämmerer Christoph Gerbersmann ist zugleich Sprecher des bundesweiten Bündnisses „Für die Würde unserer Städte“.
Kämmerer Christoph Gerbersmann ist zugleich Sprecher des bundesweiten Bündnisses „Für die Würde unserer Städte“. © WP | Michael Kleinrensing

Im Rahmen der Beratungen über den noch ausstehenden Doppelhaushalt 2024/25 war zuletzt im Hagener Haupt- und Finanzausschuss erneut sehr deutlich geworden, dass das Finanzdezernat aktuell sowie in den folgenden Jahren kolossal damit scheitert, einen ausgeglichenen Etat vorzulegen. Hauptursache dafür sich nicht bloß die allerorten beklagten Kosten- und Lohnsteigerungen, sondern vor allem auch die enorme Altschuldenlast, die Hagen angesichts der wieder gestiegenen Zinslasten zu erdrücken droht. Da kommt der eher langweilig klingende politische Begriff der „Protokollerklärung“ für die finanzschwachen Kommunen gerade richtig, zumal er in diesem aktuellen Fall mit einem spannenden Inhalt verbunden ist. Denn der Finanzausschuss des Bundestags hat zuletzt ausdrücklich über eine Änderung des Gemeindefinanzreformgesetzes beraten. In der dazugehörigen Protokollerklärung stehen Aussagen der Ampel-Koalitionsfraktionen sowie von CDU und CSU, die nach den vielen geplatzten Versprechungen auf Landes- und Bundesebene wieder einmal Hoffnungen bei denjenigen wecken, die unter der kommunalen Finanzkrise am meisten leiden und sich bislang mit effektfreien Hinhaltetaktiken abfinden müssen.

Parteiübergreifende Einsicht

Die genannten Fraktionen wollen, wie auch im Ampel-Koalitionsvertrag festgehalten, die Investitionsfähigkeit der Städte und Gemeinden, die Grundlagen der Kommunalfinanzierung und die Altschuldenfrage jetzt offenkundig tatsächlich angehen. SPD, Grüne und FDP sehen die Kommunen in einer „angespannte finanziellen Situation“. In diesem und in den Folgejahren stünden negative Saldos in den Haushalten zu erwarten. Zudem wachsen die „Belastungen durch Altschulden, Soziallasten und die Herausforderungen der Digitalisierung“, so deren Erkenntnis. Daher müsse man Maßnahmen für eine „faire, transparente und nachhaltige Finanzierung für die kommunale Ebene“ diskutieren. Die Unionsfraktion beurteilt die finanzielle Situation der Kommunen ähnlich, sieht es positiv, dass grundlegend über die Kommunalfinanzen diskutiert werden soll, und weist auf die Altschuldenproblematik einiger Kommunen hin.

Oberbürgermeister Erik O. Schulz (links) und Finanzdezernent Christoph Gerbersmann setzen sich schon seit Jahren - Archivbild stammt auf dem Sommer 2017 - für eine faire Kostenverteilung zwischen Stadt, Land und Bund ein.
Oberbürgermeister Erik O. Schulz (links) und Finanzdezernent Christoph Gerbersmann setzen sich schon seit Jahren - Archivbild stammt auf dem Sommer 2017 - für eine faire Kostenverteilung zwischen Stadt, Land und Bund ein. © WP | Michael Kleinrensing

Die Protokollerklärung enthält – neben den Lippenbekenntnissen – darüber hinaus sogar schon den nächsten Schritt: Das Bundesfinanzministerium möchte noch vor der politischen Sommerpause eine „größere Fachkonferenz“ zu dem drängenden Thema organisieren. Mit dabei sein sollen Vertreter von Kommunen, Ländern, des Bundes und aus der Wissenschaft. Denn die kommunale Finanzkrise hat mehrere Ursachen, unter anderem den massiven Zinsanstieg, hohe Tarifabschlüsse sowie rasant gestiegene Bau- und Energiepreise. Hinzu kommt eine unfaire Finanzverteilung zwischen den staatlichen Ebenen. Bund und Länder delegieren zahlreiche Aufgaben an die Kommunen, sorgen aber nicht für einen angemessenen Ausgleich der Kosten, die dadurch entstehen (Konnexitätsprinzip). Deshalb haben sich die Schuldenberge bundesweit auf mehr als 30 Milliarden Euro aufgetürmt, eine knappe Milliarde stammt dabei aus der überschuldeten Stadt Hagen.

Städte mit vier zentralen Forderungen

Das Aktionsbündnis „Für die Würde unserer Städte“ hat zuletzt mehrere Lösungen für die kommunale Finanzkrise vorgeschlagen:

1. Eine Regelung der Altschuldenfrage;

2. eine Halbierung der zweckgebundenen Fördermittel zugunsten pauschaler Mittel für die Kommunen;

3. einen Infrastruktur- und Instandsetzungsfonds;

4. die Übernahme eines höheren Anteils an den Soziallasten durch Bund und Länder.

Die meisten Bundesländer mit betroffenen Kommunen haben ihren Anteil an einer Altschuldenlösung entwickelt und umgesetzt, unter anderem Hessen, das Saarland, Brandenburg und Niedersachsen. Einzige Ausnahme ist Nordrhein-Westfalen. Dort hatte die Landesregierung im Sommer 2023 zwar einen Vorschlag eingebracht, den Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, weitere Sachverständige und der Bundesfinanzminister jedoch einhellig als unzureichend bewerteten. Denn es handelte sich letztlich lediglich um eine Umverteilung der Gelder, aber es fehlte ein substanzieller finanzieller Eigenanteil des Landes. Wie es in NRW weitergehen soll, ist zurzeit offen. Zwar hat auch die schwarz-grüne Landesregierung sich zur Rettung der Städte bekannt, jedoch noch keine greifbaren Vorschläge präsentiert.