Hohenlimburg. Im August 2023 geschieht ein Unglück am Schloss Hohenlimburg. Juristisch ist der Fall abgeschlossen. Die Hinterbliebenen sind fassunglos.
„Moral und Gesetz gehen hier für uns ganz weit auseinander.“ Die Hinterbliebenen einer damals 80-jährigen Hohenlimburgerin, die am 20. August 2023 nach der Schlossspiele-Aufführung „Der Name der Rose“ von einer damals 93-jährigen Autofahrerin auf dem Parkplatz des Schlosses angefahren wurde und später im Krankenhaus ihren Verletzungen erlag, sind fassungslos. „Da wird ein Mensch tot gefahren, man hört niemals etwas von der anderen Seite und dann bleibt man noch dazu auf allen Kosten sitzen“, heißt es seitens der Opfer-Familie gegenüber dieser Zeitung. Das Verfahren gegen die heute 94-jährige Unfallverursacherin ist nun eingestellt worden.
Ersthelfer reagierten sehr schnell
Es war ein warmer Sommerabend. Der 20. August 2023. Die besagte Vorstellung bei den Schlossspielen war zu Ende. Während die damals 93-Jährige gegen 22.30 Uhr mit ihrem Mercedes um die Kurve zum Alten Schloßweg fährt, übersieht sie die 80-jährige Fußgängerin und erfasst sie. Ersthelfer reagieren schnell und helfen, das Auto anzuheben, um die unter dem Fahrzeug eingeklemmte Dame zu befreien. Die 80-Jährige kommt mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus. Sie ist für die Polizei in den Stunden danach offiziell nicht lebensgefährlich verletzt.
Doch das stimmt nicht. Denn unter anderem ist es zu Hirnblutungen gekommen. Das mittlerweile vorliegende Obduktionsergebnis sagt: Der Unfall war die Todesursache. Das erklärt die Hagener Staatsanwaltschaft auf Anfrage dieser Zeitung. Knappe zwei Wochen nach dem Unfall verstirbt die 80-Jährige an den Folgen. Ein halbes Jahr lang erfahren die Angehörigen der Toten nach eigenen Aussagen nichts.
Die Verstorbene konnte sich in den Tagen nach dem Unfall nicht an das Geschehen erinnern, regelte aber noch letzte Angelegenheiten mit ihrer Familie - wach und sehr aufnahmefähig. Die Familie, so erklärt sie gegenüber dieser Zeitung, trägt neben der Trauer und dem Schmerz über den Verlust auch alle Kosten. Die Beerdigung, alle Notargebühren, das Leerräumen des Hauses. „Kosten, die entstanden sind, weil jemand anderes für den Tod unserer Mutter verantwortlich ist. Vielleicht hätte sie noch einige gute Jahre gehabt.“
Dass nun klar ist, dass der Unfall todesursächlich ist, ist kein unwichtiger Punkt für die Familie. Denn nur so greift nun eine Unfallversicherung, die einen Teil der entstandenen Kosten abdecken kann. „Es geht nicht ums Geld“, heißt es aus dem Familienkreis. „Es geht ums Prinzip, dass wenn man dafür verantwortlich ist, dass ein Mensch stirbt, dass man dann auch dafür eintritt. Noch dazu haben wir nie etwas von der Verursacherin gehört. Auch nicht direkt nach dem Unfall, als unsere Mutter noch lebte.“
Verfahren gegen Geldbuße eingestellt
Unterdessen ist das Verfahren gegen die heute 94-jährige Verursacherin des Unfalls gegen Zahlung einer höheren vierstelligen Geldbuße eingestellt worden, wie die Hagener Staatsanwaltschaft auf Nachfrage erklärt. Das sei aus juristischer Sicht kein Freispruch, die Schuldvermutung bleibe, wie Oberstaatsanwalt Gerhard Pauli erklärt. Es handele sich weiter um fahrlässige Tötung.
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Es kämen aber unterschiedliche Punkte zusammen, die die Einstellung des Verfahrens vor diesem Hintergrund rechtfertigen würden. Die Umstände vor Ort und auch das Alter der Beschuldigten fänden dabei Berücksichtigung. Bei der Verursacherin war laut Polizei direkt nach dem Unfall ein Atemalkoholwert von 0,4 Promille festgestellt worden. Die Promillegrenze liegt bei 0,5. Am Schlossberg herrscht nach den Schlossspiele-Vorstellungen regelmäßig viel Verkehr, der von einem Helferteam geregelt wird. Nach Aussagen des Teams kurz nach dem Unfall am 20. August 2023 war zuvor nie etwas Vergleichbares geschehen.
Dass der Unfall die Todesursache war und dies nun auch per Obduktion bestätigt ist, erfährt die 94-jährige Verursacherin im Gespräch mit dieser Zeitung. Die Information hatte sie bislang ebenso nicht erreicht wie die Angehörigen der Verstorbenen. „Ich habe meinen Führerschein abgegeben“, sagt die Dame. Sie sehe ein, dass sie nicht mehr fahren könne. Dass das Verfahren eingestellt werde, habe sie nach Gesprächen mit ihrem Rechtsbeistand bereits so erwartet. Diese Art Abkürzung des Verfahrens habe im Raum gestanden. Dass sie sich in den Tagen nach dem Unfall nicht bei der Geschädigten, die noch zwei Wochen lebte, ehe sie an den Folgen des Unfalls verstarb, gemeldet habe, sei eine „bewusste Entscheidung“ gewesen. Sie habe nicht gewollt, dass die Dinge wieder hochkommen.
Auf juristischem Wege ist der Fall aber noch lange nicht abgeschlossen. Denn die Hinterbliebenen der Toten erwägen eine Zivilklage gegen die 94-Jährige, bei der es unter anderem um Schadensersatzansprüche gehen wird. Ein Rechtsanwalt ist bereits eingeschaltet, wie die Familie mitteilt. In Deutschland gibt es keine Altersbeschränkungen für Führerscheininhaber. Das EU-Parlament führt aber aktuell intensive Debatten zur anstehenden Führerschein-Reform. Im Raum steht, Menschen ab 70 den Führerschein befristet für fünf Jahre auszustellen. Ab 80 nur noch für zwei Jahre. Nicht nur Fahrprüfungen, sondern auch psychologische und medizinische Tests sollen darüber entscheiden, ob die Fahrerlaubnis weiter ausgestellt werden darf.
Neue Laternen aufgestellt
Um die Sicherheit der Fußgänger rund ums Schloss - speziell am oberen Parkkplatz - zu erhöhen und auch Einzelpersonen beim Weg zum oberen Parkplatz ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, hatte Dirk Hering zum Ende des Jahres 2023 rund 200 Meter Erdleitungen verlegt und am Rande der Parkplätze und des Fußweges insgesamt zehn drei Meter hohe Pfosten gesetzt, auf die er jeweils ein witterungsbeständiges Leuchtengehäuse platzierte. Auf eigene Kosten. Dirk Hering ist auch bei den Schlossspielen für Licht und Ton zuständig.