Hagen. Die Kommunen in NRW können Asylbewerber künftig mit einer Bezahlkarte finanziell absichern. Was das für Hagen bedeutet, ist noch unklar.
Die von der Ministerpräsidenten-Konferenz jüngst eingefädelte Einführung der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber bleibt für die Stadt Hagen bis heute ein großes inhaltliches Mysterium. „Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll“, zeigt sich Oberbürgermeister Erik O. Schulz im Interview mit der Stadtredaktion über das Vorgehen der Landesregierung mehr als irritiert: „Statt eine klare Linie zumindest für NRW zu finden, stellt man das jetzt plötzlich ins Benehmen der Kommunen. Da wird uns eine kommunale Selbstverwaltungshoheit vermittelt, und am Ende haben wir einen Flickenteppich unterschiedlichster Lösungen.“
„Uns fehlen bislang jegliche Details, um das Thema und die daraus resultierenden Folgen für die Arbeit der Verwaltung einschätzen zu können“, sieht Stadtsprecher Michael Kaub zurzeit noch keinen Ansatzpunkt, das Thema und die daraus resultierende Belastungswelle für die Fachbereiche seriös einordnen zu können. „Für uns sind momentan sowohl die technischen als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen noch völlig offen.“ Auch der exakte Personenkreis sei noch unklar, denn es gebe ja weiterhin Geflüchtete mit ganz unterschiedlichem Status.
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Die NRW-Kommunen, so die Vorstellung der schwarz-grünen Landesregierung, sollen eigenständig über die Einführung der geplanten Bezahlkarte für Asylbewerber entscheiden und die entstehenden Kosten dabei auch selbst tragen. Es solle jedoch keinen Anschlusszwang für die Kommunen in Nordrhein-Westfalen geben, betonte zuletzt die Staatskanzlei. Auch der Bund werde sich an den mit der Einführung der Bezahlkarte verbundenen Kosten nicht beteiligen. Zugleich wirbt die Landesregierung aber „für einen möglichst flächendeckenden Einsatz der Bezahlkarte“.
Städte mahnen Kostenübernahme an
Beim Städte- und Gemeindebund NRW rief diese Ankündigung prompte Kritik hervor. „Das Land hat bei der Bezahlkarte einseitig Fakten geschaffen, ohne vorher mit den Kommunen die Rahmenbedingungen zu besprechen. Das ist mehr als enttäuschend“, sagte Hauptgeschäftsführer Christof Sommer und fügte hinzu: „Für uns ist klar: Wenn Bund und Länder die Einführung einer Bezahlkarte beschließen, müssen sie auch vollständig die Kosten übernehmen.“
Eine Bezahlkarte, so der Städte- und Gemeindebund weiter, könne Ämtern und Geflüchteten grundsätzlich durchaus helfen, wenn sie einfach zu handhaben sei und Aufwand reduziert werde: „Vieles spricht dafür, sie flächendeckend einzuführen. Nur dann kann sie auch einen Beitrag leisten, Migration zu steuern.“
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Auch der Städtetag NRW äußerte sich deutlich. „Bund und Länder haben die Bezahlkarte als Bargeldersatz beschlossen, damit ist auch klar, dass sie die Kosten für das neue System übernehmen müssen“, erklärte Geschäftsführer Helmut Dedy. „Das Land darf nicht raus aus seiner Verantwortung. Die Städte wollen außerdem keinen Flickenteppich: Die Bezahlkarte muss im ganzen Land angewendet werden“, sagte Dedy.
System soll Kommunen entlasten
Der Städtetag NRW forderte die schwarz-grüne Landesregierung auf, möglichst schnell Gespräche mit den Kommunen zu starten, um die Voraussetzungen und die Details zur Bezahlkarte in NRW zu klären. Etwa für welche Gruppen von Leistungsbeziehern die Karte gelten solle, wie die Karten in die Kommunen kommen und wer sie dort ausgebe. Die neue Bezahlkarte für Asylbewerber bringe nur einen Fortschritt, wenn der Verwaltungsaufwand vor Ort sinkt und die Kosten für das neue System nicht bei den Kommunen hängen bleiben.
Dies ist auch die Maxime bei der Stadt Hagen: „Das System darf keine Mehrarbeit und keine Mehrkosten auslösen“, betont Stadtsprecher Kaub. Immerhin würden sich zurzeit etwa 2700 Geflüchtete in Hagen aufhalten, die alle versorgt werden müssten. Zudem sei auch noch völlig unklar, auf welche Akzeptanz die Bezahlkarte in der Hagener Geschäftswelt stoße.
Entsprechend fordert die CDU-Ratsfraktion bis zur Ratssitzung am kommenden Donnerstag Fakten ein: „Wir wollen die Bezahlkarte für Geflüchtete in Hagen einführen. Zuvor brauchen wir jedoch präzise Informationen über Rahmenbedingungen und Kosten des Vorhabens“, meint Fraktionschef Jörg Klepper. Ähnlich sieht es Parteichef Dennis Rehbein: „Asylsuchende haben das ‚Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums‘. Allerdings erleichtert die bisherige Bargeldauszahlung auch den Missbrauch. Die Karte macht Missbrauch deutlich schwerer“, wünscht er sich allerdings eine finanzielle Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Land: „Denn das Thema Flüchtlinge ist eindeutig nur im Vollzug ein kommunales Thema.“
OB warnt vor Ressentiments
Ob die Bezahlkarte für Hagen eine vernünftige Lösung sei, will OB Schulz aktuell noch gar nicht bewerten: „In dieser Frage kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Ich glaube zwar auch, dass wir im Bereich der Zuwanderung wie auch in der übrigen Stadtgesellschaft bei einem gut ausgeprägten Sozialleistungssystem natürlich Missbrauchsfälle haben. Trotzdem müssen wir aufpassen, dass wir bei den Missbrauchsdebatten keine Ressentiments schüren und bestimmte Ethnien unter den Generalverdacht des Leistungsmissbrauchs stellen.“