Hagen. Ein Bild hinter einer Milchglasscheibe an der Fernuni Hagen, das halbnackte Kaffeepflückerinnen zeigt, sorgt für Wirbel. Argumente und Ansichten.
Es ist wohl lange her, dass ein Kunstwerk in Hagen für derartigen Wirbel gesorgt hat. Letztlich will sie das ja auch, die Kunst, zu Diskussionen anregen, zum Austausch animieren. Dass sein Glasbild, das zwei barbusige Kaffeepflückerinnen zeigt, aber mal für derartige Debatten sorgen würde, hätte sich der Künstler Hans Slavos (1909 bis 1969), der das Werk als eines von sechs Buntglasfenstern im Auftrag der Firma Hussel für die Zentrale an der Eilper Straße schuf, wohl nicht träumen lassen.
Zu tun hat das mit der Fernuniversität, die das Bild schon seit mehr als einem Jahr ausstellt und es dann, nachdem sich Mitarbeiter beschwert hatten, hinter einer Glasscheibe verbarg. Die Argumentation: Das Wandbild sei durchaus als sexistisch und rassistisch anzusehen, da es eine indigene Frau zum Objekt degradiere. Es stelle eine Arbeitsszene idealisiert dar.
Die öffentliche Debatte aber hat auch zu tun mit unserer Zeitung, die im Herbst letzten Jahres in mehreren Artikeln und Kommentaren über das verdeckte Werk berichtet hatte und unterschiedlichste Blickwinkel aufzeigte.
Mehr als 150 Zuhörer
Die Diskussion wurde im Herbst angestoßen, sie ist aber längst nicht beendet. Und sie bewegt weitaus mehr Menschen in der Stadt, als man vielleicht meinen könnte. Beleg: Zu einer Veranstaltung, zu der die Fernuniversität und der Hagener Heimatbund, der die Serie der Slavos-Bilder mit dem Arbeitskreis Hagen Postkolonial der Fernuni einst aus dem zum Verkauf stehenden Gebäude gerettet hatte, waren mehr als 150 Menschen gekommen. Auf dem Podium: Michael Eckhoff (Vorsitzender des Heimatbundes), Fabian Fechner (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet Geschichte Europas in der Welt), Künstler Karl-Friedrich Fritzsche, Phyllis Quartey (Bildungsreferentin und Aktivistin), Joanne Rodriguez (Leiterin Städtische Galerie Fruchthalle Rastatt und Kuratorin) sowie WP-Chefredakteur Jost Lübben.
So unterschiedlich die Menschen auf dem Podium, so unterschiedlich ihre Argumente und Beiträge. Ein Auszug: „Die Debatte an sich ist doch ein Erfolg“, so Jost Lübben, „allerdings hätte sie uns gleich zu Beginn weitergebracht bei der Frage, ob die jetzige Lösung, das Kunstwerk hinter einer Milchglasscheibe zu verbergen, die einzig gangbare ist.“
Kritik an Berichterstattung
Zumindest die erste Einschätzung teilt auch Fabian Fechner, der aber auch unsere Zeitung kritisierte: „Eine Debatte am Anfang wäre hilfreich gewesen, eine objektive Berichterstattung, die den Namen verdient, auch.“ Der eigentliche Skandal sei erst durch die Berichterstattung geschaffen worden, unter anderem durch das Wort „Bildersturm“ (Überschrift über einem Kommentar, Anmerkung der Redaktion).
Gänzlich anders sieht das Karl-Friedrich Fritzsche, Mitglied im Künstlerbund Hagenring, dem auch Hans Slavos angehörte. Dass Kunstwerke geschaffen würden, damit sie auch sichtbar seien, unterstrich der Künstler: „Kunst, die nicht sichtbar ist, kann auch nicht debattiert werden. Ich würde das als Zensur bezeichnen.“ Er selbst habe im Husselgebäude über Jahre eine Malschule betrieben. „Da sind hunderte Menschen an dem Glasfenster vorübergegangen, keiner wäre auf die Idee gekommen, es zu verhüllen.“ Er wolle der Zeitung danken, dass diese die Debatte überhaupt erst angestoßen habe.
Heimatbund fördert Diskussion
Öffentlicher Kritik sah sich auch der Heimatbund ausgesetzt: „Immer wieder ist die Frage an uns herangetragen worden, warum wir das Bild nicht einfach zurückholen“, so Michael Eckhoff, „aber das ist ja gar nicht unser Interesse. Wir wollen ja, dass über das Bild geredet wird.“
„Bei der ersten Betrachtung hat die Milchglasscheibe zu Irritationen geführt“, erklärt Kuratorin Joanne Rodriguez, „sie ist aber auch eine Chance. Museen überlegen ständig, wie sie verdeutlichen können, dass alles eine Frage der Perspektive ist.“
Phyllis Quartey, selbst Schwarze, blickte in die Runde und bemerkte kritisch: „Der Raum hier ist sehr weiß und sehr privilegiert.“ Ihr fehle bei der Diskussion der letzten Monate die Perspektive derjenigen, die selbst von Rassismus betroffen sind. Die, so Quartey, hätte man von vornherein mit einbeziehen müssen. Darüber hinaus sei es auch aus ihrer Sicht eine bessere Lösung gewesen, das Fenster hinter einer Wand zu zeigen und die Besucher darauf aufmerksam zu machen, was die denn erwarte. „Dann könnte jeder selbst entscheiden, ob er das Bedürfnis hat, sich das Bild anzuschauen.“