Hagen. Sexismus? Nach Beschwerden von Mitarbeitern der Fernuni Hagen wird ein Bild, das eine farbige, halbnackte Frau zeigt, verhüllt. Die Hintergründe:
Sexismus? Rassismus? Wer einige Meter entfernt steht, erkennt das Motiv nur schemenhaft. Beim näheren Herantreten ist die farbige, barbusige Frau klarer auszumachen. Das Wandbild, das eine Kaffeepflückerin zeigt, hat in der Fernuniversität Hagen hohe Wellen geschlagen.
Gespräche mit Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsbeauftragten
Konkret: Einige Mitarbeiter der Hochschule haben sich über die Abbildung beschwert, woraufhin Gespräche zwischen Geschichtswissenschaftlern, der Gleichstellungsbeauftragten sowie der Antidiskriminierungsbeauftragten der Fernuni stattgefunden haben.
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Das Ergebnis: Die Hälfte des Bildes (jener Teil, der den unbekleideten Oberkörper der Frau zeigt) wurde durch eine eigens angebrachte Milchglasscheibe abgedeckt. Mit dem Ziel, die dargestellte Situation zu verfremden und „nicht zu idealisieren“, so heißt es aus Fernuni-Kreisen.
Buntglasbild stammt von Hans Slavos
Welches Bild dermaßen für Aufregung sorgt, dass es jetzt nur noch schemenhaft ausgestellt wird? Ein Buntglasbild des Hagener Künstlers Hans Slavos (1900 – 1969), das eine Szene aus dem mittelamerikanischen Land El Salvador, einem wichtigen Kaffeeproduzenten, zeigt.
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Das Kaffeepflückerinnen-Fenster bildet zwei farbige Frauen, die Körbe mit Kaffeefrüchten auf ihren Köpfen transportieren, ab. Die eine trägt einen rötlichen Wickelrock und ist barbusig, die andere ein weiß-gelbes Wickelkleid. Beide Frauen sind mit auffälligem Halsschmuck und weißen Blüten im Haar ausstaffiert.
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Zum Hintergrund: Anfang der 1950er-Jahre entwarf der Maler Hans Slavos für den Hussel-Firmensitz in der Eilper Straße sechs Glasbilder zum Thema Kaffee-Ernte. Dies passt zur Vita und zur Selbstdarstellung des Firmengründers Rudolf Hussel, der 1956 zum Wahlkonsul von El Salvador für das Land Hessen ernannt wurde. Im damaligen Lager- und Verwaltungsgebäude an der Eilper Straße wurden auch Kaffeebohnen geröstet.
Im Frühjahr 2020 wurde die Immobilie verkauft und zu Lagerräumen umgestaltet. Im Vorfeld wurden die Buntglasfenster allerdings aufwendig herausgetrennt; der Hagener Heimatbund und der Fernuni-Arbeitskreis „Hagen postkolonial“ retteten die historischen Objekte.
Dreiteiliges Bild hängt im „Café Handwerk“ bei Elbers
Das großformatige Triptychon, das eine Kaffeeverlade-Szene zeigt, hängt seit Ende 2020 im „Café Handwerk“ auf dem Elbersgelände, die übrigen drei Werke (das Motiv mit Pflanze und die Darstellung der beiden Frauen, von denen eine nur teilweise bekleidet ist) werden seit September 2022 als Dauerleihgabe des Hagener Heimatbundes im Gebäude 3 (dort eröffnet in Kürze das Campus-Café Dickhut) der Fernuni präsentiert.
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Aber zurück zur Milchglasscheibe: „Wir sind ein Ort, an dem man Geschichte lernen kann, und unser Blick auf Geschichte entwickelt sich weiter. Unsere Historiker haben daher die Ausstellungssituation verändert“, erklärt Fernuni-Sprecher Stephan Düppe. Und weiter: „Ein begleitender Text, der die Entstehung des Bildes erläutert, reicht in unseren Augen nicht aus. Eine irritierende Darstellungsform wie die Verschleierung durch eine Plexiglasscheibe animiert den Betrachter mehr zum Nachdenken.“
Sexistisch und rassistisch
Das Wandbild sei durchaus als sexistisch und rassistisch anzusehen, da es eine indigene Frau zum Objekt degradiere. Es stelle eine Arbeitsszene idealisiert dar, „die Kaffeepflückerin, die die schwere Ernte auf ihrem Kopf trägt, scheint sich wohl zu fühlen, obwohl die Kaffee-Ernte in Wahrheit harte Arbeit ist, die oft von Ausbeutung geprägt war. Diese Arbeit würde sie sicherlich nicht halb bekleidet in einer Fantasietracht ausüben“.
Stephan Düppe unterstreicht, dass der Künstler Slavos selbst nie vor Ort war, „er hat sich in seiner Fantasie vorgestellt, wie es in El Salvador aussehen könnte“. Der Fernuni-Sprecher ergänzt: „Jedes Kunstwerk sollte anders betrachtet werden. Nicht jedes Bild, das einen farbigen Menschen zeigt, ist als rassistisch einzustufen. Und nicht jedes Werk, das einen nackten Menschen abbildet, ist sexistisch. Man muss die historische Perspektive berücksichtigen.“