Hagen. Eine der letzten Telefonzelle in Hagen befindet sich am Märkischen Ring. Warum ein Test mit dem Telefon nicht funktioniert.
Am Morgen noch daran vorbeigefahren. Es hatte geschneit. Heftig geschneit. Dicke Flocken waren vom Himmel gefallen. Das kennt der Hagener nicht. Vielleicht war sie auch deshalb belegt, eine der letzten Telefonzellen, die es in Hagen noch gibt. Keine Stele - eine richtige geschlossene Zelle mit drei Wänden und einer Glastür.
Ein Mann hatte sich vom Gerät abgewandt, blickte auf die vorbeirauschenden Autos auf dem Märkischen Ring. Er qualmte eine Zigarette und nebelte mit all dem Rauch sich selbst und den kleinen Raum ein.
Gelbe Zelle im Freilichtmuseum
Er hat mich inspiriert, dieser Mann. Inspiriert zu einem Besuch eines Ortes, den ich lange nicht mehr aufgesucht habe. Ich erinnere mich an eine gelbe Telefonzelle in einem bäuerlichen Freilichtmuseum. Was es mit dem wohl kleinsten Gebäude auf dem weiten Areal so auf sich hatte, musste ich damals schon meinen Kindern erklären. Bezeichnend.
Auch interessant
Jetzt also Märkischer Ring. Telefonieren an einer Hauptverkehrsstraße, die täglich von zehntausenden Fahrzeugen passiert wird. Wer hier quatschen möchte, braucht einen abgeschiedenen Raum. Als sich die Tür schließt, wird es schlagartig ruhiger.
Telefonieren wie in der Jugendherberge
Denke zurück an eine Jugendherberge in Monschau. Die hatte eine eigene Zelle. Ich stand darin, schmiss Groschen (die Älteren wissen noch, was das war) in einen Schlitz und wählte die Nummer mit Hagener Vorwahl. Ameisen waren beim Frühstück aus dem Knäckebrot gekrabbelt. Da hatte es die gesamte Reisegruppe des Hasper SV dahingerafft. Ich kam noch so eben dazu, meinen Eltern mitzuteilen, dass es mir ziemlich schlecht ginge. Das nächste Zehn-Pfennig-Stück rauschte durch das Telefon, das übernächste auch. Ich versuchte noch, durch wildes Reiben auf Metall dafür zu sorgen, dass das Telefon die Münze doch noch schluckt. Vergeblich. Gespräch beendet, Nachfragen nicht mehr möglich, die Sorge daheim groß.
41 Jahre ist das her. Tabakreste liegen auf dem Telefon. Ich stehe in der Zelle, greife nach dem magentafarbenen Hörer, suche den Schlitz für Münzen, weil ich gar nicht wüsste, wo und ob überhaupt man heute noch eine Telefonkarte (ja, so etwas gab es einmal) erstehen kann.
Hörer beschmiert
„Tell her you“ hat jemand mit schwarzem Filzstift auf den Hörer gekritzelt. Immerhin: Das Telefon hat Strom. „Entschuldigung, zur Zeit gestört“, steht in seinem Display.
Wie lange diese „Zeit“ schon anhält? Lange, sehr lange vermutlich. Und es ist wohl kaum zu erwarten, dass in den nächsten Minuten ein Telekom-Techniker vorbeikommt und diesen Zustand ändert. Es ist übrigens auch kaum zu erwarten, dass jemals ein Telekom-Techniker vorbeikommt und diesen Zustand ändert. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass ein Telekom-Techniker ein rares Gut ist. Er taucht auch auf Bestellung ungefähr so häufig auf, wie ein Schneeschauer im Juli.
Schutz in der Telefonzelle
Der Schnee im Januar hat sich gerade in feinen Nieselregen verwandelt. Der Wind weht selbst durch die Ritzen der Telefonzelle kalt. Dennoch findet man auf diesem Quadratmeter Schutz. Ich bin gekommen, um zu telefonieren. Ich zücke mein Handy und beschließe, die Nummer einzutippen. Wenigstens das soll hier so bleiben, wie es immer war.
Es tutet am anderen Ende der Leitung. Auch an diesem Ton hat sich in den letzten 40 Jahren nichts geändert. Es tutet, aber niemand nimmt ab. Keiner zu Hause.
Keine Schlange mehr vor der Tür
Es schnee-regnet jetzt wieder vor der gläsernen Tür. Warum sollte ich diesen Ort verlassen? Wohl kaum, weil jemand kommt und eine Schlange vor der Tür eröffnet, die dann nach und nach immer weiter anwächst. So wie früher in der Telefonzelle in der Jugendherberge in der Eifel.
Ich stoße mit einem Ruck die Glastür auf, Verkehrslärm und kalter Wind sind wieder da. Bis zur Redaktion sind es nur wenige Meter. Als ich das Pressehaus betrete, klingelt mein Handy. Rückruf von Zuhause. Was denn wäre? Warum ich denn angerufen hätte? Wie soll ich das jetzt erklären...?