Hagen. Angesichts der von der Berliner Ampel beschlossenen Finanzbelastungen für die Bauern gehen auch in Hagen die Landwirte am Montag auf die Straße.
Den Protestzug der Landwirte am ersten Schultag nach den Weihnachtsferien gleich auf den vollen Berufs- und Schülerverkehr prallen zu lassen – diesen Konflikt wollten die Genehmigungsbehörden bei Stadt Hagen und Polizei dann doch vermeiden. Dennoch: Am Montagvormittag, 8. Januar, wird eine Demonstrationsfahrt der Hagener Bauern quer durch die Innenstadt durchaus ihre sichtbaren Spuren hinterlassen. Denn angesichts der jüngsten Entscheidungen der Berliner Ampelregierung, die vor allem auch die Agrarbranche in Deutschland treffen, wollen auch die heimischen Vertreter der Zunft ein Zeichen setzen: „So kann und darf es einfach nicht weitergehen“, spricht Organisator Henning Renzing aus Berchum stellvertretend für seine Kollegen und deren Familien.
An dieser Haltung änderten auch nichts die jüngsten Zugeständnisse aus der Hauptstadt, die am Donnerstag bekannt wurden: „Wir lassen uns nicht verschaukeln“, bleibt Renzing, ähnlich wie die Verbandsführung, bei seiner klaren Protesthaltung. „So lassen wir uns nicht den Wind aus den Segeln nehmen“, wundert er sich ohnehin, dass die Menschen in Deutschland so ruhig bleiben, zumal in Hagen ja obendrein auch noch eine Grundsteuererhöhung angekündigt sei, die ebenfalls die landwirtschaftlichen Betriebe treffe.
Rundfahrt durch die Innenstadt
Geplant ist für diesen Montag eine Rundfahrt quer durch die Hagener City, die gegen 9 Uhr am Raiffeisenmarkt zwischen Haßley und Emst starten soll. Die Polizei erwartet, dass sich hier eine Kolonne von bis zu 50 Traktoren, Lkw und Pkw formiert, die dann über Emst und das Wasserlose Tal die Innenstadt ansteuert. Weiter geht es über den City-Ring am Finanzamt vorbei in Richtung Emilienplatz und in Richtung Eckesey bis zum Vorhaller Kreisel.
Dort wird die Kolonne wenden und über die Herdecker Straße sowie die Bechelte- und Eckeseyer Straße den Graf-von-Galen-Ring am Hagener Hauptbahnhof passieren. Weiter geht es an der Schwenke in die Elberfelder Straße, wo an der SPD-Parteizentrale eine Protestnote an den Berliner Bundestagsabgeordneten Timo Schisanowski (SPD) übergeben werden soll. Nächste Station nach einer Zwischenetappe über die Hochstraße ist dann die Grünen-Geschäftsstelle gegenüber dem Fichte-Gymnasium, wo sich wiederum Grünen-Kreisvorstand Paul Kahrau dem Protest der Trecker-Kolonne stellt.
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Im Anschluss rollt der Protestzug mit Tempo 15 weiter über den Bergischen und Märkischen Ring in Richtung Remberg, um über die Eppenhauser Straße dann wieder den Ausgangspunkt auf Haßley zu erreichen. Dort wird mit Katrin Helling-Plahr die liberale Bundestagsvertreterin aus Hagen aus dem Reigen der Ampel-Koalitionäre noch ein offenes Ohr für die Landwirte zeigen.
Steuerprivileg soll fallen
Am Donnerstag hatte die Bundesregierung überraschend mitgeteilt, dass das Kfz-Steuerprivileg in der Landwirtschaft bestehen bleibe. Bislang zahlen Landwirte für ihre Fahrzeuge nämlich keine Kfz-Steuer. Man wolle auf die Abschaffung dieser Vergünstigung verzichten, um den „zum Teil erheblichen bürokratischen Aufwand“ für die betroffenen Unternehmen zu vermeiden, hieß es jetzt aus Berlin. Auch die Abschaffung der Steuererleichterungen bei Agrardiesel soll nun nicht mit einem Schritt, sondern in mehreren Stufen eingeführt werden.
Landwirtschaftsbetriebe können sich derzeit die Energiesteuer für Diesel teilweise zurückerstatten lassen - mit einer Vergütung von 21,48 Cent pro Liter. Dies soll jetzt in mehreren Etappen bis zum Jahr 2026 zurückgefahren werden. Mit der Abschaffung des Steuerprivilegs für Forst- und Landwirtschaft sollten Mehreinnahmen von 480 Millionen Euro entstehen, durch die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel hofft der Bund auf Mehreinnahmen von bis zu 440 Millionen Euro.
„Nach unzähligen unpraktikablen Auflagen, Kürzungen und Angriffen auf die Landwirtschaft der letzten Jahre sollen wir Bauern jetzt auch noch die Fehlplanungen im Bundeshaushalt ausbügeln, das ist einfach zu viel“, erläutert der heimische Landwirte-Vorsitzende Dirk Kalthaus noch einmal den Hintergrund der Protestwoche, die am 15. Januar in eine Großdemonstration in Berlin münden soll. „Wir Bauernfamilien demonstrieren gegen die Streichung der Agrardieselvergütung und der Kfz-Steuerbefreiung land- und forstwirtschaftlicher Fahrzeuge und wir fordern eine praxistauglichere Agrarpolitik. Wir fordern einen Wandel hin zu einer Politik, die von mehr Fachverstand geleitet ist, die mit ihren Entscheidungen der einheimischen Nahrungsmittelerzeugung eine Perspektive gibt“, mahnt er.
Die Bauernfamilien wollen so auf ihre zunehmend existenzbedrohende Situation hinweisen. Der Vorsitzende bittet die Hagener Bevölkerung ausdrücklich um Verständnis: Die heimische Landwirtschaft mache in dieser massiven Weise auf ihre Situation aufmerksam, da sie sonst leider kein Gehör in der Politik finde. „Ganz besonders wichtig ist uns die Sympathie unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen, wir wollen sie weiterhin erhalten.“ Er gibt deutlich zu verstehen: „Wir wollen demonstrieren und nicht blockieren.“ Die Sicherheit der Menschen im Straßenverkehr habe während der gesamten Demonstration Vorrang.
Gefahr für Bauernfamilien
„Wir Bauernfamilien können nicht zum Spielball der Politik gemacht werden“, sagt Kalthaus. „Der Politik scheint es gleichgültig zu sein, wenn bäuerliche Betriebe hier nicht mehr überleben können und die Selbstversorgung unserer Bevölkerung gefährdet wird. Es ist weder nachvollziehbar noch akzeptabel, wenn auf unseren landwirtschaftlichen Gunststandorten die Erzeugung gezielt reduziert und in andere Teile der Welt verlagert wird, wo auf vergleichsweise schlechteren Standorten unter höherem Ressourcenverbrauch und einem deutlichen Mehr an Emissionen gewirtschaftet wird.“ Es sei dringend an der Zeit, dass Praktiker mehr Gehör finden und ihre Expertise vermehrt in politische Entscheidungen einfließe.
„Alle, die uns ehrlich unterstützen, sind herzlich willkommen“, so der Vorsitzende. „Wir distanzieren uns aber ganz deutlich von denen, die unsere Proteste nutzen, um eigene radikale Botschaften zu platzieren. Das sind nicht wir und das sind nicht unsere Botschaften. Landwirte und Landwirtinnen stehen für Toleranz und demokratische Werte.“ Das würden sie sowohl bei der Wahl der Beschilderung als auch bei sonstigen Symbolen, Fahnen etc. berücksichtigen.
Kalthaus unterstreicht im Vorfeld der Traktoren-Fahrt ausdrücklich: „Wir können es nicht verhindern, wenn andere sich mit entsprechenden Parolen eventuell einreihen, doch von diesen distanzieren wir uns aber deutlich.“