Eckesey.
Die Zeit ist gegangen. Sie hat die Steine gelassen. Der Reichtum ist fort. Würde nicht gerade die Bahnhofshinterfahrung gebaut und einen weiten und dennoch konzentrierten Blick auf dieses Gebäude freigeben: Niemand würde sich vermutlich darum scheren. Dabei ist das backsteinrote Gebäude eine Keimzelle. Und die Tatsache, dass irgendwelche Idioten nachts Steine durch die historischen Fensterscheiben schmeißen, kann nicht dafür sorgen, dass der Pioniergeist den alten Mauern entweicht. Für eines der historischsten und bedeutendsten Gebäude in der Geschichte der Stadt Hagen wird ein Käufer gesucht. Ein mutiger Käufer.
In den Blütejahren arbeiteten 1500 Menschen in der einstigen Schraubenfabrik Funcke und Hueck an der Plessenstraße. 1844 gegründet von Wilhelm Funcke, dem sogenannten „Schruwen Wilm“, Großindustrieller, Pionier. Mit seinem Neffen Friedrich Hueck nahm er am Zusammenfluss von Volme und Ennepe die erste Dampfmaschine in Hagen in Betrieb. Seine Söhne, alle hießen Wilhelm, führten die Fabrik weiter. Als der Hagener Großindustrielle Theodor Springmann, heute Ehrenbürger, 1875 Mitinhaber wurde, ließ er, angeregt durch die Ideen Friedrich Harkorts, Wohnungen mit Gartenland für die Angestellten errichten. Die Wohnhäuser nebst Gärten, die man oberhalb der alten Fabrik heute noch bis hinauf zur Tannenstraße sieht, sind einstige Arbeiterhäuser für Angestellte der Schraubenfabrik. Springmann ließ Speiseanstalten bauen und gründete Arbeiter-Spar- und Pensionskassen.
Gründervater Bernhard Wilhelm Funcke war der Großvater von Karl Ernst Osthaus. Als Funcke starb, hinterließ er seinem Enkel ein Vermögen von drei Millionen Goldmark, mit dem Osthaus das Folkwang-Museum gründete. Ohne die Schraubenfabrik, kein Folkwang, keine bedeutende Sammlung, kein Hagener Impuls, kein Hohenhof, nichts. 1850 wurde auch die Anfertigung von Schienenbefestigungsmaterial aufgenommen, 1860 eine Gesenkschmiede (mit dem ersten Riemenfallhammer Deutschlands) angebaut. Der Betrieb wurde 1970 vom Neusser Schraubenhersteller Bauer & Schauerte übernommen und nach dessen Insolvenz in den 1990er-Jahren stillgelegt.
Heute darf man jemandem, der für Denkmalschutz und Industriekultur nichts übrig hat, nicht böse sein, wenn er beim Rundgang durch die Halle den Eindruck bekommt, dass man die vergammelte Bude einfach plattmachen sollte. Wer sich länger in dem im Stile des Historismus errichteten Bauwerk aufhält, wird aber sehr bald auch erkennen müssen, dass vieles von dem, was Hagen einst groß machte, immer noch da ist. Der für den Denkmalschutz so wichtige Zeugniswert ist in allen Ecken ersichtlich.
Alle anderen Gebäude abgerissen
Von der dichten Bebauung des einstigen Firmengeländes mit mehreren Gebäuden ist heute nur noch das Fabrikgebäude mit dem angrenzenden Brückenbauwerk erhalten. Alle übrigen Gebäude wurden abgebrochen. Denkmalhüterin Ina Hanemann, die die Eintragung in die Denkmalliste selbst initiiert hat: „Im Kulturgüterverzeichnis stand der Rest der einstigen Firmenfläche damals nicht drin. Deshalb wurde es nicht unter Denkmalschutz gestellt.“ Das Verzeichnis erfasst alle denkmalwürdigen Objekte.
Jetzt, da das komplette umliegende Areal für die künftige Bahnhofshinterfahrung geebnet wurde, befindet sich die einstige Schraubenfabrik plötzlich an einem prominenten Platz. Für manche ein Schandfleck und ein Hindernis bei der Weiterentwicklung des Gebietes rund um den Zusammenfluss von Volme und Ennepe. Für andere eine architektonische Perle, in die – ähnlich wie in die alte Zeche Nordstern in Gelsenkirchen zum Beispiel – Dienstleistungsgewerbe einziehen könnte.
Dafür aber müsste ein Käufer Millionen in die Hand nehmen, um das alte Gebäude zu modernisieren. Das weiß auch Wolfgang Erben, der das Gebäude nebst Grundstück mit seiner Schwester vom verstorbenen Vater geerbt hat.
Besitzer wollen gerne verkaufen
Der Vater wiederum hatte es aus der Insolvenzmasse der Firma Bauer und Schauerte erworben und führte in dem Gebäude einige Jahre einen Fensterbaubetrieb. „Wir werden nicht nach Hagen zurückkommen“, sagt Erben, der heute in Süddeutschland lebt und weiß, dass er für die Weiterentwicklung der Immobilie erstens vor Ort sein und zweitens ein Netzwerk aufbauen müsste. Sein Vater habe einst etwa eine knappe Million Euro für das Gebäude gezahlt. Erben: „So viel Geld wird man heute nicht mehr erzielen können. Für einen möglichen Käufer wird es demnach überraschend günstig.“ Der Automobilzulieferer TWB, der die große Dreiecksfläche vor der alten Schraubenfabrik besitzt, war sich mit Wolfgang Erben in der Vergangenheit schon über einen Kauf einig, ehe das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt wurde.