Delstern. Auf dem Friedhof in Hagen-Delstern sind viele alte Bäume gefällt worden. Es gab keine Alternative. Doch der Mammut steht.
Auf dem Friedhof in Delstern werden 14 Bäume gefällt. Es sind hochgewachsene, alte Bäume, denen der Wirtschaftsbetrieb Hagen (WBH) den Garaus macht. Aber es gibt keine Alternative: „Die Bäume sind entweder schon abgestorben oder aber so sehr geschädigt, dass sie keine Zukunft mehr haben“, begründet Sebastian Schellhase, Mitarbeiter der Abteilung Verkehrssicherung beim WBH, die Aktion.
Den Charakter des Delsterner Friedhofs wird die Baumfällung nicht nachhaltig verändern. Rund 2000 Bäume befinden sich auf dem Totenacker, der 1883 angelegt wurde und damit einer der ältesten kommunalen Friedhöfe in Hagen ist. Das Areal mutet an wie ein Botanischer Garten, alle möglichen Arten gedeihen hier: Eiche, Buche, Linde und Ahorn sowieso, aber auch Eiben, Kirschen, Pappeln, Tannen, Ginkgo und Douglasien. Prunkstück der Anlage ist ein riesiger Mammutbaum, der mit seinem rötlichen Holz und der ausladenden Krone eine Lichtung für sich allein beansprucht.
Eine der größten Pflanzen
Im Internet-Lexikon Wikipedia liest sich nahezu Unglaubliches über diese Baumart. Die ältesten Mammutbäume sollen über 3000 Jahre alt sein und zu den größten Pflanzen der Erde zählen; ihr Gewicht soll bei über 2400 Tonnen liegen. Zum Vergleich: Ein Airbus A380, das größte zivile Passagierflugzeug, hat knapp 600 Tonnen Startgewicht, ein Blauwal wiegt etwa 140 Tonnen, ein kleines Auto etwa eine Tonne. „Jedenfalls ein wunderschönes Exemplar“, gerät Baumexperte Schellhase ins Schwärmen. Und das mitten in Hagen!
Mit solch einem Baum würde wohl auch ein Fällgreifer nicht fertig. So nennt sich der Kran, der am Ausleger über eine Säge und zwei Greifarme verfügt, die einen Stamm zerstörerisch umschließen. Gesteuert wird das Gerät per Fernbedienung von den Baumpflegern Armin Hoppmann und Thorsten Löwenthal, die sich damit gerade an einer schlanken Birke, einem der 14 der Säge gewidmeten Bäume, zu schaffen machen. „Der Stamm wird in Stücke zersägt, die dann ganz gezielt abgelegt werden können“, berichtet Hoppmann. Das Holz wird später zu Hackschnitzeln verarbeitet und zum Heizen in der WBH-Zentrale verfeuert.
Gnadenfrist für viele Bäume
Den unteren Teil des Stammes lassen die Baumpfleger stehen, damit das Holz verrotten und zerbröseln kann. So bleibt die Biomasse dem Standort erhalten und der Stumpf kann noch einmal vom Efeu überwachsen werden. Die Kletterpflanze sei für Insekten eine wichtige Nahrungsquelle und biete außerdem Vögeln wie Amsel oder Taube Nistmöglichkeiten, klärt Hoppmann auf.
Dass immer wieder Bäume auf den Hagener Friedhöfen gefällt werden müssen, hat damit zu tun, dass die Begräbnisstätten eben doch nicht zu jeder Zeit Orte des Innehaltens sind. Ständig werden neue Gräber angelegt, alte eingeebnet oder Wege gebaut. Und bei diesen Arbeiten lässt es sich nicht vermeiden, dass Wurzeln getroffen und dadurch so stark beschädigt werden, dass der Baum nicht mehr zu retten ist. „Die Bäume zeigen uns dann oft an, dass etwas mit ihnen nicht stimmt“, verweist Schellhase auf geringen Laubbewuchs mit zu klein geratenen Blättern oder Löchern in der Rinde.
Weitgehende Untersuchungen
Bevor ein Baum markiert und damit zum Fällen freigegeben wird, wird er eingehend untersucht. „Wir versuchen, jeden Baum so lange zu erhalten wie möglich“, verweist Schellhase auf eine weitere Birke auf dem Delsterner Friedhof, der die Baumpfleger des WBH vor vier Jahren trotz fortgeschrittener Holzzersetzung noch eine Gnadenfrist eingeräumt haben.
Jetzt aber kann der Baum nicht länger erhalten werden. Bald wird er, wie 13 andere Bäume, mit dem Fällgreifer Bekanntschaft machen müssen.