Hagen. Das 100 Jahre alte Unternehmen Westfalia in Hagen ist insolvent. 250 Mitarbeiter sind betroffen. Geschäftsführer Markus Weber zu den Gründen:
Schlechte Nachrichten für Hagen und ein schwarzer Tag für Westfalia: Für das Spezialversandhaus für Werkzeug und Elektronik sowie für den Fachmarkt an der Pettenkoferstraße 27 in Hagen wurde Insolvenz angemeldet. Von der finanziellen Schieflage des Unternehmens sind insgesamt 250 Beschäftigte in Hagen, darunter 21 Mitarbeiter im Westfalia-Fachmarkt, betroffen.
Mitarbeiter wurden im Lennetal informiert
Am Vormittag, 20. Oktober, wurden die Beschäftigten im Logistikzentrum im Lennetal im Rahmen einer Belegschaftsversammlung über die Insolvenz informiert.
Geschäftsführer Markus Weber begründet die Insolvenz mit der zunehmenden Kaufzurückhaltung der Kunden. „Es ist eine traurige Gemengelage. Der Ausbruch des Ukrainekrieges, die stetig steigenden Lebenshaltungskosten, und dann auch noch das bis Mai anhaltend schlechte Wetter, das die Produktsparte ,Haus und Garten’ hart getroffen hat – das alles hat unsere Kunden von Käufen abgehalten“, sagt der 38-jährige Geschäftsführer.
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Und weiter: „Unsere Kundschaft ist größtenteils älter. Und da fragt sich der ein oder andere schon, ob ein neuer Akkuschrauber angeschafft werden muss oder ob es der bisherige nicht doch noch tut.“
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Fachmarkt und Online-Shop laufen vorerst weiter
Zu vorläufigen Insolvenzverwaltern wurden Dr. Mike Westkamp und Dr. Jan Janßen von der Kanzlei Görg in Hagen bestellt. Rechtsanwalt Christian Schulze teilt als Sprecher der Kanzlei auf Nachfrage unserer Redaktion mit, dass sämtliche Geschäfte vorerst weiterliefen, sprich, der Fachmarkt nahe der Fuhrparkbrücke bleibt für Kunden ebenso geöffnet wie Käufe im Online-Shop getätigt werden können.
„Der Kunde merkt von der Insolvenz vorerst nichts“, versichert Schulze. Und weiter: „Sämtlichen Mitarbeitern wird in den Monaten Oktober, November und Dezember Insolvenzgeld gezahlt.“
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Außerdem stünde die Kanzlei in regem Austausch mit Lieferanten und Dienstleistern. Schulze und seine Kollegen führen auch bereits Gespräche in Sachen Übernahme des insolventen Unternehmens, „es gibt bereits Kaufinteressenten“, so Christian Schulze.
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Auch Markus Weber – der gebürtige Hagener ist seit zehn Jahren im Unternehmen tätig, seit April 2022 als Geschäftsführer – unterstreicht, dass es oberstes Ziel sei, dass es auch künftig für die Mitarbeiter und die Marke weitergehe.
Verdi bislang nicht informiert
Der Westfalia-Betriebsrat bzw. Westfalia-Mitarbeiter, die gewerkschaftlich organisiert sind, haben sich bislang (Freitagnachmittag) noch nicht bei Verdi (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) gemeldet und um Unterstützung oder Ratschläge gebeten, „bislang ist bei uns in Sachen Westfalia nichts eingegangen“, bestätigt Monika Grothe, Gewerkschaftssekretärin für den Bezirk Südwestfalen, auf Nachfrage unserer Zeitung.
Vor 100 Jahren gegründet
Besonders traurig: Das 1923 gegründete Unternehmen Westfalia feiert in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen. Und im Fachmagazin „Die Deutsche Wirtschaft“ wurde die Westfalia Werkzeugcompany GmbH & Co. KG Ende September noch als „Top-Familienunternehmen in Deutschland“ (Ranking 2078) ausgezeichnet.
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Rückblick: 1923 wurde die Westfalia Werkzeugcompany von den Nachfolgern der Familie Aschemann in Schwerte gegründet, um den Werkzeugbedarf in den Zentren der Industrialisierung zu decken.
Fünf Jahre später, 1928, übernahmen die Unternehmer Weil und Herlinghaus Westfalia. Ursprünglich sollten landwirtschaftliche Produkte von der Mistgabel bis zum Pflug durch Reisende von Hof zu Hof verkauft werden. 1932 wurde dann mit dem Versandgeschäft begonnen, und das mit großem Erfolg.
1933 erschien der erste Katalog – auf 36 Seiten wurden 984 Qualitäts-Werkzeuge für fast jedes Handwerk präsentiert, außerdem Artikel für den täglichen Bedarf wie Wäscheleinen.
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Gütersperre und Herstellungsverbot
Mit Beginn des Krieges bestimmten Begriffe wie Gütersperre und Herstellungsverbot den Westfalia-Alltag, vieles war nicht mehr lieferbar, und das Versandgeschäft kam zum Erliegen. Nach Kriegsende feierte Westfalia sein Comeback; solide Werkzeuge waren gefragter denn je. Jahre später setzte eine gewisse Marktsättigung ein und das Unternehmen entdeckte für sich den stark wachsenden Freizeitmarkt.
Während im eigenen Onlineshop sämtliche der 40.000 zum Kauf angebotenen Artikel gelistet sind, bietet der Katalog nur eine Produktauswahl an.
Weitere Infos:
Das Insolvenzeröffnungsverfahren wurde am Donnerstag, 19. Oktober, bzw. am Freitag, 20. Oktober, durch das Amtsgericht Hagen angeordnet.
Das Familienunternehmen Westfalia besteht aus insgesamt sieben Gesellschaften, für die Insolvenz angemeldet wurde; für die Insolvenz der drei größten wurden Insolvenzverwalter eingesetzt.
Dr. Jan Janßen wurde auch im Rahmen der Hagener Vapiano-Insolvenz als vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt.
In Insolvenz befindet sich die Westfalia Werkzeugcompany GmbH & Co KG, einige Tochterfirmen sowie das Callcenter sind nicht betroffen.
Der 3500 Quadratmeter große Westfalia-Fachmarkt, in dem 21 Mitarbeiter beschäftigt sind, erstreckt sich über zwei Etagen.
Erst vor einem Monat hat Westfalia eine neue Website an den Start gebracht.