Hagen. Wegen der Rückkehr zu G9 gibt es an vielen Gymnasien in Hagen keinen elften Jahrgang. Ein großes Problem für Wiederholer und Schulwechsler.

Obwohl sie in Schalksmühle wohnt, hat sich Isabell Schmitz (16) entschieden, ihre Schullaufbahn am Christian-Rohlfs-Gymnasium (CRG) in Haspe fortzusetzen. „Die Anreise ist zwar ziemlich weit, aber dafür kann ich hier die Leistungskurse frei wählen“, sagt die Schülerin, die bis zur zehnten Klasse die Sekundarschule in Breckerfeld besucht hat.

Jetzt ist sie im elften Jahrgang. Und zwar am einzigen Gymnasium in Hagen, dem CRG in Haspe, das überhaupt einen elften Jahrgang besitzt. An allen anderen sechs Gymnasien in Hagen klafft eine Lücke, und das hat mit der Rückkehr vom acht- zum neunjährigen Abitur zu tun.

Die ersten Schüler, die wieder neun Jahre am Gymnasium verbringen werden, wurden 2018 in die fünfte Klasse aufgenommen. In diesem Jahr haben sie den zehnten Jahrgang der Sekundarstufe I erreicht, den es zu G8-Zeiten nicht gab. Die Schüler verbringen also ein weiteres Jahr in der Sekundarstufe I und wechseln nicht, wie unter G8, in die sogenannte Einführungsphase (EF), die bereits zur Oberstufe gehört. Dort kommen sie erst einen Sommer später an.

Größter Bündelungsjahrgang im Regierungsbezirk

Das bedeutet zugleich, dass es in diesem Schuljahr keine Einführungsphase geben wird. Für die meisten Jungen und Mädchen, die seit der fünften Klasse ein Gymnasium besuchen, stellt das kein Problem dar – egal, ob sie nach acht oder neun Jahren Abitur machen.

Mathematiklehrerin Adisa Colak unterrichtet am Christian-Rohlfs-Gymnasium in Hagen einen Kurs des Bündelungsjahrgangs.
Mathematiklehrerin Adisa Colak unterrichtet am Christian-Rohlfs-Gymnasium in Hagen einen Kurs des Bündelungsjahrgangs. © WP | Michael Kleinrensing

Anders sieht das mit Seiteneinsteigern wie Isabell Schmitz aus. Um diesen Schülern die Möglichkeit zu geben, nach der Real- oder Sekundarschule auf ein Gymnasium zu wechseln, wurden sogenannte Bündelungsgymnasien eingerichtet, in denen ein elfter Jahrgang für Seiteneinsteiger und Wiederholer eingerichtet wurde.

Und in Hagen hat das Christian-Rohlfs-Gymnasium in Haspe diese Aufgabe übernommen. Wie notwendig das war, zeigt allein die schiere Zahl von 106 Jugendlichen, die von diesem Angebot Gebrauch gemacht haben. Es ist der größte Bündelungsjahrgang im Regierungsbezirk Arnsberg. „Es sind fleißige, ehrgeizige und besonders motivierte Schüler“, berichtet Oberstufenkoordinatorin Anna Renfordt: „Das sind Schüler, die seit Klasse 5 aufs Gymnasium gehen, natürlich auch. Aber es ist ein Unterschied in der Einstellung, wenn man die Entscheidung, das Abitur anzugehen, ganz bewusst trifft.“

Breite Auswahl an Leistungskursen

Zum neugebildeten 11er-Jahrgang am CRG gehört auch Muneer Ali Alsheich (17), der mit einem Notenschnitt von 2,0 von der Sekundarschule Altenhagen nach Haspe gewechselt ist: „Seit meiner Kindheit träume ich davon, Arzt zu werden, vielleicht Chirurg“, sagt der Schüler, der syrischer Herkunft ist und als Stipendiat von den Ruhr-Talenten unterstützt wird: „Der Unterrichtsstoff ist zwar ein anderer als an der Sekundarschule, aber ich glaube, wenn ich mich anstrenge, packe ich es.“

Der Jahrgang ist, nicht nur was die Nationalitäten betrifft, bunt gemischt. Klassenwiederholer aus dem elften Jahrgang des vergangenen Schuljahres sind ebenso darunter wie Absolventen von Sekundar-, Haupt-, Gesamt- und Realschulen. Die vielen zusätzlichen Schüler unterzubringen bereite keine Probleme, sagt Schulleiter Michael Pütz: „Wir haben ausreichend Platz.“ Die große Zahl an Schülern biete den Vorteil, ein breites Spektrum an Leistungskursen anbieten zu können. Im März ist es so weit, dann müssen die 11er entscheiden, mit welcher Fächerkombination sie das Abitur angehen.

Schulbeginn erst um 8.35 Uhr

„Wir haben angesichts der weiten Anfahrtswege vieler Schüler entschieden, den Unterricht der Einführungsphase erst mit der 2. Stunde, das heißt um 8.35 Uhr, beginnen zu lassen“, berichtet Oberstufenkoordinatorin Renfordt. 2026 werden die Seiteneinsteiger am Christian-Rohlfs-Gymnasium in Haspe ihr Abitur ablegen.

An allen anderen Hagener Gymnasien wird es in jenem Jahr dagegen keine Abifeiern geben. Denn die Rückkehr zu G9 bringt es nicht nur mit sich, dass 2023/24 der Jahrgang 11 fehlt. Sondern im darauf folgenden Jahr wird es keinen zwölften und im Jahre 2025/26 keinen 13. Jahrgang (mithin keine Abiturienten) geben – außer am Christian-Rohlfs-Gymnasium.

Erst im Schuljahr 2026/27 werden alle Gymnasien in Hagen wieder über alle Jahrgangsstufen hinweg besetzt sein. Der erste neue G9-Jahrgang wird seine Schullaufbahn regulär mit dem Abitur 2027 abschließen.