Hagen. Lange Fahrzeiten und mangelnde Optionen: Die Umstellung von G8 auf G9 bringt Probleme mit sich. Das sagt eine Schulleiterin aus der Region.

Ein bekanntes Szenario: Nach dem entsetzten Blick auf die Uhr folgen die Worte „Mama, ich habe den Bus verpasst. Kannst du mich eben zur Schule fahren?“. Eben? Von wegen! Es gibt Schülerinnen und Schüler in Südwestfalen, die im kommenden Schuljahr womöglich ein bis zwei Stunden pro Weg brauchen könnten. Grund dafür ist die Umstellung von G8 auf G9, also Abitur wieder in neun statt acht Jahren.

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Lange Fahrzeit keine Seltenheit

Für Schüler, die nach der Real- oder Sekundarschule, das Abitur auf einem Gymnasium anstreben, sowie für Sitzenbleiber, gibt es diesen Sommer nur eine Option für die elfte Klasse: ein Bündelungsgymnasium. Das Schulministerium NRW hat 80 Schulen in Nordrhein-Westfalen ausgesucht, die diese Aufgabe übernehmen – darunter das Gymnasium der Stadt Meschede, eine von zwei Anlaufstellen im Hochsauerlandkreis.

Für Schülerinnen und Schüler, die auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind und beispielsweise aus Brilon kommen, bedeutet das eine Fahrzeit von 63 Minuten - von Medebach nach Meschede sind es sogar 88 Minuten. Ist der ellenlange Schulweg eine Zumutung? Für Heranwachsende aus Hagen, Siegen und Co. vielleicht, für einige Schüler aus dem Sauerland ist er aber bereits Routine. „Wir haben pro Jahrgang bereits 25 bis 30 Kinder, die ohnehin eine Stunde Anfahrtszeit haben“, sagt Claudia Bertels, Schulleiterin des Gymnasiums der Stadt Meschede.

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WP_Bündelungsgymnasien_3sp133mm © funkegrafik nrw | Anda Sinn

Wenig Alternativen im HSK

Wem der Weg doch zu lang wird, hat zumindest in Teilen von Südwestfalen anderweitige Optionen. „Sie können ihre Laufbahn auch an anderen Schulformen mit gymnasialer Oberstufe fortsetzen, zum Beispiel an einem Berufskolleg“, heißt es seitens des Schulministeriums NRW. Dadurch sei es möglich, zumutbare Fahrtzeiten sicherzustellen. Auch die Gesamtschule ist eine passende Alternative, davon gibt es allerdings keine einzige im Hochsauerlandkreis. Ändern würde das laut Claudia Bertels auch nichts, denn Kinder aus kleineren Ortschaften müssten in jedem Fall in die nächstgrößere Stadt fahren. Meschede sei die richtige Wahl für das Bündelungsgymnasium. „Wir waren bereits früh mit im Boot und wussten, dass wir diese Aufgabe übernehmen. Brilon hätte den Jahrgang auch gerne gestellt, aber Meschede ist einfach zentraler“, erzählt die Schulleiterin.

Die Anmeldephase für das kommende Schuljahr endete Mitte Februar. Am Gymnasium der Stadt Meschede haben sich 62 Schülerinnen und Schüler verbindlich für den Abiturjahrgang 2026 angemeldet, die beispielsweise im Sommer die Realschule abschließen und das Abitur anstreben. Um eine finale Zahl handelt es sich hierbei nicht, da unter anderem die „Sitzenbleiber“ noch nicht wissen, ob sie die zehnte Klasse wiederholen müssen. In Meschede sei die Zukunft aktuell bei lediglich ein bis drei Schülern unklar. Wie viele noch aus dem restlichen Hochsauerlandkreis hinzukommen, kann Bertels aktuell nicht einschätzen.

Abstriche bei der Kurswahl

Und wie sieht es mit dem Kursangebot aus, falls am Ende nur wenige Schülerinnen und Schüler die gesonderte Schulbank drücken? „Wir haben bereits eine gute Zahl erreicht. In Masberg beispielsweise sind 40 Abiturienten im Schnitt normal“, betont Claudia Bertels. Es wird also eine ausreichende Auswahl geben, aber ganz ohne Abstriche funktioniert es leider auch nicht. Die Schulleitung könne nicht garantieren, dass spezielle Leistungskurse wie Chemie, Physik oder auch Pädagogik angeboten werden können. Das sei allerdings immer wieder kommuniziert worden, sowohl unter den eigenen Schülern als auch in Gesprächen mit den anderen Schulen. „Es ist eine außergewöhnliche Situation. Wir haben extra das erfahrenste Lehrer-Team genommen und sind gespannt. Wir haben diesen Jahrgang besonders im Blick“, erzählt die Leiterin des Gymnasiums der Stadt Meschede. Eine Sache ist für Bertels trotz aller Besonderheiten klar: „Das wird kein Zweiter-Klasse Abitur.“

<<<Hintergrund>>>

Die Bündelungsgymnasien in der Region

Hagen: Christian-Rolfs-Gymnasium. Ennepe-Ruhr-Kreis: Schiller-Gymnasium Witten, Reichenbach-Gymnasium Ennepetal. Märkischer-Kreis: Gymnasium Bergstadt Lüdenscheid, Gymnasium an der Hönne Menden. Hochsauerlandkreis: Gymnasium Laurentianum Arnsberg, Gymnasium der Stadt Meschede. Kreis Olpe: Gymnasium Am Biertappen Lennestadt, Gymnasium Seminarstraße Olpe, St. Ursula-Gymnasium Attendorn (privat), Gymnasium Maria Königin Lennestadt (privat). Kreis Siegen-Wittgenstein: Peter-Raul-Rubens-Gymnasium Siegen, Johannes-Althusius-Gymnasium Bad Berleburg, Gymnasium Schloss Wittgenstein Bad Laasphe (privat).