Hagen. Mit Kreide schreibt Horst Fichtel (79) auf Treppen in Hagen-Emst Botschaften gegen die Vermüllung. Und er sammelt Dreck ein. Was ihn antreibt?

Ein Besuch auf Emst … Er kann es nicht lassen, „ich muss einfach etwas sagen, obwohl ich weiß, dass es vielleicht besser wäre, zu schweigen“. Aber das ist nichts für Horst-Helmut Fichtel. Wenn dem Emster Bürger Abfall und Müll in dunklen Ecken oder in Gebüschen auffallen, handelt er.

Freundliche, aber bestimmte Ansage

Und wenn er jemanden „erwischt“ – egal, ob Kind, Jugendlicher oder Erwachsener – spricht er den Übeltäter an. Freundlich, aber bestimmt. Ob das denn sein müsste, seinen Abfall einfach irgendwo liegen zu lassen oder hinzuschmeißen.

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Freches Grinsen oder schuldbewusstes Rotwerden

Die Resonanz? Unterschiedlich. Von frechem Grinsen über schuldbewusstes Rotwerden bis hin zur rüden Antwort „Ist das Ihre Sache. Kümmern Sie sich um ihren eigenen Mist“ ist alles dabei. „Meine Frau schimpft immer mit mir. Ich solle das lassen, die Leute anzusprechen, in der heutigen Zeit sei das einfach zu gefährlich, aber ich muss einfach etwas sagen“, so der 79-jährige Hagener, für den Zivilcourage mehr ist als ein hohles Wort.

Mit Zange und Beutel unterwegs

Und Fichtel handelt: Der sportliche Rentner joggt beinahe täglich mit offenen Augen durch seinen Wohnort – über Emst. „Und alle paar Tage bin ich dann mit Zange und Beutel unterwegs und sammel den Dreck auf, den ich auf meiner Laufstrecke entdeckt habe“.

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Er sei beileibe nicht der einzige Bürger, der als ehrenamtlicher Müllsammler unterwegs sei, betont Horst-Helmut Fichtel, „hier auf Emst, aber auch auf Haßley und in vielen anderen Stadtteilen gibt es ebenfalls solche ,Verrückten’ wie mich“, lächelt der „Kümmerer“.

Plastik, Papier und Zigarettenkippen wandern in den Müllbeutel.
Plastik, Papier und Zigarettenkippen wandern in den Müllbeutel. © WP | Michael Kleinrensing

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Botschaft mit farbiger Kreide auf Treppenstufen

Sein neuester Coup? Er verewigt seine Botschaft mit farbiger Kreide auf Treppenstufen. „Ich habe mich vorher bei der Stadt erkundigt, dass ich auch nichts Verbotenes tue“, betont Fichtel.

Die Botschaft, die der Hagener Horst Fichtel auf die Treppenstufen schreibt, ist einfach, wird aber dennoch leider nicht von jedermann verstanden. Sie lautet: „(M)ein sauberes Emst! Der öffentliche Raum ist kein Aschenbecher und kein Mülleimer“.
Die Botschaft, die der Hagener Horst Fichtel auf die Treppenstufen schreibt, ist einfach, wird aber dennoch leider nicht von jedermann verstanden. Sie lautet: „(M)ein sauberes Emst! Der öffentliche Raum ist kein Aschenbecher und kein Mülleimer“. © WP | Michael Kleinrensing

Die Antwort seitens der Stadt? „Wenn sich das Gemalte oder Geschriebene leicht von Bürgersteigen oder Treppenstufen entfernen lässt, dann tue ich nichts Unrechtes“, so der 79-Jährige, „nach jedem Regenguss muss ich eh von vorne anfangen“.

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Der sportliche Mann zückt ein Stück gelber Kreide aus seiner Jackentasche und zieht damit den schon verwitterten Schriftzug „(M)ein sauberes Emst! Der öffentliche Raum ist kein Aschenbecher und kein Mülleimer“ auf einer Stufe nach.

Beliebter Treffpunkt

In Treppen sieht Fichtel ein besonderes Problem, da sie von Kindern und Jugendlichen als Sitzgelegenheit genutzt werden, „Treppen sind beliebte Treffpunkte“.

Wie die paar Stufen an der Cunostraße schräg gegenüber der Stadtbäckerei Kamp. Chipstüten, Coladosen, Saftflaschen, Eispapier und Zigarettenkippen zieren die Treppe und die Wiese rechts und links. „Hier wird sich getroffen, und der Abfall bleibt dann einfach liegen“, schüttelt Fichtel, der auch Mitglied im „Arbeitskreis Leben und Wohnen auf Emst“ ist, enttäuscht den Kopf.

Kaugummis auf Buchstaben

Genau wie an der größeren Treppe an der Ecke Am großen Feld/Cunostraße, „dort scheinen sich Kinder und Jugendliche auch pudelwohl zu fühlen“. Manchmal reagieren die dort Sitzenden besonders „freundlich“, kleben Kaugummis auf die geschriebenen Buchstaben oder ertränken den Schriftzug mit süßen Getränken.

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Ob er, Fichtel, glaubt, dass er mit seinen Kreide-Botschaften etwas ausrichten kann? Er runzelt die Stirn, „vielleicht ein wenig und vielleicht bei einzelnen, aber das ist besser als nichts.“ Vor einigen Tagen habe ihn eine Anwohnerin des Quartiers angesprochen. „Seitdem Sie das auf die Treppe geschrieben haben, ist es hier ein Stückchen sauberer geworden“, habe die ältere Frau zu ihm gesagt, „das war schön zu hören“.