Hagen. Alice war Gärtnerin. Bis zu ihrem Schlaganfall. Wie die 52-Jährige in der Vamed-Klinik in Hagen-Ambrock für den Beruf wieder fit gemacht wird.
Blumen pflanzen, Gießkannen schleppen, Erdsäcke heben – die Arbeit als Gärtnerin in einem Gartenfachmarkt ist körperlich hart. Doch das macht Alice, pardon, hat Alice immer Spaß gemacht. Bis zu ihrem Schlaganfall. Die Folgen hat die 52-Jährige einigermaßen gut überwunden. Nach einem mehrtägigen Aufenthalt in einem Akut-Krankenhaus wird die Unnaerin jetzt in der Vamed-Klinik in Hagen, also in einer Fachklinik für neurologische und neurochirurgische Rehabilitation, behandelt.
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„Versuchen Sie mal, mit beiden Händen gleichzeitig zwei Glühbirnen einzuschrauben“, bittet Ergotherapeutin Jennifer Freund die Patientin. Alice kennt die Übung, lächelt, hebt beide Arme über den Kopf, simuliert den Vorgang. Ihre rechte Hand „dreht die Glühbirne ein wenig langsamer rein“.
Berufliche und soziale Wiederteilhabe als Ziel
„Der linkshirnige Schlaganfall hat eine rechtsseitige Beeinträchtigung mit sich gebracht“, erläutert Dr. Christoph Schäfer, „die Patientin ist motorisch eingeschränkt, außerdem wurde ihr Sprachzentrum bei dem Schlaganfall leicht getroffen. Wir kümmern uns hier um beides und versuchen, der Patientin eine berufliche und soziale Teilhabe wieder zu ermöglichen.“
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Der Chefarzt der Neurologie ergänzt, dass es das Ziel der medizinisch-beruflichen Reha sei, die Patientinnen und Patienten wieder so fit zu machen, dass sie das, was sie vor der Erkrankung gemacht haben, wieder machen können.
Jeder Patient sei individuell, „eine alleinerziehende Mutter hat ein anderes Ziel als ein junger Tennislehrer oder ein im Handwerk tätiger Familienvater“.
In der Klinik in Ambrock trifft man auf Patienten aus der ganzen Bundesrepublik, Haupteinzugsgebiet ist NRW, „wir sind in der Reha-Szene seit fast 30 Jahren bekannt und haben einen guten Ruf“, sagt Dr. Christoph Schäfer mit ein wenig Stolz in der Stimme. Ein Teil der Patienten ist chronisch krank, andere kommen nach einem akuten „Einschlag“.
Zahlreiche Post-Covid-Patienten
„Fast zwei Drittel sind Schlaganfallpatienten, außerdem haben wir zahlreiche Post-Covid-Patienten sowie MS-Erkrankte“, sagt Schäfer. Das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten liegt bei etwa 60 Jahren.
Was dem Chefarzt besonders wichtig ist zu betonen? „Wir haben hier bei uns keine Simulanten, die Patienten haben beispielsweise bei Post-COVID eher das Problem, dass ihr Umfeld ihnen ihre Krankheit bei teilweise nicht sichtbaren Symptomen nicht glaubt. Meint, die Patienten können nicht so, wie sie wollen.“
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Die Klinik hat ihre Angebote für noch im Beruf stehende Patienten um medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation erweitert
Bevor die Reha startet, werden hierfür eine ausführliche Bestandsaufnahme sowie ein Einstufungstest gemacht und ein Trainingsplan wird erstellt, „es handelt sich um ein standardisiertes Verfahren, das bei der Deutschen Rentenversicherung anerkannt ist“, erläutert Dr. Christoph Schäfer.
Heller, geräumiger Raum
Aber zurück zu Alice, die im „Work Park“ an einigen Stationen trainiert. Der „Work Park“ wurde im letzten Jahr eingeweiht; der helle, geräumige Raum flankiert die Neurologie.
An den unterschiedlichen Stationen geht es darum, Fähigkeiten an arbeitsnahen Gegenständen zu erproben. Für Alice ist es wichtig, dass ihre Ausdauer zurückkehrt, schließlich ist die 52-Jährige vollzeit in einem Gartenfachmarkt beschäftigt. An einer Station sind Gewichtskissen in verschiedenen Größen platziert. „Hier kann die Patientin testen, wie viele Kilos – man denke in ihrem Fall an Blumenerde oder Torf – sie wieder heben kann“, erläutert Heike Prehl.
Seit 1995 arbeitet Heike Prehl als Ergotherapeutin und hat ein Auge dafür, wie viel eine Patientin oder ein Patient „schon wieder schafft“.
Keine intellektuelle Einschränkung
Gerade nach einem Schlaganfall ist es für viele Patienten schwierig, eine Handlung zu planen und zu beginnen und dann die übliche Reihenfolge einzuhalten, „es handelt sich um keine intellektuelle Einschränkung, es handelt sich um die direkten Folgen eines Schlaganfalls“, unterstreicht Heike Prehl.
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Weiter geht’s im „Work Park“. Alice simuliert an einer speziellen Wand, schwere Pflanzgefäße in Hochregale einzusortieren. „Hier werden Greifarten und Überkopf-Arbeiten trainiert“, erläutert die Ergotherapeutin und ergänzt: „Wir behandeln ja Menschen aus den unterschiedlichsten Berufssparten. Mit einem Dachdecker können wir hier zum Beispiel trainieren, wie er auf einer schmalen Holzleiste, sprich, einem simulierten Dachsims steht und ein Dach mit Ziegeln deckt.“
Dauerkonzentration, Tempo und handwerkliches Geschick werden geschult
Eine weitere Station besteht aus einem Tisch zur seriellen Fertigung. Im Klartext: Hier wird Fließbandarbeit nachgestellt. Der Tisch dreht sich, die Geschwindigkeit kann eingestellt werden, geschult werden hier Dauerkonzentration, Tempo und handwerkliches Geschick. „Anfangs ist es für die Patienten stressig und anstrengend, aber im Laufe der Reha merken die meisten, wie sie mit der Situation und der Arbeit immer besser zurecht kommen“, sagt Heike Prehl.
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Und Alice? Dr. Christoph Schäfer lächelt die 52-Jährige an, „mein Sechs-Monats-Ausblick fällt positiv aus, ich denke, bei der Patientin wird eine Wiedereingliederung in den Beruf möglich sein“.
Worauf es bei Alice und jedem Patienten ankommt? Der Chefarzt muss für eine Antwort nicht lange überlegen: „Individuell angepasstes Wiederreinkommen in den Job ist das A und O.“
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Die Fachklinik für neurologische und neurochirurgische Rehabilitation hat Platz für 250 Patientinnen und Patienten in der stationären Rehabilitation.
Ergänzt wird das Angebot durch 30 Therapieplätze in der Tagesklinik.
Die medizinisch-beruflich orientierte Reha, die gezielt auf die Berufsrückkehr vorbereitet, ist in der Regel auf vier Wochen ausgerichtet.