Hagen. Bäcker müssen Frühaufsteher sein, „dafür haben wir früh Feierabend“, sagt Christian Schüller. Ein Besuch in seinem Café Linnepe in Hagen-Dahl.

Christian Schüller rechnet nach: „Heute Morgen um drei Uhr hab’ ich den Teig für Brötchen und Brot gemacht, nun muss er gären, und morgen früh um drei Uhr ist er dann backbereit. Schnell, schnell läuft hier nichts. Man sagt, ,Vom Teig bis in die Theke dauert es 20 Stunden’.“

Familienbetrieb in urigem Haus

Der 38-Jährige, der gemeinsam mit seiner Mutter Jutta die Bäckerei/Konditorei samt Café Linnepe in Hagen-Dahl betreibt, kennt den Ablauf im Betrieb. Und das frühe Aufstehen. Ja, das Aufstehen. . . In der Regel klingelt Christian Schüllers Wecker um 1.15 Uhr, um 1.30 Uhr steht er auf, damit er um 2 Uhr die Backstube aufschließen kann. „Dann freu’ ich mich schon auf den ersten Kaffee, aber den gönn’ ich mir erst um 5.30 Uhr, wenn ich schon etliches erledigt hab.“ Der 38-Jährige grinst: „Eigentlich hab’ ich den 100 Prozent richtigen Job, nur zur falschen Uhrzeit.“

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Das Gebäude, in dem der Familienbetrieb Linnepe in Hagen-Dahl ansässig ist, besteht seit fast 90 Jahren.
Das Gebäude, in dem der Familienbetrieb Linnepe in Hagen-Dahl ansässig ist, besteht seit fast 90 Jahren. © WP | Michael Kleinrensing

Junge Generation wird lieber Influencer oder Blogger

Das Bäckerhandwerk geht – wie viele Betriebe im produzierenden Handwerk – am Stock, und das in besonderem Maße. Frühaufstehen ist heute bei vielen nicht mehr angesagt, und Wochenend- und Feiertagsarbeit schon gar nicht.

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„Die junge Generation wird lieber Influencer oder Blogger“, schüttelt Christian Schüller den Kopf. Die Aversion vieler gegen frühes Aufstehen geht dem Bäcker auf den Keks: „Meine Güte, wer früh anfängt, der hat auch früh Feierabend. Um zehn Uhr mit der Arbeit fertig zu sein, ist doch klasse.“

Mutter und Sohn schauen häufig nicht auf die Uhr

Wobei Schüller in diesem Fall von den angestellten Bäckern und Konditoren spricht, nicht aber von seiner Mutter und sich selbst; die beiden Verantwortlichen schauen häufig nicht auf die Uhr.

Frische Brötchen und Backwaren: „Bei uns trifft sich das Dorf zum Brötchenholen“, sagt Bäcker Christian Schüller.
Frische Brötchen und Backwaren: „Bei uns trifft sich das Dorf zum Brötchenholen“, sagt Bäcker Christian Schüller. © WP | Michael Kleinrensing

Fachkräftemangel, Nachwuchssorgen – die Probleme beschäftigen auch das (Bäcker-)Handwerk. „Im Moment sind wir ganz gut aufgestellt, aber das kann sich morgen schon wieder ändern“, sagt Schüller. In dem Familienbetrieb arbeiten insgesamt 14 Leute: Bäcker, Konditoren, Verkäuferinnen und Verkäufer, Aushilfen, Jutta Schüller und Christian Schüller.

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„Aber gerade die Aushilfen, oft Schüler oder Studenten, verändern ihr Leben schnell und hören dann plötzlich bei uns auf. Und auch Frauen, die sich um die Familie kümmern wollen oder müssen“, ruht sich Schüller auf seinem derzeit stabilen Personalstand nicht aus. „Es passt aber auch nicht jeder zu uns. Wir sind ein eingespieltes Team, und etlichen jungen Leuten fällt es schwer, einen vorgegeben Ablauf einzuhalten und zu akzeptieren.“

Laden öffnet morgens um sechs Uhr

Schüller gibt ein Beispiel: „Wer früh morgens eingeteilt ist, muss dafür sorgen, dass Brötchen belegt werden, schließlich öffnet unser Laden um sechs Uhr morgens. Viele Autofahrer halten bei uns, um sich hier ihr Frühstück zu holen. Wenn in der Theke keine belegten Brötchen und Ähnliches liegen, kommen die nie wieder.“

Ein besonderes Bekenntnis zum Handwerk: Christian Schüllers Unterarm zieren zwei Tattoos – das eine zeigt das Wappen der Bäckerzunft, das andere ein Puddingteilchen.
Ein besonderes Bekenntnis zum Handwerk: Christian Schüllers Unterarm zieren zwei Tattoos – das eine zeigt das Wappen der Bäckerzunft, das andere ein Puddingteilchen. © WP | Michael Kleinrensing

Apropos Kunden: „Viele Kunden kennen wir persönlich, mit einigen duzt man sich seit Jahren“, sagt der 38-Jährige und lächelt: „Ja, bei uns trifft sich das Dorf zum Brötchenholen.“ Bei ihnen ginge es recht familiär zu, „alle sind teamfähig, und ich als Chef versuche es für die Mitarbeiter auch möglich zu machen, dass sie nicht verschiebbare Termine wie Arztbesuche wahrnehmen können oder dass sie ihre Schichten verschieben können, wenn es in puncto Kinderbetreuung mal hakt. Man muss auch als Chef flexibel sein.“

Zwei gehörlose Mitarbeiter

Besonders zufrieden ist Christian Schüller darüber, dass es mit einem Kollegen-Paar so gut klappt. „Einer unserer Bäcker – er ist seit acht Jahren bei uns und hat schon bei meiner Mutter gelernt – und seine Frau, die seit ein paar Wochen bei uns als Konditorin arbeitet – sind gehörlos. Die Kommunikation zwischen den beiden funktioniert natürlich, aber auch mit den anderen Kollegen und mit mir gibt es kaum Verständigungsprobleme. Man muss sich nur zu helfen wissen. Und auch bei den Kunden kommt es gut an, dass wir ein integrativer Betrieb sind.“

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Normalerweise wird bei „Linnepe“ auch ausgebildet, „in diesem Jahr haben wir aber keine geeignete Auszubildende oder einen geeigneten Auszubildenden gefunden. Ein Azubi muss motiviert sein, sonst kostet er nur Zeit und Geld.“ Künftig soll in dem Familienbetrieb aber wieder ausgebildet werden, „jungen Menschen etwas beizubringen, macht schließlich auch Spaß“.

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Was ihm, Christian Schüller, nach etlichen Jahren am Bäckerhandwerk noch immer gefällt? „Wenn die Kunden zufrieden sind und sich aus ganzem Herzen über unsere Rosinenstriezel oder unseren Appenzeller Käsekuchen nach altem Familienrezept freuen.“

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Das Gebäude, in dem die Bäckerei, die Konditorei und das Café Linnepe ansässig sind, ist beinahe 90 Jahre alt; es wurde 1934 erbaut. In dem urigen Café finden 40 Gäste Platz.

Der Betrieb an der Dahler Straße 53 hat montags von 6 bis 12.30 Uhr, dienstags bis freitags von 6 bis 17 Uhr, samstags von 6.30 bis 14 Uhr und sonn- und feiertags von 8 bis 17 Uhr geöffnet.

Linnepe ist derzeit der einzige Bäcker im Ortsteil Dahl. Wer momentan frische Brötchen, Kuchen und Torten kaufen möchte, muss nach Eilpe, Breckerfeld oder Schalksmühle fahren.

Auszubildende im Bäckereihandwerk verdienen im Vergleich zu Azubis in anderen Bereichen – u.a. bei Banken (1191 Euro im ersten Lehrjahr), bei Versicherungen, im öffentlichen Dienst oder in der Metall-/Elektroindustrie – im Schnitt deutlich weniger Geld.

Allerdings wurde die Ausbildungsvergütung ab diesem August für das erste Lehrjahr um immerhin 26,5 Prozent angehoben – auf nunmehr 860 Euro. Damit liegt sie jedoch immer noch im unteren Bereich, was die Azubi-Bezahlung angeht. Finanziell noch schlechter gestellt sind zum Beispiel junge Leute im Friseurhandwerk und in der Floristik.