Hagen. Ja, sie begleiten Menschen auf ihrem letzten Weg: Ein Besuch auf der Palliativ-Station des Hagener St.-Josefs-Hospitals.

„Bei uns gibt es bei der Betreuung und Pflege der Palliativpatienten (fast) keine Verbote“, sagt Ruth Saure. „Bei uns“ – das heißt auf der Onkologischen Station des St.-Josef-Hospital in Hagen, auf der auch Betten für palliative Therapien zur Verfügung stehen. Seit 2007 arbeitet Ruth Saure als Pflegekraft in der Hagener Einrichtung an der Dreieckstraße. Auf eine Palliativstation kommen Menschen zum Sterben - diesen Gedanken haben die meisten Menschen direkt im Kopf.

Dabei bietet die palliative Therapie im St.-Josefs-Krankenhaus den Patienten und Patientinnen so viel mehr und ist für viele von ihnen noch lange nicht die letzte Station. „Palliativ“ bedeutet in erster Linie, dass nicht die Heilung der Erkrankung im Mittelpunkt der Therapie steht, sondern die Kontrolle der Symptome, um die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten bzw. zu steigern. Durch palliative Therapien wird außerdem versucht, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen bzw. zu verhindern.

Ruth Saure, Teamleitung und Michaela Horn, Abteilungsleiterin Onkologie, im gemeinsamen Gespräch.
Ruth Saure, Teamleitung und Michaela Horn, Abteilungsleiterin Onkologie, im gemeinsamen Gespräch. © WP | Michael Kleinrensing

„Es bedeutet also nicht automatisch, dass man innerhalb kurzer Zeit an dieser Erkrankung stirbt“, erklärt Michaela Horn, pflegerische Leiterin der Abteilung. Eine solche palliative Versorgung kann sich über Wochen, Monate, teilweise Jahre erstrecken. So kommen Patienten zur Aufnahme, deren Allgemeinzustand ein „weiter so“ nicht zulässt. Durch bestmögliche Therapien wird versucht, die belastenden Symptome zu lindern und die Betroffenen so zu unterstützen, dass sie ihr Leben möglichst selbstbestimmt gestalten können.

Betroffene begleiten

Das Wort „Palliativ“ kommt vom lateinischen „pallium“ und bedeutet der „Mantel“. Dieser Begriff fasst die tägliche Arbeit von Ruth Saure, Michaela Horn und ihren Kollegen und Kolleginnen gut zusammen. Denn es geht vor allem darum, den Patienten sprichwörtlicheinen Mantel in dieser schweren Zeit umzulegen. Für sie da zu sein und sie zu begleiten. Denn selbstverständlich ist auch die Begleitung im Sterbeprozess Teil der Arbeit. Dabei steht die Lebensqualität der Menschen immer im Fokus. Erlaubt ist, was glücklich macht. Dazugehört auch noch einmal an einer Zigarette ziehen, noch einmal ein Bockwürstchen mit Ketchup und Senf essen, noch einmal herzhaft lachen.

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„Wir versuchen alles, um die Betroffenen aus ihrem Tief rauszuholen. Und dafür sind die meisten von ihnen unfassbar dankbar. Das gibt uns hier ein ganz besonderes Gefühl und gleichzeitig die Motivation für unsere tägliche Arbeit“, sagt Michaela Horn. Doch die Pflegekräfte betonen auch, „ohne Medizin geht es nicht.“ Die palliative Versorgung sei eine Mischung aus Fürsorge und Medizin: „Dazu gehören eben auch bestimmte Medikamente,eine Bestrahlung oder in manchen Fällen auch Operationen, um belastende Beschwerden der Patienten zu verringern.“

Medikamente für eine Chemotherapie auf der Station der Onkologie.
Medikamente für eine Chemotherapie auf der Station der Onkologie. © Michael Kleinrensing

Teamarbeit ist wichtig in der palliativen Behandlung

Das Palliativteam der Abteilung im St.-Josefs-Krankenhaus besteht aus mehr als 25 Mitarbeitenden, darunter zwei Palliativmediziner und speziell ausgebildete Pflegekräfte. Doch zum palliativmedizinischen Angebot gehört nicht nur die Palliativpflege, sondern auch die psychoonkologische und seelsorgerische Begleitung in Form von Gesprächen. Sozialarbeiter beraten fachlich zu Themen wie Pflegegrade oder Kuren und leisten Hilfestellung bei der Vorbereitung auf die Entlassung. Physiotherapeuten ermöglichen durch regelmäßige Atem- Kräftigungs- und Ausdauerübungen die körperliche Fitness ein Stück weitzurückzugewinnen bzw. zu erhalten.

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Auch die Mitarbeitenden in der Küche und im Reinigungsbereich gehören zum Team. Aus irgendeiner Abteilung sorgt immer Jemand dafür, dass es den Patienten besser geht“, so Michaela Horn. Und der Begriff Team beschreibt es in diesem Fall ganz besonders treffend. Denn viele der pflegerischen Mitarbeitenden der Abteilung im St.-Josefs-Krankenhausarbeiten seit mehr als 30 Jahren zusammen: „Bis auf ganz wenige Mitarbeitende von uns,sind wir alle gemeinsam damals vom St.-Marien-Krankenhaus in der Innenstadt hierhergewechselt und seitdem auch weiterhin zusammengeblieben. Wir haben eine ganz geringe Fluktuation“, so Michaela Horn.

Manche begleitet man über Jahre

„Wir verbringen so viel Zeit zusammen. Wir weinen, wir lachen zusammen und wir können uns gegenseitig auffangen. – In jedem Fall: „Dieses Team hält zusammen“ sind sich Michaela Horn und Ruth Saure einig. Jeder Patient ist individuell,jede Geschichte anders. Eine begleitet einen weniger, eine mehr. Es gebe immer mal Fälle,die einen auch nach Feierabend noch beschäftigen: „Manche Menschen begleiten wir über Jahre und natürlich baut man dann eine gewisse Beziehung auf. Denn anders als in vielen anderen Fachabteilungen kommen unsere Patienten immer wieder zu uns“, sagt Ruth Saure.

Diese enge Verbindung zu den Menschen mache den Job aus, aber umso wichtiger sei ebender regelmäßige Austausch unter den Kollegen.

Angehörige spiele große Rolle

Auch das Umfeld der Patienten spiele eine große Rolle in der Palliativpflege. Neben allen möglichen Maßnahmen zur Linderung der Symptome gehöre zu einer erfolgreichen Palliativpflege auch immer der direkte Bezug zu den Angehörigen. „Wir haben das besonders in der Corona-Zeit gemerkt, als die Angehörigen nicht kommen durften. Das war für viele der Patienten eine ganze schwierige Zeit, in der wirklich viele vereinsamt sind. Wir sind immer sehr froh, wenn Angehörige da sind und wir mit ihnen zusammenarbeitenkönnen“, so Michaela Horn. „Es ist einfach immer noch ein Unterschied, ob wir uns kümmern oder ob ein Angehöriger am Bett sitzt und für einen da ist“, ergänzt Ruth Saure. Dafür sei es aber genauso wichtig, dass es auch den Angehörigen gut geht: „Man merkt schnell, wenn die Angehörigen Trost, Unterstützung oder einfach nur ein Gespräch mit einer neutralen Person brauchen.

Es sei kein leichter Job, geben Ruth Saure, Michaela Horn und ihr Team zu. Hinzu kämen besondere Herausforderungen durch fehlendes Personal. Trotzdem sind sich alle einig: „Es ist einfach toll zu sehen, wenn man kleine Erfolge erzielt und es den Patienten für eine kurze Zeit besser geht und sie einen guten Moment haben. Für sie ist die tägliche Arbeit mehr als nur ein Job. Ein Job, bei dem erlaubt ist, was glücklich macht...