Haspe. Nach einem Schlaganfall war für Kurt Klostius aus Hagen nichts mehr so, wie es einmal war. Wie er sich im Alten Stadtbad zurück ins Leben kämpft.
Mit Frischhaltefolie umwickelte Unterschenkel. Ein Tennisball unter der Schuhsohle. Und warum der Zeigefinger zum Stachel wird: Im Alten Stadtbad Haspe im Weste von Hagen geht man bei der Behandlung neurologischer Patienten neue Wege. Die ungewöhnlichen Therapiemethoden erzielen außergewöhnliche Erfolge.
Vor fünf Jahren erlitt Kurt Klostius einen Schlaganfall. Seither ist der 59-Jährige eingeschränkt: Während er langsam spricht, sucht er im Kopf nach den richtigen Wörtern. Auch das Bewegen fällt ihm schwer. Arme und Beine wollen oft nicht so, wie sie sollten. Und wenn er nicht aufpasst, stürzt er. Jetzt kommt der Frührentner regelmäßig zur Behandlung ins Alte Stadtbad, das zur Evangelischen Stiftung Volmarstein gehört. Er geht dort „sehr gerne hin“, wie er sagt. Und es hilft ihm. Auf dem Weg der Besserung macht Kurt Klostius inzwischen sichtbare Fortschritte. (Lesen Sie auch: Medizin in Hagen – Die erste Kinderpsychiaterin der Stadt)
Keine weiten Wege
Das Hasper Therapiezentrum bietet neurologischen Patienten den praktischen Vorteil, dass sie keine weiten Wege zu verschiedenen Anlaufadressen auf sich nehmen müssen. Denn in dem Gebäude an der Berliner Straße 115, in dem früher die Schwimmer ihre Bahnen zogen, sind drei medizinische Bereiche unter einem Dach vereint: Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Alles an einem Ort und alles „Hand in Hand“. Interdisziplinär – so der Fachbegriff. Der Patient steht immer im Mittelpunkt: Über ihn tauschen sich die einzelnen Therapeuten aus. Kommunikation findet ständig statt.
Physiotherapeutin Marion Nimsch (51) greift zu einer Rolle Frischhaltefolie. Sie wickelt die Folie straff um die Hosenbeine des Patienten. Funktionen, die Kurt Klostius früher ganz selbstverständlich ausführen konnte – wie das Strecken der Gliedmaßen – sind seit dem Schlaganfall gehemmt oder ganz verloren gegangen. Die Arme hängen schlaff herab, beim Gehen spreizen sich die Beine. Er kann sich zwar bewegen, aber es ist kein natürlicher Bewegungsablauf mehr. „Im Gehirn ist noch alles richtig abgespeichert“, erklärt Therapeutin Nimsch, „die Kunst besteht nun darin, die noch vorhandenen Informationen wieder abzurufen.“
Gesundes Gangbild kehrt zurück
Der clevere Trick mit der Frischhaltefolie hilft ihr dabei: Die Beinbewegungen, die sich der Patient nach dem Schlaganfall falsch angewöhnt hat, sollen unterbunden werden. Kurt Kostius macht beim Gehen immer wieder unnatürliche Schlenker. Die Folie engt ihn nur so weit ein, dass sich sein Bein nicht mehr unnatürlich bewegen kann. So kehrt durch diese Übung nach und nach das gesunde Gangbild zurück. Wie kommt man auf solche Ideen? Marion Nimsch lacht: „Man muss schon kreativ sein“, erklärt sie, „und sich Gedanken machen: Was will ich beim Patienten verbessern und wie komme ich dahin?“
Im Therapiezentrum Altes Stadtbad werden auch die Allerjüngsten behandelt. Sechs Wochen alte Säuglinge zum Beispiel, deren Gehirn während der Geburt nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wurde und die dadurch behindert sind. In solchen Fällen kommt Logopädin Christiane Stiewe (59) ins Spiel. Im Rahmen einer Schlucktherapie behandelt sie die Babys mit dem Ziel, dass sie selbstständig saugen und trinken können. Wichtig ist der Standortleiterin des Therapiezentrums die enge Zusammenarbeit mit dem Evangelischen Krankenhaus Haspe: Dort wird ein Behandlungszentrum für schwerstbehinderte Kinder und Jugendliche (bis 18 Jahre) betrieben. Stiewe: „Eine der ganz wenigen Einrichtungen in Deutschland, die es auf diesem Gebiet überhaupt gibt.“
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Logopädie hilft auch dem Schlaganfallpatienten Klostius. Er hat häufig Wortfindungsstörungen. Mit gezielten Übungen werden die gesunden Teile seines Gehirns trainiert. Wenn ihm zum Beispiel das Wort „Biene“ nicht sofort einfällt, summt Logopädin Christiane Stiewe vor sich hin und macht dabei Gesten: Mit dem Zeigefinger ahmt sie das Stechen eines Stachels nach. „Biene!“, ertönt plötzlich die Antwort. „Ein Patient muss geistig und körperlich in Bewegung bleiben“, weiß die Therapeutin, „dann passiert auch im Gehirn etwas.“ Nach einem Schlaganfall im Bett liegen zu bleiben und nicht mehr aufzustehen, sei das Schlechteste.
Lebensqualität zurückerkämpfen
Kurt Klostius hat früher auf dem Bau gearbeitet. „Mit Stricken darf ich ihm da nicht kommen“, stellt Physiotherapeutin Nimsch fest. Eine 0815-Therapie will sie ihm aber nicht anbieten. Deshalb hat sie ihm auch schon mal einen Hammer in die Hand gedrückt oder ist mit ihm auf eine Leiter gestiegen: „Die Frage ist doch: Wie kann ich den Patienten erreichen und motivieren?“
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Seit seinem Schlaganfall neigt der Rentner aus Haspe dazu, beim Gehen die Fußspitzen nach unten hängen zu lassen. Dadurch verliert er leicht die Balance und stürzt. Die Logopädin hat ihm einen halben Tennisball unter die Schuhspitze geklemmt und übt nun mit ihm den sicheren Gang. Schritt für Schritt erkämpft sich Kurt Klostius seine alte Lebensqualität zurück. Es ist ein langer Weg, aber er lohnt sich. Die Therapeuten im Alten Stadtbad Haspe unterstützen ihn dabei.