Elsey. Bezirksbürgermeister Jochen Eisermann befindet sich auf Sommerreise durch Hohenlimburg. Wem er in Elsey begegnet – oder eher: wem nicht.
Es ist ausgesprochen kurzweilig, sich mit dem Hohenlimburger Bezirksbürgermeister Jochen Eisermann (59) zu unterhalten. Er ist ein vielseitig interessierter Mann, er legt nicht, wie leider viel zu viele Politiker, jedes Wort auf die Goldwaage, er kommt vom Hölzchen aufs Stöckchen.
Und weil er ein leutseliger Mensch ist, begibt er sich in diesem Jahr erstmals auf „Sommerreise“. Eisermann klappert die Stadtteile des Bezirks Hohenlimburg ab und versucht, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Er baut einen rotweißen Sonnenschirm auf und dann wartet er darauf, dass die Leute zu ihm kommen.
Gestern wartet er auf dem Elseyer Dorfplatz. Vergeblich. Eisermann sitzt auf einer Bank unter seinem Sonnenschirm, aber niemand kommt. Nur seine beiden Mitarbeiterinnen aus dem Rathaus sind bei ihm – und der Reporter natürlich, der diese Zeilen schreibt. Eine Stunde lang warten sie alle vier, doch es lässt sich, verflixt noch mal, kein Bürger blicken, um den Bezirksbürgermeister um Rat zu fragen, Informationen zu erbitten oder ihm einfach mal die Meinung zu geigen.
Von Gesprächen, die nicht stattfinden
Jochen Eisermann nimmt das nicht tragisch. „Wichtig ist das Angebot“, sagt er: „Die Leute sollen wenigstens die Möglichkeit haben, mit mir zu sprechen.“ Er wolle ja ein Bezirksbürgermeister für alle Hohenlimburger sein: „So, und hier wäre jetzt ein zwangloser Austausch möglich.“
Wäre. Da aber niemand von dieser zwanglosen Möglichkeit Gebrauch macht – jedenfalls nicht in der ersten Stunde, die der Reporter neben dem Bezirksbürgermeister auf der Bank verbringt –, genießt der normalerweise fast immer gestresste Eisermann die beschauliche Dorfplatz-Atmosphäre unter dem Schatten spendenden Sonnenschirm. Und spricht über die Gespräche, die nicht stattfinden: „Am liebsten wäre mir ja, ein Bürger käme mit einem Problem, das ich sofort lösen könnte.“ Das sei aber unrealistisch, gibt er zu, alles sei heute so bürokratisch, vor allem in Hagen.
Nicht mal Zeit zum Frühstücken
Eisermann und der Stress. Er ist nicht nur Bezirksbürgermeister und CDU-Vorsitzender, sondern auch Vorstandsmitglied in mehreren Vereinen. Am Wochenende habe er nicht mal Zeit zum Frühstücken gehabt, sagt er beiläufig, aber bitte, er hat es ja nicht anders gewollt. „Ich habe mich nie hingestellt und gesagt: Ich will den Posten. Ich bin immer gefragt worden. Aber ich habe zu oft ,Ja’ gesagt.“
Und dann hat er ja auch noch eine Familie und seinen Beruf als Feinwerkbaumeister. Trotzdem gebe es viele Leute in Hohenlimburg, die mit seinem Namen nichts anfangen könnten. Und dass er, wenn er einkaufen geht, nicht gegrüßt werde.
Das entspricht keiner hoheitlichen Erwartung, Eisermann ist nicht eitel, er wundert sich nur darüber wie über die Uninformiertheit vieler Menschen: „Neulich kam einer zu mir und behauptete, dass man in Hohenlimburg ja bald nicht mehr schwimmen gehen kann. Da habe ich ihm erklärt, dass in Henkhausen doch ein Allwetterbad entsteht. Hatte er noch nie von gehört. . .“
Bücher über verborgene Schätze
Eisermann lehnt sich zurück auf der Bank. Der Bücherschrank schräg gegenüber führt natürlich zu der Frage, ob er gerne liest. Ja, nickt Eisermann, am liebsten Clive Cluster und Jeffrey Archer. Alles, was mit verborgenen Schätzen zu tun hat und Indiana-Jones-mäßig angehaucht ist.
Und dann berichtet er, ein großer Marine-Fan zu sein, dass er zu Hause viele Bücher über die Seefahrt im Regal stehen hat und auch Schiffsmodelle sammelt. Das habe wohl mit seiner Herkunft zu tun, der Großvater stamme aus dem pommerschen Köslin und seine Mutter sei eine geborene Bark, und eine Bark sei ein großes Schiff. . .
Wie gesagt, am Wochenende stand Eisermann voll unter Strom, war auf dem Lenneparkfest seiner CDU eingebunden, beim Erbsensuppenessen in Haspe zu Gast und zwischendurch musste er noch ein paar Vereinsnachrichten verschicken. Er sei froh, sinniert er, dass sie ihm in Haspe nicht den Bolzen verpasst hätten. Warum sie das hätten tun sollen? Na, das Lenneparkfest am gleichen Termin wie die Hasper Kirmes, dafür hätte man sich ja an ihm rächen können. . .
Eisermann erhebt sich, er will jetzt Kaffee für seine Mitarbeiterinnen und sich selbst holen. Es ist immer noch niemand gekommen und hat ihn angesprochen. Eine Bürgersprechstunde ohne Bürger sozusagen. Aber eine kleine Lehrstunde. Für den Reporter.