Hagen. Metzger Olaf Braun kämpft im Süden von Hagen um seine Existenz. Was der Dauerstau auf der B 54 in Rummenohl damit zu tun hat.
Es sind die Lust, die Liebe zum Beruf, der Spaß, die ihn veranlassen, fast täglich den Schlüssel in das Schloss der Glastür zu stecken und ihn herumzudrehen. „Wenn ich all das verloren hätte“, sagt Olaf Braun, „dann hätte ich hier längst dicht gemacht.“
Hat er aber nicht. Und so betreibt er eine von nur noch fünf verbliebenen Metzgereien in Hagen. Am südlichsten Zipfel der Stadt, in Rummenohl. An einem Ort, an dem es einem die Verkehrsverhältnisse wahrlich nicht einfach machen, den täglichen Kampf ums Überleben zu führen. „Der Dauerstau am Knoten rund um den Bahnübergang“, sagt Braun, „das gibt uns hier wirklich den Rest.“
Die Metzgerei vor dem Ende der Welt
Die Metzgerei Braun liegt versteckt. An der Rölveder Straße, einer kleinen Nebenstraße, die wiederum von der Heedfelder Straße abzweigt und ans Ende der Welt zu führen scheint. „Wir leben von unseren Stammkunden“, sagt Olaf Braun, „aber viele kommen mit dem Auto zu uns. Teils aus dem Volmetal, teils aus Heedfeld oder gar aus Lüdenscheid.“ Was sie derzeit alle eint: Wenn sie die Metzgerei aufsuchen wollen, drohen Stau und eine lange Anfahrt. „Sie verlieren langsam die Geduld. Und das kann ich auch verstehen.“
„Die Situation in Rummenohl ist eine Katastrophe“, sagt Braun und blickt wütend auf den programmierten Dauerstau, der durch die Sperrung der Autobahn 45 in Lüdenscheid und durch eine zwar umgebaute, aber nur bedingt verkehrstaugliche Kreuzung hervorgerufen wird. „An den extremen Tagen hatte wir zuletzt auf der B 54 einen Rückstau bis Ambrock. Wer stellt sich denn da rein, wenn er nur mal eben ein Pfund Gehacktes und ein Stück Fleischwurst holen will?“
Metzger eröffnet vor 67 Jahren
Also wird es an vielen Tagen zunehmend leerer in dem kleinen Ladenlokal, das Olaf Brauns Großvater vor 67 Jahren zum ersten Mal aufgeschlossen hat. „Ich will nicht nur jammern“, sagt Braun, „aber wenn ich am Ende auf meinen eigenen Stundenlohn blicke, dann liege ich an manchen Tagen unter dem Mindestlohn. Meine Frau fragt mich immer wieder, warum ich mir das antue.“
Die Freude an dem, was er tut, und an dem, was er da in Handarbeit nach überlieferter Rezeptur erstellt, sind Gründe. Die Kunden natürlich, von denen vielen sagen, er könne doch nicht einfach dicht machen. „Und dann ist da noch mein Team“, sagt Braun und blickt auf sechs Aushilfen, „alle treu, alle zuverlässig. Eine Mitarbeiterin kommt täglich aus Halden, eine andere aus Voerde. Ohne deren Einsatz könnte das hier nicht funktionieren.“
Metzgerei ist Treffpunkt für das Dorf
So ist die Metzgerei kurz vor dem Ende der Welt auch mehr als nur ein Geschäft. „Wir sind der letzte Treffpunkt im Dorf“, sagt Olaf Braun. „Hier in Rummenohl gibt es ja nichts mehr.“ Keinen Supermarkt, keine Kneipe und auch längst keine zweite Metzgerei mehr. „Die Menschen kommen auch für ein Quätschchen zu uns. Das hat man besonders in der Corona-Zeit gemerkt, als sich vor dem Geschäft wahre Trauben gebildet haben.“
Immerhin: Vieles läuft in der Landmetzgerei mittlerweile auf Bestellung. Online – wie Olaf Braun mit einem Augenzwinkern sagt. Die Kunden rufen an, geben an, was sie möchten, und holen die gepackten Taschen dann direkt ab.
Metzger fällt die Planung immer schwerer
Im Gegenzug hat Olaf Braun die Öffnungszeiten schon eingeschränkt. „Es wird für uns immer schwieriger zu planen“, sagt er, „wenn sich plötzlich wieder der Verkehr staut, stehen wir hier zu viert im Laden und niemand kommt. Schicke ich meine Mitarbeiter nach Hause und will hinten neue Wurst herstellen, wird es vorne im Laden plötzlich voll.“
Ein Umzug des Geschäfts ist für Braun keine Alternative. „Ich bin 55 Jahre alt“, sagt der Mann, der noch von Zeiten berichten kann, in denen es allein in Hagen mehr als 100 Metzgereien gab, „da müsste ich ja noch einmal einen hohen fünfstelligen Betrag investieren. Das hole ich nicht mehr rein.“
Aus Liebe zum Beruf
Also bleibt die Hoffnung: auf Stammkunden, die ihm trotz der Widrigkeiten die Treue halten. Und auf eine Verkehrssituation, die sich zumindest in Teilen wieder normalisiert. Es bleibt die Hoffnung. Und es bleibt die Liebe zum Beruf.