Breckerfeld. An der Prioreier Straße rasen die Motorräder wieder durch die Kurven. Der Lärm nervt die Anwohner. Die wehren sich nun mit einem Plakat.

Wer sein Zuhause an der Nordschleife in der Eifel gewählt hat, der weiß wohl, worauf er sich eingelassen hat. Donnernd dröhnende Motoren, deren Schall sich durch Täler und Schluchten bis in die Ortschaften hinein verbreitet. Für all jene, die oberhalb der Prioreier Straße in Breckerfeld wohnen, hat im Sommer 2022 ein Leben an der Rennstrecke begonnen. Da sah sich der Ennepe-Ruhr-Kreis gezwungen, ein Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg umzusetzen und die Prioreier Straße, die über Jahrzehnte für Motorräder gesperrt war, wieder für ebendiese freizugeben.

Szenenbeschreibung an einem durchschnittlichen Frühlingsabend unter der Woche: Man sieht nichts. Der Schall aber sucht sich seinen Weg durch das Tal den Weg hinauf. Gas, Schalten, wieder Gas. Vollgas. Bremsen. Schalten. Wieder Gas. Mit jeder der Kurven oberhalb der ehemaligen Gaststätte Drehe scheint sich dieser stete Wechsel zu wiederholen. Noch lange bevor das Motorrad als kleiner Punkt hinter einer der letzten Kurven vor dem Ortseingangsschild sichtbar wird, erreicht der Lärm ein Nordschleifen-Ausmaß, das auf Dauer keinem der Anwohner der Häuser oberhalb der Piste zumutbar ist.

100 Stundenkilometer sind erlaubt

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Der Fahrer verstößt hier noch nicht einmal gegen ein Tempolimit. Denn 100 Stundenkilometer sind erlaubt. Und auch bei optimistischer Schätzung lässt sich diese Geschwindigkeit in den engen Kurven nicht erreichen. Obwohl der Fahrer sich sportlich von einer auf die andere Seite seiner Maschine schwingt. Die Kniebereiche seiner Kluft sind so dick gepolstert, das eine Berührung des Asphalts einkalkuliert werden kann.

Die Prioreier Straße in Breckerfeld ist für Motorräder wieder frei gegeben.
Die Prioreier Straße in Breckerfeld ist für Motorräder wieder frei gegeben. © WP | Michael Kleinrensing

Der Fahrer rauscht vorbei an einem Plakat, das Anwohner gut sichtbar am Fahrbahnrand aufgestellt haben. „Euer Lärm macht uns krank“ – steht in großen schwarzen Buchstaben auf einem rosafarbenen Grund geschrieben. Daneben sind ein Motorrad und ein kleines Mädchen abgebildet, das sich die Ohren zuhält.

Zuschauer stehen am Streckenrand

Der Motorradfahrer rollt in den Ort hinein, wendet im Kreisverkehr und nimmt sich die Strecke nun talwärts vor. Das Plakat, das der Verein Motorradlärm Weserbergland, Silent Rider (eine Initiative gegen Motorradlärm), der BUND sowie der Bundesverband gegen Motorradlärm gezeichnet haben, kann er trotz seines Tempos allerdings nicht übersehen. Sein Verhalten ändert es nicht.

Laute Motorräder machen den Anwohnern an der Prioreier Straße in Breckerfeld zu schaffen.
Laute Motorräder machen den Anwohnern an der Prioreier Straße in Breckerfeld zu schaffen. © WP | Michael Kleinrensing

Drei weitere Motorradfahrer auf kleineren Maschinen rollen talwärts an dem Schild vorbei. Sie positionieren sich nur wenige hundert Meter weiter auf einem ausgeschilderten Parkplatz neben weiteren Zuschauern am Streckenrand, um von dort eben jene zu bestaunen, die sich auf zwei Rädern mit Knallgas in die Kurven werden.

Motorradfahrer mit Helmkamera unterwegs

Ein Schauspiel, das sich bei gutem Wetter nahezu täglich wiederholt. „Ja“, sagt Detlef Siemer, dessen Frau als Tagesmutter kleine Kinder betreut. Er ist einer der Anwohner, die sich schon im Juli an unsere Redaktion gewandt hatten. „Wir merken deutlich, dass es wieder los geht. Unter der Woche, aber vor allem an den Wochenenden, an denen es um 8 Uhr morgens mit der Ruhe hier vorbei ist. Wir beobachten, dass viele Motorradfahrer mit Helmkamera unterwegs sind.“ Ihre waghalsigen Manöver finden sich im Internet.

Was noch fehlt, sind die Unfälle. Zumindest in diesem Jahr. Denn 2022 waren nach Auskunft der Kreisverwaltung zwei Motorradfahrer auf dem Abschnitt verunglückt. „Bei den Unfällen wurde eine Person schwer verletzt“, so die Kreispolizei.

Kreisverwaltung: Lärmbelästigung ist gestiegen

Auch die Kreisverwaltung behält den Abschnitt sehr wohl im Auge: „Wir beobachten die Situation aufmerksam“, so Sprecherin Lisa Radtke. „Es werden wiederholt entsprechende Verkehrszählungen und -messungen durchgeführt, die Unfallsituation auf der Strecke wird beobachtet. Aufgrund der erhöhten Anzahl von Motorrädern, die nach Aufhebung der Sperre die Priorei befahren, ist davon auszugehen, dass auch die Lärmbelastung gestiegen ist.“

Unmittelbare Konsequenzen aber hat das nicht. Beispiel Tempolimit: „Nach Aufhebung der Sperre für Motorräder wurde unter Beteiligung der Unfallkommission entschieden, dass keine Geschwindigkeitsbeschränkung eingerichtet werden muss, da grundsätzlich jeder Verkehrsteilnehmer nach der Straßenverkehrsordnung verpflichtet ist, seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht-, und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen“, so Radtke.

Tempolimit ist kein Thema

Grundsätzlich sehe die Straßenverkehrsordnung eine Beschränkung der Geschwindigkeit auch aus Lärmschutzgründen vor, gleichwohl müssten weitere Voraussetzungen erfüllt werden. „Die Anordnungsvoraussetzungen für entsprechende Lärmschutzmaßnahmen in der Prioreier Straße sind derzeit aufgrund der geltenden Bestimmungen nicht gegeben“, sagt Radtke.

Auch eine erneute Sperrung für Motorräder in dem Bereich ist derzeit kein Thema. „Rechtlich wäre sie auch nur möglich, wenn dort ein ansteigendes Unfallgeschehen mit Motorradbeteiligung vorliegen würde und andere – mildere – Mittel zur Herstellung der Verkehrssicherheit ausgeschöpft wären.“