Hagen. Die Luftqualität in der Hagener Innenstadt hat sich verbessert. Mit dem Schul- und Discounter-Bau am Ring könnte sich die Lage verändern.

Angesichts der ambitionierten Baupläne für das Bettermann-Gelände, wo ein Investor einen bis zu 19 Meter hohen Discountermarkt mitsamt einer Schule errichten möchte, hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) der Hagener Politik sowie der Bauverwaltung signalisiert, hinsichtlich der Luftsituation in der Innenstadt nicht unnötig mit dem Feuer zu spielen. Zumal vom europäischen Parkett bereits drastisch verschärfte Grenzwerte für Luftschadstoffe wie Feinstaub und das Dieselabgasgift Stickstoffdioxid angekündigt sind.

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„Bauliche Großprojekte bedeuten per se eine Verschlechterung der Durchlüftungssituation und sind somit an Hotspots der Stickstoffdioxid- und Feinstaubbelastung immer unvorteilhaft“, skizziert Robin Kulpa, stellvertretender Bereichsleiter im Ressort Verkehr und Luftreinhaltung, die mahnende Haltung der Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutzorganisation.

Die Luftmessungen in der Finanzamtsschlucht haben zuletzt gezeigt, dass der gesetzlich gebotene Grenzwert zurzeit regelmäßig unterschritten wird.
Die Luftmessungen in der Finanzamtsschlucht haben zuletzt gezeigt, dass der gesetzlich gebotene Grenzwert zurzeit regelmäßig unterschritten wird. © Michael Koch

Gleichzeitig erinnert der DUH-Sprecher gegenüber der Stadtredaktion daran, dass hochfrequentierte Einrichtungen wie eine Schule oder auch ein Lebensmittelhandel zusätzliche Verkehre auslösten. Hinzu käme, dass während der sicherlich mehrjährigen Bauphase sich die Emissionen durch Baumaschinen ohne Filtertechnik noch einmal zusätzlich erhöhen würden. „Das sind gleich mehrere Faktoren, die für eine erneute Verschlechterung der Luftqualität in Hagen verantwortlich sein könnten“, so Kulpa. Zudem müsse man sich natürlich die Frage stellen, ob man ausgerechnet die jüngsten Schüler in Hagen jeden Tag an dieser hochfrequentierten und luftbelasteten Straße entlangführen wolle.

Vergleich führt zum Erfolg

Drei Jahre ist es inzwischen her, dass die Stadt im Rahmen von Vergleichsverhandlungen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) angesichts der über Jahrzehnte tolerierten Grenzwertüberschreitungen sowohl in der Finanzamtsschlucht als auch am Graf-von-Galen-Ring auf den letzten Drücker noch abwenden konnte. Unter Moderation des Oberverwaltungsgerichts in Münster wurden auch in Absprache mit dem Land NRW zwei Akut-Maßnahmenpakete auf den Weg gebracht, die vor allem ein Ziel im Fokus hatten: Unterschreitung des bald veralteten EU-Stickstoffdioxid-Grenzwertes von 40 Mikrogramm/Kubikmeter (μg/m3). Seinerzeit wurden hier noch Jahresmittel von 45 bzw. 44 μg/m3 gemessen.

Robin Kulpa, Verkehrsexperte der Deutschen Umwelthilfe
Robin Kulpa, Verkehrsexperte der Deutschen Umwelthilfe © Privat

Neben diversen Projekten im Rahmen der Mobilitätswende führten seinerzeit vor allem die Tempo-30-Regelung, die Sperrung einer Linksabbiegerspur am Emilienplatz, aber auch die Eröffnung der Bahnhofshinterfahrung und die Sperrung der Rampe hinter der Arbeitsagentur in Kombination mit der Verkehrsausdünnung während der Corona-Pandemie zum Ziel – das aktuelle NO₂-Limit wird seitdem eingehalten.

Minimalziele werden erreicht

Darüber wacht neben dem NRW-Umweltministerium parallel auch die Deutsche Umwelthilfe, die nicht bloß regelmäßig Düsseldorf die aktuellen Messwerte zur Verfügung gestellt bekommt. Darüber hinaus wurde der DUH das Recht eingeräumt, zwei weitere Messpunkt in der Innenstadt zur Messung der Luftqualität zu benennen, um zu kontrollieren, dass Ausweichverkehre nicht zu neuen Hotspots führen. Aber auch hier – die neuen Messpunkte liegen am Bergischen Ring sowie an der Eckeseyer Straße – wurden bislang keine Auffälligkeiten festgestellt.

Aufgrund der verkehrslenkenden Maßnahmen hat sich die Luftsituation in der Hagener Innenstadt sowohl am Finanzamt als auch am Graf-von-Galen-Ring deutlich verbessert.
Aufgrund der verkehrslenkenden Maßnahmen hat sich die Luftsituation in der Hagener Innenstadt sowohl am Finanzamt als auch am Graf-von-Galen-Ring deutlich verbessert. © dpa | Marcel Kusch

DUH-Sprecher Kulpa attestiert der Stadt Hagen, zwischenzeitlich die notwendigsten Hausaufgaben erledigt zu haben: „Zumindest das gesetzliche Minimum“, vergibt er die Note „ausreichend“. Allerdings gäbe es noch reichlich mehr zu tun, wenn man den Gesundheitsschutz der Bürger perspektivisch tatsächlich im Blick habe, fordert die Organisation auch für die Zukunft mehr Engagement ein.

Zugleich erinnert der Verkehrs- und Luftreinhaltungsexperte die Entscheider daran, dass auf europäischer Ebene zurzeit eine deutliche Verschärfung der EU-Luftreinhalterichtlinie ansteht. Darin soll beispielsweise der Jahresgrenzwert für Feinstaub mit einem Durchmesser unter 2,5 µm (PM2,5 Fraktion) bis zum Jahr 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden, nämlich von aktuell 25 auf 10 µg/m3. Damit nähern sich die Vorgaben auf EU-Ebene den Grenzwert-Empfehlungen der WHO an, die allerdings – rein auf Basis der gesundheitlichen Vorsorge – nicht einmal vollständig umgesetzt werden. Die WHO empfiehlt seit Oktober nur noch einen PM2,5-Richtwert von 5 µg/m3, also ein Fünftel des aktuellen EU-Grenzwertes.

Europa erhöht den Druck

Den Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid will die Kommission von derzeit 40 auf 20 µg/m3 absenken. Der WHO-Richtwert liegt hier bei sogar 10 µg/m3. Entsprechend spricht die Kommission bei ihren Vorschlägen auch nur von „Zwischenzielen“. Langfristig will man tatsächlich die WHO-Empfehlungen erreichen – für Hagen noch ein weiter Weg.