Hagen. Die 88-jährige Lore Müller aus Hagen ist bereits dreimal zum Ziel von Trickbetrügern geworden. Die Maschen der skrupellosen Täter.

Es war schon fast elf Uhr am Abend, Lore Müller (88) aus Hagen saß noch vor dem Fernseher, als das Telefon klingelte. Das konnte nur ihre Tochter sein, dachte sie und griff zum Hörer.

Doch die heulende, jammernde Frauenstimme, die kaum zu verstehen war und zwischen all dem Gekreische zaghaft etwas von einem „Unfall“ stammelte, klang so gar nicht wie ihre Tochter, berichtet Lore Müller: „Dann kam ein Mann an den Apparat und sagte, er sei der Wachtmeister. Meine Tochter habe mit dem Handy am Steuer hantiert und ein zwölfjähriges Mädchen totgefahren.“

Sodann versuchte der „Wachtmeister“, persönliche Daten von Lore Müller zu erfragen. Statt zu antworten, griff sie zum Handy, um ihre Tochter anzurufen. Als sie den Festnetzhörer wieder aufnahm, hatten der Wachtmeister und die kreischende Frau längst aufgelegt.

Seniorin lässt sich nicht aushorchen

Lore Müller hat sich nicht aufs Glatteis führen lassen. Natürlich war sie zunächst geschockt von der weinenden Anruferin, doch spätestens, als der Wachtmeister ihr die Geschichte von dem Handy am Steuer erzählte, wusste sie, dass da etwas nicht stimmen konnte.

Dabei half ihr auch die Erfahrung, bereits zweimal zuvor das Ziel von Trickbetrügern, die letztlich nichts anderes als Geld von ihr erschleichen wollten, geworden zu sein. Beim ersten Mal wollten ihr die Gauner weismachen, dass ein Mitarbeiter ihrer Bank diverse Konten geplündert habe und man nun überprüfen müsse, ob sie auch betroffen sei, sie solle doch bitte ihre Kontonummer nennen.

Das tat Lore Müller ebenso wenig wie sie der Aufforderung eines anderen Anrufers nachkam, doch bitte etwas über ihre zu Hause aufbewahrten Juwelen zu erzählen, es seien Einbrecher unterwegs, auf deren Liste auch ihr Name stehe. In Wirklichkeit wollte der Anrufer offenbar herausbekommen, ob Lore Müller alleinstehend und wo ihre Wohnadresse war.

Banden operieren aus internationaler Anonymität heraus

Jetzt möchte die alte Dame andere Menschen warnen. Denn täglich, das bestätigt die Polizei, werden in Hagen Menschen von Trickbetrügern angerufen, um sie hinters Licht zu führen und auszunehmen. „Meist bleibt es beim Versuch, aber leider kommt es immer mal wieder vor, dass ein Opfer Geld überweist, oft in vierstelliger Höhe“, berichtet Tim Sendler, Sprecher der Polizei Hagen.

Die Ermittlungserfolge bei den „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen durch überregionale Täter“, wie die Delikte im Polizeijargon genannt werden, sind ohnehin überschaubar. Das liegt an der internationalen Verflechtung der Banden, ihrer technischen Versiertheit und der Anonymität, aus der heraus sie operieren.

Betrüger sitzen zumeist in Türkei oder Polen

Eine spezielle Software ermöglicht es den Gaunern beispielsweise, bei ihren Anrufen die 110, den Notruf der Polizei, im Display der Opfer erscheinen zu lassen. Das Täuschungsmanöver suggeriert, es sei wirklich die Polizei, die da anruft, obwohl von der wirklichen Notrufzentrale aus schon aus technischen Gründen niemand angerufen werden kann. Und überhaupt: „Die Polizei ruft niemanden an, um ihn zur Übergabe von Wertsachen und Bargeld zu bewegen“, sagt Sendler.

Aber auch Rufnummern mit der Hagener Vorwahl erscheinen bisweilen im Display der oft zufällig ausgewählten Opfer. Die Software ist so ausgereift, dass die Anrufe kaum mehr zurückzuverfolgen sind. Die Polizei weiß, dass die Betrügereien in der Regel in der Türkei oder in Polen ihren Anfang nehmen, wo die Köpfer der Banden sitzen, die die Abläufe in Deutschland dirigieren.

Ausgebuffte Kriminelle

Trickbetrüger sind ausgebuffte Kriminelle, die die Wehr- und Hilflosigkeit alter Menschen ausnutzen, betont die Polizei. Wer Verdacht schöpft, legt am besten sofort auf und ruft einen Angehörigen oder die Polizei an“, rät Sendler.

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Deshalb solle man immer misstrauisch sein, wenn das Telefon klingele und ein vermeintlicher Notfall vorgebracht werde, rät Lore Müller: „Und auf keinen Fall darf man persönliche Daten preisgeben und auch nicht verraten, was man im Hause hat.“

Wenn alle Angerufenen so geistesgegenwärtig reagieren würden wie die 88-jährige Hagenerin, würde die „Erfolgsquote“ der Betrügerbanden wohl drastisch sinken.