Hagen. Noch ist der Hagener Haushalt ausbalanciert. Doch der Blick in die Zukunft ist trotz beruhigender Prognosedaten auch mit Risiken behaftet.
Trotz Corona-Pandemie, trotz der Extra-Lasten durch den Ukraine-Krieg sowie der Kosten zur Beseitigung der Starkregen- und Hochwasserschäden – das Jahresergebnis 2022 der Hagener Stadtkasse wird besser ausfallen als ursprünglich geplant. Die exakten Zahlen zu dem 800-Millionen-Euro-Budget legt Kämmerer Christoph Gerbersmann im ersten Quartal dieses Jahres vor.
Situation verschlechtert sich stetig
Gemeinsam mit 63 weiteren Städten und Kreisen aus der ganzen Republik kämpft jetzt auch die Ruhrgebietskommune Castrop-Rauxel im „Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“ für eine Altschuldenlösung, eine Reform der Förderpolitik und gegen Steueroasen. Aus diesem Anlass begrüßte jetzt Hagens Kämmerer Christoph Gerbersmann als Sprecher des Bündnisses seinen Amtskollegen Michael Eckhardt sowie Bürgermeister Rajko Kravanja und Stefan Brenk (Leiter des Bereichs Finanzen in Castrop) in Reihen der Kommunen.
Castrop-Rauxel hat wie viele Kommunen in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um Schulden abzubauen und einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Nun erlebt die Stadt (ebenfalls wie viele andere), dass die Erfolge dieser Bemühungen akut bedroht sind. Steigende Zinsen, deutlich höhere Bau-, Energie- und Personalkosten sowie die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs – all das führt zu neuen Belastungen des städtischen Haushalts, die angesichts noch bestehender Herausforderungen zu einer echten Gefahr werden.
Gerbersmann mahnte erneut eine faire Finanzverteilung in Deutschland an: „Wir freuen uns, dass Castrop-Rauxel den Einsatz für eine Altschuldenlösung und eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen als Mitglied von ,Für die Würde unserer Städte’ unterstützt. Die Situation in den finanzschwachen Kommunen verschlechtert sich von Woche zu Woche. Wir brauchen dringend eine Altschuldenlösung, und zwar sowohl auf Bundesebene als auch in NRW. Die betroffenen Kommunen sind unverschuldet finanzschwach geworden. Bund und Länder haben ihnen viele Aufgaben zugewiesen und nicht für einen passenden Ausgleich gesorgt. Sie tragen eine wesentliche Verantwortung für die dramatische Situation und müssen sich dieser Verantwortung endlich stellen.“
Im Aktionsbündnis sind 64 Kommunen aus sieben Bundesländern vertreten, in denen rund 8,5 Millionen Menschen leben, also jede und jeder Zehnte in Deutschland. Die Mitglieder haben eine bittere Gemeinsamkeit: Sie alle haben einen heftigen Strukturwandel erlebt und müssen in dessen Folge mit unterdurchschnittlichen Steuereinnahmen und überdurchschnittlichen Sozialausgaben kämpfen. Bund und Länder haben diese Situation durch das Delegieren von Aufgaben, insbesondere im Sozialbereich, wesentlich mitverursacht. Pläne für die Zukunft, etwa der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in den Grundschulen ab 2026, setzen diesen Kurs fort.
Hagen profitiert dabei von den überraschend hohen Gewerbesteuereinnahmen: „Sie haben sich deutlich besser entwickelt als wir es geplant hatten“, berichtet der Finanzdezernent im Haupt- und Finanzausschuss von einem Anstieg auf 143,2 Millionen Euro. Geplant waren in Anlehnung an den 2021er-Ansatz lediglich 101 Millionen Euro. „Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass sich das in dieser Größenordnung fortsetzt.“ Gerbersmann verweist dabei auf einen Sondereffekt als Folge der Corona-Pandemie: Angesichts der getrübten Konjunkturaussichten und den damit einhergehenden geringen Gewinnerwartungen sind seinerzeit Gewerbesteuervorauszahlungen durch viele Betriebe niedriger angesetzt worden. Inzwischen zeigt sich jedoch, dass dieser Pessimismus häufig übertrieben war, so dass es jetzt zu erheblichen Nachzahlungen kommt. Die Kämmerei geht allerdings nicht davon aus, dass sich dieser Effekt auch 2023 im gleichen Maß fortsetzt und plant zunächst eher zurückhaltend mit einem Gewerbesteueransatz von 109 Millionen Euro.
Energieausgaben deutlich höher
Während die Extra-Belastungen durch Corona im Haushaltsjahr 2022 mit Hilfe der Gewerbesteuereinnahmen kompensiert werden können, wird die Stadt die Lasten durch den Ukraine-Krieg – ähnlich wie einst die Pandemie-Kosten – mit Hilfe einer Bilanzierungshilfe aus dem laufenden Etat ausgliedern. Damit wird diese Extra-Summe (beispielsweise die um 21,5 Millionen Euro höheren Energieausgaben) zwar buchungstechnisch separiert, belastet den Etat dann jedoch langfristig. „In den folgenden Jahren sind daher weiterhin Sparmaßnahmen notwendig, um langfristig die Haushaltslage zu sichern“, schreibt der Kämmerer der Politik ins Stammbuch mit Blick auf eine Abschreibungsdauer von stolzen 50 Jahren. Es gibt aber auch beruhigende Signale: Für die Schadensbeseitigung durch die Flutfolgen hat die Bezirksregierung in Arnsberg wiederum im Rahmen des Wiederaufbauplans eine Summe von 76,5 Millionen Euro bewilligt.
Aktuell (Stand: 9. Januar) steht der städtische Dispo (Liquiditätskredite) mit 892 Millionen Euro in den Miesen – das sind immerhin 50 Millionen Euro weniger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Obendrauf kommen noch einmal gut 63 Millionen Euro an Investitionskrediten. Dieser Posten ist wiederum um 7,5 Millionen Euro gesunken, weil die kommunalen Investitionen weiter zurückgegangen sind. Dennoch ist davon auszugehen, dass angesichts der weiterhin hohen Inflationsrate die Zinsen weiter steigen und den Hagener Haushalt somit zusätzlich belasten. Vorausgesetzt, die von Bund und Land schon lange zugesagte Altschuldenlösung lässt weiter auf sich warten, steigt die Hagener Zinsbelastung bis 2026 auf jährlich 28,6 Millionen Euro – zuletzt glaubte Gerbersmann noch mit 18,7 Millionen Euro die Banken bedienen zu können.
Gewerbesteuern sollen steigen
Kleiner Hoffnungsschimmer: Die Orientierungsdaten des Landes für die mittelfristigen Finanzplanung spiegeln wider, dass angesichts wachsender Steuereinnahmen auch die Schlüsselzuweisungen aus Düsseldorf für die Kommunen und Kreise anwachsen dürften. In den Jahren 2024 bis 2026 wird in der Kämmerei hier ein Jahresplus von etwa 11 Millionen Euro erwartet. Positive Signale ergeben sich aus diesen Hochrechnungen zudem für die so wichtige Gewerbesteuer: Hier sollen im Jahr 2024 bereits 134 Millionen Euro in die Stadtkasse sprudeln und sich bis 2026 auf knapp 150 Millionen Euro steigern. Sollte dies tatsächlich so eintreffen, würde das Finanzdezernat nicht bloß die Enden zusammenbekommen, sondern sogar regelmäßig Überschüsse erwirtschaften.
Dennoch bleiben trotz eher beruhigender Prognosedaten auch reichlich Unwägbarkeiten: Beispielhaft seien an dieser Stelle die Personalkosten genannt. Hier laufen vor dem Hintergrund der hohen Inflationen gerade die Tarifverhandlungen, bei denen Verdi einen Lohnaufschlag von 10,5 Prozent als Forderung formuliert hat. Kämmerer Gerbersmann kalkuliert derweil eher konservativ mit einem Tarifabschluss in Höhe von 5,0 Prozent, was allein schon den Personalkosten-Posten im städtischen Etat um mehr als sechs Millionen Euro in die Höhe schrauben würde. Die Verhandlungen in den nächsten Wochen werden zeigen, ob diese Rechnung tatsächlich aufgeht.