Hagen. Mehrere Angehörige von in Hagen lebenden Türken sterben bei der Erbeben-Katastrophe. Eine Welle der Hilfsbereitschaft rollt durch die Stadt.
Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und Syrien löst eine gewaltige Welle der Hilfsbereitschaft in Hagen aus. Nicht nur, aber vor allem in der türkischen Gemeinschaft, die in Hagen über 10.000 Menschen zählt. Als Sükrü Budak, lange Jahre Vorsitzender des Integrationsrates, gestern Morgen auf der Sedanstraße in Eckesey steht, traut er seinen Augen nicht. Auto um Auto rollt heran, voll mit Kartons und Hilfsgütern. „Es sind nicht nur Türken. Es sind auch viele Deutsche oder arabischstämmige Menschen“, sagt Budak. Es sind Stunden zwischen Ärmel-Hochkrempeln und Trauer. Denn gleich mehrere türkischstämmige Menschen aus Hagen haben Angehörige in den Erdbeben-Trümmern verloren. (Lesen Sie auch: Die Nazis und der Volkspark – Das Geheimnis der Innenstadt)
„Der Cousin meiner Mutter ist tot, seine Frau liegt auch unter den Trümmern“, sagt Diyar Pektar, 27 Jahre alt, in Hagen aufgewachsen, aber durch Herkunft seiner Eltern auch ein Junge aus Pazarcik. Das Städtchen liegt in Provinz Kahramanmaraş, dem Epizentrum des gewaltigen Bebens. Niemand dringt dorthin vor. Keine Hilfsorganisation, kein Flugzeug, kein Auto, niemand. „Alles ist zerstört, das Netz ist zusammengebrochen, es gibt keine Straßen mehr“, sagt Diyar Pektar. Er habe gelesen, dass in der Stadt seiner Eltern allein 7000 Häuser zerstört seien. Alles ist unklar. Versicherungsfragen, ob der Staat helfen kann und ob man so viel überhaupt wieder aufbauen kann.
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Das Beben traf die Region in der Türkei mit einer Stärke von 7,8 auf der Richterskala. Das heißt: Auf einer Länge von 200 Kilometern von der Oberfläche bis in etwa 20 Kilometer Tiefe pressen Erdplatten binnen Sekunden gegeneinander. Sie verschieben sich um mehrere Meter. Dabei wird so viel Energie freigesetzt, dass ganze Wohnblöcke dem Erdboden gleichgemacht werden.
Konvois der Hilfe
„Sie müssen in die Sudfeldstraße“, brüllt Sükrü Budak einem Autofahrer in der Sedanstraße am Dienstagmittag zu. „Warum?“, will der wissen. „Weil wir hier nur originalverpackte Sachen annehmen“, ruft Budak zurück. Das ist so ausgehandelt. Über die Logistikfirma einer Bekannten in Köln lassen Budak und seine Mitstreiter Hilfsgüter in die Türkei fliegen, die die dortige Hilfsorganisation Afad entgegennimmt. Wer gebrauchte Dinge bringt, wird in die Sudfeldstraße zur Spedition von Mustafa Celik geschickt.
Bei dem Namen klingelt es vermutlich bei vielen Lesern. Mustafa Celik ist der Mann, der seit Kriegsbeginn mutig mit seinen Hilfs-Lkw so tief in die Ukraine hineinfährt, dass er Artillerie und Bombendetonationen hört und spürt. In den kommenden Tagen fährt er wieder ins Kriegsgebiet. Gleichzeitig rollten am Dienstag Hunderte Pkw auf den Hof seiner Spedition in Halden. Menschen, die Spenden für die Erdbeben-Opfer in der Türkei abgeben wollten. Denn Celiks Spedition wird auf einen Hilfs-Laster in die Türkei schicken.
Wie ein Lauffeuer durch die Stadt
Die Abgabestellen für Spenden verbreiteten sich wie ein Lauffeuer seit Montagabend durch die Stadt. Vor allem per Whatsapp und per Facebook. Tausende türkische Bürger teilten es. „Man fühlt sich wirklich hilflos. Man kann einfach nichts machen. Es herrschen dort unten eh schon keine guten Verhältnisse, und jetzt kommt noch diese Katastrophe dazu“, sagt Diyar Pektar.
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„Einer meiner Mitarbeiter hat mich heute Morgen angerufen und gesagt, dass er gerne am Steuer sitzen würde, wenn wir auch in der Türkei helfen würden“, sagt Mustafa Celik am Dienstag. Er entschied: Es wird gefahren. Celiks Vater stammt aus der Zentraltürkei, seine Mutter aus der Region unterhalb von Istanbul. Dorthin könnte die erste Fahrt auch gehen. Vor Ort werde die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung die Weiterverteilung der Spenden organisieren.