Hagen. Aktuell steht Hagen finanziell recht solide da. Doch Krieg, Inflation und Zinsentwicklung machen die Haushaltsplanung zunehmend schwierig.
Bei einem flüchtigen Blick auf die aktuellen Hagener Haushaltszahlen könnte Kämmerer Christoph Gerbersmann sich eigentlich entspannt zurücklehnen: Statt eines geplanten Jahresüberschusses von etwa 1,9 Millionen Euro steuert der Finanzdezernent nach den ersten beiden Quartalen des Jahres sogar auf ein positives Ergebnis von gut vier Millionen Euro zu. „Diese scheinbar günstige Entwicklung erweist sich allerdings in der näheren Betrachtung als äußerst fragil“, betont Gerbersmann, dass es sich um ein eher trügerisches Bild handele.
Hohe Steuernachzahlungen
Vor allem der Anstieg der Gewerbesteuereinnahmen führt zu der aktuell eher erfreulichen Prognose. Hier gibt es einen Anstieg von etwa neun Millionen Euro, der das positive Bild prägt. Hintergrund sind vor allem unerwartet hohe Steuernachzahlungen. „Es besteht jedoch das Risiko, dass das Gewerbesteueraufkommen im gesamtwirtschaftlichen Umfeld des aktuellen Jahres sich im weiteren Verlauf gegenläufig entwickelt“, formuliert der Kämmerer in seinem aktuellen Haushaltsbericht seine Skepsis. Die Liquiditätskredite addieren sich in Hagen (städtischer Dispo) auf 912 Millionen Euro. Im August vergangenen Jahres lagen sie noch bei 977 Millionen Euro. Hinzu kommen weitere 67 Millionen Euro an Investitionskrediten – acht Millionen Euro weniger als 2021 und somit ein wichtiges Indiz für weiterhin stetig sinkende kommunale Investitionstätigkeit.
Der Ukraine-Krieg und die damit einhergehenden Wirtschaftssanktionen bildeten das dominierende Ereignis, welche das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben direkt oder indirekt prägen, so die Einschätzung von Gerbersmann. Die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt könnten nur schwer prognostiziert werden. Zwar seien einzelne Auswirkungen bereits spürbar, beispielsweise bei der Unterbringung von Flüchtlingen oder auch bei der Preisentwicklung im Energiesektor. „Doch wie sich diese Entwicklung fortsetzt beziehungsweise welche weiteren Problemfelder hinzukommen, kann kaum abgeschätzt werden“, bleibt der Finanzdezernent vorsichtig, obwohl auf der Ertragsseite die bereits erfolgten Erstattungen des Bundes in Summe durchaus aktuell sogar zu einem positiven Ergebniseffekt führten.
Zinsen steigen kontinuierlich an
Unabhängig von den Extra-Belastungen durch die Corona-Krise sowie die Hochwasser-Katastrophe bleibe der Ukraine-Konflikt vor allem mit Blick auf die Gewerbesteuerentwicklung das größte Problem bei der Haushaltssteuerung. Hier werde sein Dezernat angesichts der erheblichen Schwankungen ständig aktualisierte Zahlen nachliefern müssen. „Weitere negative Ergebniseffekte erscheinen eher wahrscheinlich“, heißt es im aktuellen Bericht der Kämmerei. Damit sind vorzugsweise die weiteren Energiepreis- und Zinsentwicklungen sowie der weitere Inflationsverlauf gemeint.
Denn die hohen Inflationsraten haben zuletzt die Notenbanken in vielen Ländern zur deutlichen Anhebung der Leitzinsen veranlasst. So hat nun auch die Europäische Zentralbank (EZB) im Juli erstmalig seit elf Jahren eine Anhebung der Leitzinsen beschlossen. Mit der überraschend deutlichen Anhebung um 0,5 Prozentpunkte wurde die Phase der „Negativzinsen“ beendet. Während im Mai 2022 zuletzt zumindest bei den kurzfristigen Liquiditätskrediten noch negative Zinssätze vereinbart werden konnten, sind die Zinssätze im August bereits alle wieder im Plus-Bereich angekommen. „Eine langfristig hohe Inflation dürfte weiter steigende Zinsen bedeuten“, so die Prognose des Kämmerers in seinem aktuellen Finanzbericht. Damit würde der kleine Zins-Finanzpuffer, den Gerbersmann zuletzt bei der Haushaltsgestaltung immer wieder gern genutzt hat, schnell aufgebraucht sein.
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