Hagen. Mit einem Überschuss schließt die Stadt Hagen das Haushaltsjahr 2022 ab. Eine Situation, die sich so schnell kaum wiederholen dürfte.
Wer weiß, ob der Hagener Kämmerer diesen Satz in seiner Karriere überhaupt noch einmal formulieren darf: „Das Haushaltsjahr 2022 läuft entspannt zu Ende – sogar mit einem Überschuss!“ Eine Entwicklung, die Christoph Gerbersmann vor zwölf Monaten angesichts der Flut- und Corona-Erfahrungen selbst in seinen kühnsten Träumen kaum zu denken gewagt hätte.
Noch keine Lösung
Die enorme Altschuldenlast in Hagen nimmt der Stadt weiterhin die Spielräume zum Gestalten. Daher engagiert sich die Führung im Rathaus gemeinsam mit anderen armen Kommunen schon seit Jahren dafür, auf Landes- und Bundesebene eine Lösung zu finden, diesen Druck zu lindern. Bislang gibt es jedoch neben wohlwollenden Lippenbekenntnissen noch keine konkreten Ergebnisse. Berlin und die Länder haben sich noch auf keine Strategie verständigt, wie den Städten bei dieser Generationenaufgabe geholfen werden kann.
So legt die Kämmerei zum Jahresende absehbar nicht bloß beim Haushaltssicherungskonzept mit seinen 18 Konsolidierungsmaßnahmen mit einer Gesamteinsparung von knapp 6,5 Millionen Euro nahezu eine Punktlandung hin, sondern kann sich vor allem über exorbitante Gewerbesteuereinnahmen freuen: Statt der zu Jahresbeginn kalkulierten 101 Millionen Euro bei diesem Etatposten liegt das Steuersoll inzwischen bei 140 Millionen Euro. „Möglicherweise wird das bis zum Jahresende sogar noch etwas besser“, zeigte sich der Finanzdezernent gegenüber der Politik zuletzt optimistisch.
Jahresüberschuss erwartet
Nach aktuellem Stand dürfte Hagen im Ergebnishaushalt 2022 einen Jahresüberschuss von 3,1 Millionen Euro erwirtschaften. Dies ist vorzugsweise den Steuerzahlungen der heimischen Wirtschaft zu verdanken. „Darunter sind zahlreiche Nachzahlungen aus dem Corona-Jahr 2021“, blickt Gerbersmann auf die Hochphase der Pandemie zurück. „Für viele Firmen waren diese Zeiten offenkundig doch nicht so schlecht wie diese angenommen hatten.“ Die damals erwarteten Risiken seien nicht vollumfänglich eingetreten.
Zugleich warnt Gerbersmann in seinem Etatbericht ausdrücklich davor, das stattliche Gewerbesteuerresultat 2022 auf die kommenden Jahre hochzurechnen: „Von Bedeutung ist für den städtischen Haushalt, dass vor dem Hintergrund der aktuell gegebenen Rahmenbedingungen mit den Folgen aus dem Ukrainekrieg, den Inflationsraten und dem Anstieg der Zinssätze nicht von einer Übertragung dieses Effektes auf das Jahr 2023 auszugehen ist.“ Somit handele es sich – Stand heute – um einen Einmaleffekt, der in dieser Höhe in den folgenden Haushaltsjahren nicht zu erwarten sei.
Ungewisse Prognose
Allein schon die Prognose für die Etatfortschreibung für das kommende Jahr gestaltet sich ungewiss. Das Land NRW hat angesichts der dynamischen bundespolitischen Entwicklungen (Entlastungspakete, Gaspreisbremse etc.) mit erheblicher Verspätung erst vor wenigen Tagen die dafür erforderlichen Orientierungsdaten verschickt. Wie hoch die Gelder tatsächlich sein werden, die im Rahmen des Finanzausgleichs von Düsseldorf nach Hagen überweisen werden, wird erst der mittelfristigen Planung im kommenden Jahr zu entnehmen sein.
Sicher ist bislang nur, dass angesichts der aktuell rasant ansteigenden Zinsen der Druck der weiterhin horrenden Schuldenlast die Stadt Hagen mittelfristig finanziell zu erdrosseln droht. Der jüngste Haushaltsbericht der Kämmerei weist Liquiditätskredite (städtischer Dispo) von 910 Millionen Euro aus. Hinzu kommen Investitionskredite von knapp 66 Millionen Euro, sodass sich Hagen weiterhin knapp unter der Milliarden-Schwelle bewegt. Eine Realität, auf die sich die jüngsten Entwicklungen am Geldmarkt sehr negativ auswirken dürften.
Zinsen sind erdrückende Last
So liegt der Zinssatz bei langfristigen Verpflichtungen inzwischen mehr als drei Prozentpunkte über dem Niveau zu Jahresbeginn. Noch kommt Hagen zugute, so attestieren es auch die Beraterteams der NRW-Bank, dass die Kämmerei möglichst breit langfristige Zinsbindungen eingegangen ist. Doch dieser Positiv-Effekt wird im Laufe der nächsten Monate zunehmend aufgezehrt. Gerbersmann kündigt bereits an, dass Hagen in etwa fünf Jahren zehn Millionen Euro mehr für Zinslasten aufbringen muss als heute. Zumindest dann, wenn Bund und Land sich auf keine Altschuldenlösung für überschuldete Kommunen verständigen.
Dieser immense Finanzdruck dürfte bereits im kommenden Jahr tiefe Spuren im Zahlenwerk des Doppelhaushaltes 2022/23 hinterlassen, obwohl die bestehenden Verträge bei der Energieversorgung als auch bei der Ausstattung mit Krediten die aktuellen Entwicklungen wie Zinswende, Energiepreisexplosion, aber auch Inflationsentwicklung noch abpuffern. Hinzu kommen die noch ungewissen Ergebnisse der Tarifverhandlungen für Beamte sowie den öffentlichen Dienst, die diesmal deutlich den üblichen Rahmen sprengen dürften. Die hier erwartbaren Mehraufwendungen bei den Personalkosten der Stadt werden schmerzlich durchschlagen.