Breckerfeld/Hagen. Thomas Weber hat seine Wurzeln in Breckerfeld und Hagen. Seit vielen Jahren lebt der Geschichtsprofessor im angelsächsischen Raum.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 und die damit verbundene, bis heute erschütternd schnelle Beseitigung der Demokratie gehört zu den Schicksalsereignissen der Geschichte. Wie konnte das passieren? Kann sich etwas Ähnliches wiederholen? Und können wir daraus etwas lernen – in Zeiten, in denen Demokratien unter Druck geraten und Diktaturen Aufwind haben?
Thomas Weber wird versuchen, am 27. Januar bei einem Vortrag in Hagen Antworten auf diese Fragen zu geben. Der 48-jährige Historiker, der seit zehn Jahren als Professor für Geschichte und internationale Politik an der Universität im schottischen Aberdeen tätig ist, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit krisenhaften Erscheinungen, die scheinbar stabile Gesellschaften kippen lassen und die Menschen für extremistisches Gedankengut empfänglich machen. „Auch in Deutschland nimmt die Ablehnung der liberalen Demokratie zu“, warnt Weber: „Ich glaube zwar nach wie vor, dass Deutschland eine der stabilsten Demokratien in der Welt besitzt. Aber die Zahl derjenigen, die glauben, dass wir uns in einer Dauerkrise befinden, steigt.“
Breckerfeld ist und bleibt seine Heimat
Mit dem Vortrag im Auditorium des Kunstquartiers Hagen kehrt Thomas Weber, der seit 27 Jahren im englischsprachigen Raum lebt, in seine Heimat zurück. Der renommierte Historiker wurde 1974 im St.-Josefs-Hospital in Hagen geboren und wuchs in Breckerfeld auf.
Seine Großeltern wohnten in Haspe, sein Vater, ehemals Leiter der Ernst-Eversbusch-Schule in Haspe, verstarb erst im vergangenen Jahr. „Noch heute bezeichne ich Breckerfeld als meine Heimat, obwohl ich dort schon so lange nicht mehr lebe“, sagt Weber: „Aber gefühlt ist es nach wie vor meine Heimat, was vielleicht damit zu tun hat, dass ich im Leben so oft umgezogen bin und nirgends so recht Wurzeln schlagen konnte.“
Nacheinander in Oxford, Harvard und Princeton
Derzeit arbeitet Weber als „visiting fellow“ – eine Art Gastprofessur – an der renommierten Universität Stanford in Kalifornien und lebt mit seiner Frau und den beiden Töchtern im kanadischen Toronto. Sein beruflicher Werdegang beinhaltet Stationen an den berühmtesten Denkfabriken dieser Welt. Nach dem Abitur in Halver studierte er zunächst Geschichte, Anglistik und Jura in Münster, ehe ihn Stipendien nacheinander nach Oxford, Harvard und Princeton führten.
Dazu bedurfte es nicht nur herausragender wissenschaftlicher Fähigkeiten, sondern auch der Unterstützung seiner Eltern, die ihn aus dem fernen Breckerfeld nach besten Kräften unterstützten: „Sie haben sicherlich finanziell zurückgesteckt, aber auch viel Hingabe in meine Schwester und mich investiert.“
Für Thomas Weber folgten weitere Universitätsaufenthalte in den USA und Großbritannien, ehe er 2008 einen Lehrauftrag in Aberdeen erhielt, wo er fünf Jahre später auch zum Professor berufen wurde. „Mein Weg war sicherlich nicht vorgezeichnet, ich hätte mir das nicht träumen können.“
Zwei Bücher über Hitler verfasst
Im Laufe der Jahre hat Weber unter anderem zwei Bücher über Hitlers Werdegang geschrieben, und auch in seinem neuen Werk „Als die Demokratie starb“ beschäftigt er sich mit dem Nationalsozialismus und den Gründen, die zum Ende der Weimarer Republik führten. Und in diesem Kontext spürt er der Frage nach, warum demokratische Systeme zusammenbrechen und ob es Parallelen zur Gegenwart gibt.
Denn Thomas Weber geht es als Geschichtsprofessor um größere Zusammenhänge, vor allem um den grundsätzlichen Anspruch seines Lehrgebietes, wie man aus der Vergangenheit für die Gegenwart lernen kann: „In Deutschland ist das ja oft auf eine moralische Vergangenheitsbewältigung mit Blick auf die Nazi-Jahre begrenzt, in der angelsächsischen Welt denkt man oftmals anwendungsorientierter und versteht Geschichte als eine Art Handlungsanweisung zur Bewältigung der Herausforderungen der Gegenwart.“
Kann unsere Demokratie kippen?
Vor wenigen Jahren habe er Deutschland noch für eine der strapazierfähigsten Gesellschaften gehalten, sagt Thomas Weber, während es in anderen Demokratien wie Ungarn, Polen, der Türkei oder den USA Anzeichen für eine Destabilisierung gebe. Doch inzwischen ist er nicht mehr so optimistisch. Weber verweist auf die Reichsbürger-Razzia und die Festnahme von 25 Personen im Dezember: „Auch wenn darunter viele Spinner sein mögen, so sehe ich diese Vorgänge doch als Zeichen für etwas, das in Zukunft geschehen könnte.“
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Denn was die Mitglieder dieser ominösen Gruppe miteinander verbinde, das seien nicht Reichsbürger-Geschwafel oder Adelsinteressen: „Sondern der Glaube, dass wir in einer Zeit der Dauerkrise leben, dass die demokratischen Regierungen nicht in der Lage sind, diese Krise zu bewältigen und dass man deshalb etwas tun muss.“
Die Wahrnehmung einer vermeintlich permanenten Krise sei denn auch das verbindende Element zu unheilvollen Geschehnissen in der Geschichte, die zu einer Radikalisierung führten und gesellschaftliche Systeme kippen ließen. „Die aber auch zeigen, dass wir aus ihnen lernen und wie wir unsere Demokratien wasserfester machen können.“