Helfe..


Der ehemalige Adelssitz Haus Busch spielte vor 90 Jahren eine wenig vornehme Rolle. Vom 14. bis 21. Juni 1926 wohnte Adolf Hitler, Vorsitzender der NSDAP und sieben Jahre später Reichskanzler, in dem Rittergut der Familie von Vincke und machte Hagen damit für einige Tage zum Mittelpunkt der nationalsozialistischen Bewegung. Der „Führer“ war auf Einladung seines Gefolgsmannes Franz Pfeffer von Salomon zu Gast, der den Adelssitz im Lennetal gepachtet hatte.

Hitler unternahm von Helfe aus mehrere Reisen ins Ruhrgebiet und ins Rheinland, hielt Vorträge und knüpfte Kontakte zu Parteikadern und Industriellen in Bochum, Hattingen, Essen und Düsseldorf. Ob er auch in Hagen agitierte oder sich mit seinem Mercedes durch die Stadt fahren ließ, lässt sich nicht mehr eruieren, so Ralf Blank, Fachdienstleiter für Wissenschaft, Museen und Archive der Stadt Hagen: „Ich kann mir vorstellen, dass es einst auch in Hagen einige Aufzeichnungen übers Hitlers Aufenthalt gab, die aber nach 1945 vernichtet wurden. Sie waren ja nicht gerade angenehm für die Stadtgeschichte.“

Bekannt ist heute lediglich noch, dass Hitler ein Zimmer auf Haus Busch bewohnte. Es war sein erster Aufenthalt in Westdeutschland. 1926 war die NSDAP noch eine unbedeutende Partei, Hitler nach seinem Münchner Putsch, für den er auf der Festung Landsberg inhaftiert worden war, jedoch schon einer der bekanntesten und umstrittensten Politiker in Deutschland. Mit seinem Gastgeber verband ihn seinerzeit eine enge Beziehung. Franz Pfeffer von Salomon (1888 bis 1968) war einer der Mitbegründer der NSDAP an Rhein und Ruhr, Kommandeur des Freikorps Westfalen, pachtete 1920 Haus Busch und organisierte von Hagen aus seit 1923 den Widerstand gegen die französische Besetzung des Ruhrgebiets. Entgegen eines gängigen Klischees seien keineswegs alle Nazis gescheiterte Existenzen gewesen, so Blank: „Pfeffer war als Weltkriegs-Hauptmann ursprünglich Monarchist und wurde wohl auch durch den Versailler Friedensvertrag zum Rechtsextremisten.“ Auch Rudolf Heß, Joseph Goebbels und andere führende Nationalsozialisten waren mehrmals zu Gast auf Haus Busch.

Verfemter Gefolgsmann

Hitler vertraute Pfeffer so sehr, dass er ihn noch im Jahr seiner Hagener Visite zum obersten SA-Führer in Deutschland ernannte, woraufhin der ehemalige Offizier nach München übersiedelte und Haus Busch von der Stadt Hagen übernommen wurde, in deren Eigentum sich der Adelssitz aus dem Mittelalter bis heute befindet. Pfeffers Sekretär wurde übrigens der spätere SS-Chef Heinrich Himmler, einer der schlimmsten Massenmörder des Dritten Reiches. Doch in der Folgezeit zerrüttete das Verhältnis von Hitler zu seinem Parteigänger, Pfeffer fiel in Ungnade und wurde seines Postens 1930 enthoben. Nach der Machtergreifung drei Jahre später gehörte er denn auch zu den wenigen „Kampfgefährten“, denen der Reichskanzler eine herausgehobene Position vorenthielt. Pfeffer durfte zwar als Beauftragter für Kirchenfragen im Stab von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß mitarbeiten, doch nach dessen ominösem Flug nach England wurde er von der Gestapo überwacht, aus der Partei ausgeschlossen, verlor sein Reichstagsmandat und wurde nach dem Hitler-Attentat im Juli 1944 kurzzeitig inhaftiert. Dennoch blieb er zeitlebens ein unbelehrbarer, völkischer Politiker.

Gedächtniszimmer

Zwar war Hitler nach seinem Besuch auf Haus Busch vermutlich nie wieder zu Gast in Hagen (er hielt auch nie eine seiner berüchtigten Reden in der Stadt), doch der Aufenthalt in Helfe hatte dennoch ein bizarres Nachspiel. Nachdem die Nazis das Kommando übernommen hatten, wollte Bürgermeister Heinrich Vetter den Raum, den der „Führer“ bewohnt hatte, in ein Vincke- und Hitler-Gedächtniszimmer umwandeln. Begründung: Freiherr Georg von Vincke (1774 bis 1844) habe im 19. Jahrhundert auf Haus Busch gegen Napoleon konspiriert, Hitler am gleichen Ort an der Befreiung vom Joch des Versailler Vertrages gearbeitet.

Antifranzösische Stoßrichtung

Doch aus dieser weit hergeholten Gedankenspielerei mit antifranzösischer Stoßrichtung wurde nichts, weil Pfeffer von Salomon sich weigerte, die Möbel, die Hitler seinerzeit benutzt hatte und die sich nun in seinem Besitz befanden, zur Verfügung zu stellen. Sogar als die Hagener Firma Putsch 2000 Reichsmark für den Ankauf des Mobiliars zur Verfügung stellte, ließ sich der inzwischen verfemte Nazi nicht zur Herausgabe der Stücke bewegen. So kam lediglich die „unvollständige“ Ausrüstung eines Gedächtniszimmers im damaligen Stadtmuseum am Potthof zustande, in dem sich u.a. das Foto befand, das Hitler vor Haus Busch zeigt und das auch auf dieser Zeitungsseite zu sehen ist. Perfide war jedoch, dass Vetter dort auch Gegenstände ausstellen ließ, die zuvor Hagener Juden abgepresst worden waren, etwa ein Foto von Friedrich dem Großen und Porzellanbüsten. Die Zimmereinrichtung befindet sich heute im Depot des Stadtmuseums.

Zwar gab es bis 1945 eine Adolf-Hitler-Straße (heute: Am Hauptbahnhof) in Hagen und der Reichskanzler war auch Ehrenbürger der Stadt, doch vor und nach seinem Besuch von 1926 hat er sich an der Volme nie wieder blicken lassen.