Dortmund/Hagen. Hannah Rosenbaum weiß nach den Krawallen in Hagen um was es geht. Sie wirkt nun in Hagen, ist aber Bürgermeisterin der Dortmunder Nordstadt.
Mitten in der Debatte um die Silvester-Krawalle in Hagen, die Migrationshintergründe von Tätern und was sich in Hagen tun muss, um Integration voranzutreiben, ist dieses Gespräch ein Blick über den Tellerrand, der zum einen zeigt, dass es woanders ähnlich läuft, aber auch, was andere vielleicht schon besser machen. Die neue Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen in Hagen, Hannah Rosenbaum (34) ist gleichzeitig grüne Bezirksbürgermeisterin der Dortmunder Nordstadt. Ein Bezirk, der ähnlich wie Berlin-Neukölln oft herangezogen wird, wenn nach Symbolen für Problemkieze gesucht wird. Ein Besuch mittendrin. Bei einer Frau, die deutlich sagt: „In der Mehrheit sind es Erfolgsgeschichten, die die Migration schreibt. Es ist Armut, die Parallelgesellschaften schafft, nicht unbedingt die Herkunft.“
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Ein Café an der Burgholzstraße, zwei Fußminuten vom Dortmunder Nordmarkt entfernt und vielleicht zehn von Bereichen wie der Brück- und der Münsterstraße, wo Kamerasysteme den ganzen Tag den öffentlichen Raum aufnehmen. „Das Image ist belastend“, sagt Hannah Rosenbaum und rührt in ihrem Latte Macchiato. „Die Nordstadt wird schon lange in eine Schublade gesteckt und mit Stigmata belastet.“ Vor allem überregionale Berichterstattungen über No-go-Areas, Drogenhandel, Straßenprostitution oder darüber, dass Frauen nachts nicht allein über die Straße gehen könnten, würden wie ein Klotz am Bein der Dortmunder Nordstadt hängen.
Migration schafft Armut
Hannah Rosenbaum steht für eine neue Politikerinnen-Generation. Was sie antreibt, ist echter Idealismus. Sie ist studierte Chemikerin, lebt selbst mit ihrem Partner in der Nordstadt. Sie blendet nicht aus, dass es hier einen 70-prozentigen Migrantenanteil gibt, Kriminalität und eine große innerstädtische Schere zwischen objektiven und subjektiven Sicherheitsgefühlen. „Und trotzdem bleibe ich dabei: Man kann nicht per se über Migrationshintergründe sprechen. Es ist beispielsweise erwiesen, dass Menschen mit Migrationshintergrund überdurchschnittlich von Armut bedroht sind und damit das Risiko steigt, auf die schiefe Bahn zu geraten. Dann ist doch der Fokus aber ein anderer. Dann geht es nicht um die Nationalität, sondern um Lebensstrukturen.“ (Lesen Sie auch: Ein Kommentar zur Hagener Silvester-Nacht: Die Polizei verliert ihre Glaubwürdigkeit)
Bau eines Kunstrasenplatzes
Und da setzen sie und ihre Mitstreiter in der Bezirksvertretung Dortmund „Innenstadt-Nord“ an. Der Bezirk allein ist im Vergleich zu Altenhagen beispielsweise bemerkenswert. Denn er wird für sich betrachtet. Als Gebiet, als politische Einheit. Altenhagen wird, politisch betrachtet, dem Bezirk Hagen-Mitte zugeordnet. Der Fokus liegt dabei auf einem Gebiet, in dem in Hagen 80.000 Menschen leben. Das Kerngebiet der Stadt kann wichtige Fragen in Randlagen wie Altenhagen überlagern. „Vieles ist hier in einer Bottom-up-Struktur entstanden“, sagt Hannah Rosenbaum. Von unten nach oben. Sie nennt die Nordstadt-Liga, in der Migranten-Kinder organisiert Fußball spielen. Das Ganze hat an der Burgholzstraße, mitten im Kiez, den Bau eines Kunstrasenplatzes nach sich gezogen.
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Sie nennt das Projekt „Willkommen Europa“. Die Anlaufstelle ist ein Trägerverbund aus Diakonie, der Lünen GmbH, der Caritas und der Grün Bau GmbH. Es geht um Leben und Arbeiten in Dortmund, familiäre Angelegenheiten, Krankenversicherung und Gesundheit, Sprachkurse oder Aufenthaltsrecht. Das Team ist multiprofessionell und spricht acht Sprachen. „Für uns ist politisch wichtig, diese Angebote zu verstetigen. Die starke und gute Sozialarbeit ist auch ein Grund dafür, warum die Kriminalitätsstatistik in der Nordstadt stark rückläufig ist“, sagt Hannah Rosenbaum.
Die Brücke nach Hagen
Und damit schlägt sie die Brücke nach Hagen. „Ich bin als Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion erst zwei Monate im Amt und arbeite mich in Hagen noch ein. Aber was an Silvester in Altenhagen geschehen ist und wie die Debatte im Anschluss verläuft, das erinnert mich natürlich schon stark an die Diskussionen über die Nordstadt. Und da kann ich mich inhaltlich einfach einbringen.“
Der Aussage von Hagens OB, der deutlich gemacht hatte, dass die Stadt mit der Zuwanderung allein nicht mehr fertig wird, widerspricht sie trotz aller Erfolge im Dortmunder Norden nicht: „Ich sehe Bund und Land allein deshalb schon viel mehr in der Verantwortung, weil wir auf die Zuwanderung auch angewiesen sind. Wir brauchen die Menschen auf unserem Arbeitsmarkt.“