Hagen. Nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Altenhagen zeigt sich Hagen empört. Die Politik erwartet von der Polizei klare Antworten.

Die erneuten Gewalt-Eskalationen in Altenhagen während der Silvesternacht haben in der Hagener Politik für eine Mischung aus Verärgerung, Empörung und Ratlosigkeit gesorgt, aber auch Zweifel am einsatztaktischen Verhalten der Polizei und Ordnungskräfte ausgelöst. Immerhin sah sich der Stadtordnungsdienst bereits um 23 Uhr verbalen Aggressionen herumvagabundierender Gruppen ausgesetzt, die die Uniformierten unter anderem als „Hurensöhne“ titulierten. Die 20-köpfige Schar wurde vom Ordnungsdienst, der später auch am Bodelschwinghplatz im Einsatz war, zunächst direkt angesprochen und räumte daraufhin die Szenerie. Doch wenig später kam es erneut zu Zusammenrottungen von gewaltbereiten Gruppen, die Gegenstände auf der Alleestraße auftürmten, diese entzündeten und mit Raketen auf die Einsatzkräfte der Polizei zielten.

Anschläge auf das Leben

„Es gibt keinerlei Rechtfertigung für die nächtlichen Ausschreitungen und den Rechtsbruch Krimineller in der Alleestraße“, verurteilt der CDU-Kreisvorsitzende Dennis Rehbein die Exzesse Einzelner auf das Schärfste. Kein Polizist, kein Feuerwehr- oder Rettungsdienst-Mitarbeiter habe es verdient, an Leib und Leben bedroht zu werden. „Das sind keine Streiche oder Muskelspiele – das sind Anschläge auf das Leben von Menschen, an die wir uns keinesfalls gewöhnen dürfen! Das muss bestraft werden.“

Dennis Rehbein, CDU-Kreisvorsitzender.
Dennis Rehbein, CDU-Kreisvorsitzender. © WP | Michael Kleinrensing

Leider sei das Thema kein kommunalpolitisches, das der Rat oder die Stadtverwaltung mit konkreten Maßnahmen hätte eindämmen können. „Im Gegenteil: Diese Aktionen widersprechen all unseren Bemühungen um ein besseres Miteinander in den Stadtteilen“, unterstreicht der CDU-Chef. „Wir haben es hier mit einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen zu tun, das an vielen Orten in Deutschland und im europäischen Ausland seine hässliche Fratze zeigt.“ Der Rechtsstaat müsse nun ausgehend von der Bundesebene endlich ein deutliches Signal gegen solche verharmlosend als „Störer“ bezeichnete Personen aussenden. Der in Berlin verbreitete schulterzuckende Duldungsliberalismus helfe nicht weiter.

Kontrollen von Veranstaltungen

Bei dem Sondereinsatz hat das Ordnungsamt in der Silvesternacht zwei Veranstaltungen mit jeweils rund 250 Besuchern auf die gewerberechtlichen Vorgaben kontrolliert. Eine weitere Veranstaltung mit rund 30 Personen musste aufgrund einer fehlenden Erlaubnis einer Schank- und Speisewirtschaft bereits gegen 20 Uhr schließen.


184 Personen hat das Einsatzteam im offenen Dialog angesprochen. Dabei wurden 42 Personen kontrolliert und insgesamt vier Platzverweise ausgesprochen. Außerdem stellte das Team drei Ordnungswidrigkeitsanzeigen nach dem Jugendschutzgesetz und zwei Ordnungswidrigkeitsanzeigen nach der Straßenverkehrsordnung.


Drei Sachverhalte wurden zunächst aufgenommen und an die Polizei Hagen übermittelt. In einem der Fälle stellte das Kon­trollteam eine Schreckschusswaffe sicher. Neben den direkten Ansprachen verschiedener Personen konnte das Team des Stadtordnungsdienstes fünf kleinere Feuer beziehungsweise Mülltonnenbrände durch Feuerwerksreste löschen.

Aus Sicht der Hagener CDU fehle es weder an Regeln im Strafgesetzbuch noch an Instrumenten zu deren Durchsetzung. Es fehle aber an einer klaren öffentlichen Haltung der Bundesregierung „Inländer müssen nach den Regeln des Rechts konsequent und zeitnah bestraft und für die angerichteten Sachschäden persönlich in Haftung genommen werden“, fordert Rehbein. „Migranten sind nach einer zeitnahen Verurteilung gemäß den Regeln des Ausländerrechts schnellstmöglich abzuschieben. Alles andere relativiert die Bedeutung dieser Straftaten.“

Miserables Verhältnis zum Rechtsstaat

Der Altenhagener SPD-Ratsherr Fleming Borchert spricht von „augenöffnenden“ Vorgängen: „Nach zwei Jahren der Pandemieruhe scheint es in der Gesellschaft zu einem Hang zu Exzessen gekommen zu sein, der belastend für das Miteinander in der Stadt ist.“ Das Errichten von Barrikaden scheine wie in der Halloween-Nacht Mittel zur Selbstverwirklichung einiger Verwirrter zu sein. „Das Beschießen von Einsatzkräften mit Feuerwerkskörpern und das Ausleben von Krawallfantasien mitten in Altenhagen weisen auf ein miserables Verhältnis der Täterinnen und Täter zum Rechtsstaat hin. Mich als Altenhagener und Ratsherr in diesem Stadtteil ärgert vor allem, dass die Ausschreitungen quasi mit Ansage kamen“, spielt Borchert auf ähnliche Lagen in früheren Silvester-Nächten an.

Fleming Borchert, SPD-Ratsherr für Altenhagen
Fleming Borchert, SPD-Ratsherr für Altenhagen © SPD Hagen

Die Video-Bilder aus der Nacht zeigten, dass die patrouillierenden Streifen der Polizei beim Eintreffen zahlenmäßig weit unterlegen waren und unter Raketenbeschuss zunächst das Feld räumen mussten. Dadurch seien weitere Straftaten auf offener Straße verübt worden. Und das ausgerechnet an einen Ort, der aufgrund von Ausschreitungen in vergangenen Jahren bereits als Brennpunkt bekannt war. Borchert erinnert daran, dass er in jüngster Vergangenheit bereits Ordnungsdezernent Sebastian Arlt auf die fragwürdige Situation in einigen Bereichen von Altenhagen aufmerksam gemacht habe. Passiert sei mit Verweis auf den Personalmangel wenig. Stattdessen gebe es immer die gleichen Reflexe: „Verwaltung, Politik und Polizei zeigen sich schockiert, versuchen teils zu objektivieren und hoffen auf Besserung.“

Bilder sorgen für Zweifel

Grünen-Fraktionssprecherin Nicole Pfefferer stellt angesichts der erneuten Angriffe auf Einsatzkräfte sowie der Gefährdung von Menschen auf offener Straße, die letztlich zu 74 Platzverweisen und mehreren Festnahmen führten, die Frage: „Ab wann ist es eigentlich keine friedliche Silvesternacht mehr?“ Damit spielt sie auf die Polizei-Bilanz am Neujahrsmorgen an, die von einer „weitestgehend friedlichen“ Nacht sprach. Diese Aussage, so die Ratsfrau, stehe im Widerspruch zu den bislang bekannten Bildern. „Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen objektiver Sicherheit und dem subjektiven Sicherheitsempfinden. Dennoch bin ich mir sicher, dass viele Hagenerinnen und Hagener angesichts der Bilder jetzt auch nicht von einer friedlichen Silvesternacht sprechen würden.“

Nicole Pfefferer, Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion.
Nicole Pfefferer, Sprecherin der Grünen-Ratsfraktion. © WP | Michael Kleinrensing

„Hoffentlich werden diejenigen entsprechend zur Verantwortung gezogen. Wenn man so etwas sieht und liest, erscheint einem ein Böllerverbot nicht als die schlechteste Idee“, meint Pfefferer. Gleichzeitig hinterfragt die Grüne, ob die Polizei nicht schon im Vorfeld Kenntnis von Verabredungen zu Krawallen in den diversen Netzwerken hatte: „War nicht die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass es entweder in einem Teil von Wehringhausen oder Altenhagen entsprechende Vorfälle geben würde, und wäre dann nicht eine stärkere Polizeipräsenz naheliegend gewesen?“ Antworten auf diese Fragen erwartet sie in der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 26. Januar.