Hagen. Die Täter, die im Gewahrsam landeten, sind wieder auf freiem Fuß. Die Polizeigewerkschaft in Hagen bezieht unterdessen deutlich Stellung.
Deutschland diskutiert. Auch über Hagen. Über die neuerliche Gewalt-Eskalation in der Silvesternacht in der Alleestraße in Hagen. Über Aggression gegen Rettungskräfte, das Handeln der Polizei und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) nimmt nun auch Bezug auf das Herkunftsmilieu der Täter in NRW. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte er: „Bei den Randalierern hatten wir es offenbar ganz überwiegend mit jungen Männern in Gruppen zu tun, häufig mit Migrationshintergrund.“
Jenen Innenminister hat die Stadtredaktion Hagen am Dienstag daran erinnert, dass er besorgten Anwohnern aus Altenhagen bei einer Wahlkampfveranstaltung in Hagen zugesagt hatte, sie in ihrem Viertel zu besuchen, sollte er wiedergewählt werden. Die Anwohner hatten dem Minister von Jugendbanden berichtet, von denen sie sich terrorisiert fühlen würden. Noch hat Reul nicht auf die Anfrage geantwortet. (Lesen Sie auch: Politik in Hagen fordert nach Krawallen an Silvester harten Kurs)
Teilweise polizeibekannt
Auf Anfrage erklärt die Hagener Polizei, dass es sich bei den Silvester in Altenhagen in Gewahrsam genommenen Personen um „Deutsche mit Migrationshintergrund (deutsch-türkisch bzw. deutsch-tunesisch)“ handele. „Die Nationalität bzw. der Migrationshintergrund der noch nicht identifizierten Personen ist nicht bekannt“, so Polizeisprecher Tino Schäfer. Teilweise seien die rund 20 jungen Männer schon polizeibekannt gewesen.
Drei davon mussten die Nacht im Polizeigewahrsam verbringen. Eine Person war minderjährig und wurde noch in der Nacht an die Erziehungsberechtigten übergeben. „Die drei dem Polizeigewahrsam zugeführten Personen wurden am Neujahrsmorgen wieder entlassen“, so die Polizei.
Aus dem Vorfall Alleestraße seien mehrere Strafanzeigen hervorgegangen. Ermittelt werde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Polizeisprecher Tino Schäfer: „Der Verstoß gegen das Waffengesetz wurde erst im Nachgang über ein Video bekannt. Hier hat eine derzeit noch unbekannte Person mit einer Waffe auf offener Straße geschossen. Nähere Hintergründe zu allen Taten werden derzeit durch die Ermittlungskommission mit Hochdruck ermittelt.“
Betroffenheit und Wut
Carsten Wiemers ist Kreisgruppenvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei in Hagen. Er wird auf Anfrage deutlich: „Die Angriffe auf meine Kollegen in der Alleestraße machen mich betroffen und wütend. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Dies war aber aus meiner Sicht nur vom Zufall abhängig.“
Wiemers ordnet dazu ein: „Es handelte sich bei den Vorfällen in der Silvesternacht um ein auf die Alleestraße begrenztes, kurzes Geschehen, das durch einen professionell durchgeführten Einsatz meiner Kollegen schnell beendet worden ist. Nach meinen Erkenntnissen haben dort etwa 20 junge Männer randaliert. Nicht die gesamten Anwohner der Alleestraße.“ Carsten Wiemers sei wichtig, dass hier von allen Seiten objektiviert werde, um letztlich die richtigen Schlüsse ziehen zu können.“
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Die Gewaltbereitschaft gegenüber den Kollegen nehme seit Jahren zu. „Losgelöst von den Geschehnissen in der Alleestraße ist der Beruf der Polizistin, des Polizisten mit den Jahren generell gefährlicher geworden. Diese Sachverhalte nehmen leider immer weiter zu. Dies darf die Gesellschaft nicht kalt lassen“, so Wiemers.
Entstehung müsse „aufgehellt“ werden
Die Entstehung und Ursache dieser Gewaltphänomene müssten zu 100 Prozent „aufgehellt“ werden, sagt Wiemers. „Die Polizei sah sich in der Vergangenheit immer wieder deutlicher Kritik ausgesetzt, wenn es im Rahmen der Dienstwahrnehmung zu möglichem Fehlverhalten kam. Dies ist auch richtig so. Damit müssen und können wir leben. Wir wünschen uns nur den gleichen Elan dieser Kritiker bei der Aufklärung des Phänomens solcher Eskalationen.“
In jeder Uniform stecke ein Mensch mit den normalen Ängsten und Sorgen. Auch die Schutzausstattung könne die Angst nicht völlig nehmen, die entstehe, wenn man mit Pyrotechnik angegriffen werde „Ich bin stolz auf meine Kollegen, die ihren Dienst trotzdem jeden Tag vorbildlich versehen“, so Wiemers.
Feuerwehr: „Erwarten größtmöglichen Schutz“
Die Kollegen der Feuerwehr und des Rettungsdienstes würden jedem, ohne Ansehen der Person, helfen, betont Feuerwehrchef Veit Lenke (Foto). „Dafür erwarten wir den größtmöglichen Schutz unserer Mitarbeitenden. Unabhängig der Vorkommnisse an Silvester stellen wir seit Jahren eine Zunahme der Rücksichtslosigkeit und Gewaltbereitschaft aus allen Alters- und Bevölkerungsgruppen fest“, so Lenke. Die Kollegen würden im Umgang mit Patienten in „Konfliktmanagement und Deeskalationsstrategien geschult“ und weitergebildet.
„Von Silvesternachts-Ereignissen und deren Auswirkungen in anderen Städten Deutschlands waren wir in Hagen nicht weit entfernt“, erklärt Denis Oehme stellvertretend für den Personalrat der Feuerwehr. Und weiter: „Wir blicken mit Sorge auf die gesellschaftliche Entwicklung, die weder durch Beschreibung wie „ausgelassene Feiernde“ bagatellisiert werden noch einfach zerredet werden darf. Es muss endlich Konsequenzen für Zersetzer unserer gesellschaftlichen Ordnung und Angreifer auf Hilfeleistende geben, die Leib und Leben anderer Menschen bewusst aufs Spiel setzen“, so der Personalrat.
Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass viele Kollegen aus dem Ehrenamt kämen, um in ihrer Freizeit Menschen in Not beizustehen. „Wenn diese in Zukunft nicht mehr die Hauptamtlichen Einsatzkräfte unterstützen, wissen wir nicht, wie hauptamtliche Einsatzkräfte alleine das Einsatzaufkommen bewältigen sollen. Wir als Personalrat Feuerwehr fordern die Politik und die Justiz auf, die Ereignisse aufzuarbeiten und das bestehende Strafmaß mit voller Härte durchzusetzen“, so Personalrat Denis Oehme.