Hagen. Über die Gestaltung des Seeparks in Hengstey entscheiden fast nur Experten und Männer. Jugend, Migranten und Frauen bleiben beim Votum außen vor.
Zwar steht die Internationale Gartenausstellung (IGA 2027) erst in vier Jahren im NRW-Veranstaltungskalender, doch die Stadt Hagen, die sich vorzugsweise mit dem Seepark-Projekt in Hengstey einbringen möchte, stellt zumindest gestalterisch bereits 2023 die entscheidenden Weichen. Frauen und/oder Mütter, Jugendliche oder Migranten werden bei der Ausgestaltung allerdings nicht mitentscheiden.
Freiraumplanerischer Realisierungswettbewerb
In einem sogenannten „freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb“ soll in den nächsten Monaten ein Entwurf gefunden werden, der im Gegenwert von etwa 6,2 Millionen Euro dem Hagener Seeufer ein neues Gesicht gibt und zugleich als einzigartige Attraktion eine überregionale touristische Strahlkraft entwickelt.
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Was für Hagen tatsächlich das Beste ist, dazu wird am Ende eine elfköpfige Jury ein Votum abgeben. In dieser sitzen neben externen Experten aus der Landschaftsarchitekten-Zunft, dem örtlichen Baudezernenten sowie dem IGA-Geschäftsführer ausschließlich noch männliche Vertreter aus der Hagener Politik, die sich alle in der zweiten Lebenshälfte bewegen.
Vertreter der Hagener Jugend sucht man ebenso vergeblich wie lokale Frauen oder auch Repräsentanten der stattlichen Migranten-Gruppe, die inzwischen immerhin fast 45 Prozent der Stadtgesellschaft ausmacht.
Das Ende des 60er-Jahre-Charmes
Dabei geht es bei dem weitreichendsten Stadtentwicklungsprojekt der vergangenen Jahre, das der langweiligen Uferzone des Ruhrsees den 60er-Jahre-Charme durch zeitgemäße Innovationen entreißen soll, um den zentralen Freizeit- und Naherholungsbereich der Zukunft. Ziel des ambitionierten Projektes ist es, die derzeitige Brachfläche in einen Park- und Erlebnisraum zu verwandeln, der unterschiedliche Nutzungen intelligent miteinander verknüpft.
Zentrale Stichworte sind Parkanlagen für Sport- und Freizeitaktivitäten, Spielplätze sowie Gastronomie- und Erlebnisflächen, welche die Themen Klimaschutz, Natur- und Umweltbildung oder auch Industriekultur vertiefen. Immerhin sollen etwa 70 Prozent der insgesamt 20 Hektar großen Industriebrache eine Rückführung zur Natur erfahren und zu einem ökologisch wertvollen Landschaftsraum entwickelt werden.
Die Details werden jetzt in einem Wettbewerbsverfahren kreiert, an dem sich insgesamt 15 konkurrierende Planungsbüros beteiligen: Fünf Landschaftsarchitekten aus Berlin, Bochum, Hamburg und Krefeld mit entsprechender Expertise sind bereits gesetzt, zehn weitere können sich im Rahmen des 122.000 Euro teuren Verfahrens mit ihren Entwürfen noch einbringen – die kreativsten Köpfe dürfen sich auf fünfstellige Preisgelder freuen. Vorzugsweise der Sieger darf obendrein berechtigte Hoffnungen hegen, dass sein Gewinner-Entwurf auch umgesetzt wird: Dieses Büro zieht somit einen lukrativen Auftrag an Land.
Experten und Politik
Den Zuschlag erteilt ein Fach- und Sachpreisrichter-Gremium, dem die fünf Landschaftsarchitekten Prof. Burkhard Wegener (Köln), Prof. Norbert Kloeters (Aachen), Ute Aufmkolk (Essen), Hiltrud Lintel (Düsseldorf) und Martin Gasse (Paderborn) – darunter immerhin zwei Fachfrauen – angehören. Hinzu kommen – fördertechnisch sicherlich nicht ganz unclever – IGA-Geschäftsführer Horst Fischer und als Bindeglied in die Fachverwaltung der Hagener Baudezernent Henning Keune. Obendrein entsendet der Hagener Rat als stimmberechtigte Jury-Köpfe noch Jörg Klepper (CDU), Claus Rudel (SPD), Jörg Fritzsche (Grüne) und Nord-Bezirksbürgermeister Heinz-Dieter Kohaupt (CDU).
Wer letztlich dem nachgelagerten Heer der „Beratenden Mitglieder ohne Stimmrecht“ angehört, bleibt bislang nebulös und ließ sich im Rathaus auf Anfrage angesichts der aktuellen Urlaubslage auch nicht klären. Hier will die Verwaltung nach eigenem Bekunden noch Kontakt zu den Parteien aufnehmen.
Eines steht jedoch bereits fest: Im Hagener Integrationsrat war der Bürgerpark am Hengsteysee, dessen Entstehen bereits vor drei Jahren im Rat beschlossen wurde, bis heute noch kein Diskussionsthema. „Das ist wirklich traurig“, meint Sinan Akbaba, der in dem Gremium die Wählervereinigung „Türkische Gemeinde Hagen“ vertritt. „Unser Gremium wird von der Politik oft links liegen gelassen, dabei sollten die Migranten bei solchen Entscheidungen auf jeden Fall dabei sein. Diese Bevölkerungsgruppe spielt eine große Rolle in dieser Stadt.“
Entsprechend hat Akbaba, der auch die Ratsgruppe des Hagener Aktivisten-Kreises (HAK) vertritt, für die nächste Sitzung des Integrationsrates bereits einen Beschlussentwurf auf den Weg gebracht, nachträglich einen Vertreter dieses Kreises in der Seepark-Jury zu platzieren: „Mit Blick auf die Teilhabe von Menschen mit Einwanderungsgeschichte und angesichts der Tatsache einer Migrationsquote von fast 45 Prozent in unserer Stadt ist es dringend geboten, einen Sachpreisrichter mit Stimmrecht aus dem Integrationsrat zu berufen“, erinnert er daran, dass der Rat sich die Partizipation von Migranten ausdrücklich zur Aufgabe gemacht habe.
Ähnlich argumentiert Kirsten Pinkvoss, Vorsitzende des Hagener Frauenbeirates, die ebenfalls fordert, die Jury-Zusammenstellung zu überdenken, hier paritätisch zu besetzen und die Hagener Frauen mit Stimmrecht zu versehen: „Diversität und Inklusion sind wichtige Faktoren für den Erfolg von Vorhaben, darunter fällt auch die gesetzlich festgelegte Frauenquote von 40 Prozent“, erinnert Pinkvoss.
Die Stadt Hagen habe dies auch als „Qualitätskriterium“ in ihren Gleichstellungsplan aufgenommen: „Das gilt insbesondere auch für Gremienbesetzung, denn vielfältig zusammengesetzte Gremien, die die Bevölkerungsstruktur widerspiegeln, sind ein demokratiepolitisch wichtiges Signal und sichern umsetzbare Ergebnisse.“
Hinzu komme, dass Gremien, die aus Personen mit vielfältigen demografischen Merkmalen zusammengesetzt sind, vielfältige Erfahrungen, Perspektiven und Kompetenzen bündelten, was wiederum zu größerer Kreativität, Flexibilität und Innovationskraft führe. „Daher ist die Zusammensetzung der Seepark-Jury so nicht zu akzeptieren“, stellt die Frauenbeiratsvorsitzende fest.
Keine Thema in Jugendgremien
Und die lokale Jugend, die absehbar am längsten von der Neugestaltung des Seeufers profitieren soll? Von den Jugendorganisationen der Hagener Ratsfraktionen (Jusos, Junge Union, Grüne Jugend und Julis) sind schon seit Monaten keine politischen Statements mehr überliefert – egal zu welchem Themengebiet.
Dafür hat sich im Mai vergangenen Jahres immerhin ein neuer Jugendrat formiert, der sich als Hauptaufgabe, so verlautbarte zuletzt die Stadt, die Umsetzung von Ideen und das Mitbestimmen in Hagen auf die Fahnen geschrieben habe. Mit dem Thema Seepark, so die zuständige Fachgebietsleiterin Hannah Scharlau, habe man sich allerdings bis heute noch gar nicht beschäftigt.