Hagen. Gerda Oberbeck war erst 17 Jahre alt, als sie von den Nazis in Hagen zwangssterilisiert wurde. Schüler erinnern jetzt per Anzeige an die Frau.

Was mag die 17-jährige Gerda Oberbeck wohl gedacht haben, als das Gesundheitsamt der Stadt Hagen ihr im Jahr 1939 mitteilte, sie sei „minderwertig“ und „erbbelastet“ und müsse daher sterilisiert werden? Dachte sie daran, keine Kinder bekommen, nie heiraten, keine Familie gründen zu können?H

Diese Akte belegt es: Gerda Overbeck wurde an ihrem Arbeitsplatz abgeholt und ins Krankenhaus gebracht, wo man sie sterilisierte.
Diese Akte belegt es: Gerda Overbeck wurde an ihrem Arbeitsplatz abgeholt und ins Krankenhaus gebracht, wo man sie sterilisierte. © Stadtarchiv Hagen | Stadtarchiv Hagen

Wahrscheinlich sah die junge Frau all ihre Lebenspläne zerstört. In ihrer Not schrieb sie einen Brief an Hitler persönlich und bat um Rücknahme des Beschlusses, doch die Nazis kannten keine Gnade. Wegen „angeborenen Schwachsinns“ wurde die junge Frau im Allgemeinen Krankenhaus zwangssterilisiert, wenige Tage später starb sie an den Folgen des Eingriffs.

Zu Herzen gegangen

Den Schülern des Projektkurses Geschichte am Rahel-Varnhagen-Kolleg ist das Schicksal von Gerda Oberbeck zu Herzen gegangen. 81 Jahre nach dem Tod der Hagenerin haben sie in unserer Zeitung einen Nachruf veröffentlicht. „Damit wollen sie die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf vergessene Opfer wie Deserteure, Zwangsarbeiter und eben Zwangssterilisierte lenken“, so Geschichtslehrer Pablo Arrias zu der Anzeige, die in den sozialen Netzwerken wie Facebook auf enorme Resonanz stieß: „Der Fall von Gerda Oberbeck hat die Schüler sehr berührt und eine direkte, emotionale Perspektive ermöglicht.“ Im Rahmen des Unterrichts besuchte der Projektkurs auch Gedenkstätten und Orte in Brandenburg-Görden, Hadamar und Berlin.

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Rainer Stöcker, ehemals Lehrer am Varnhagen-Kolleg und Autor eines Buch über Zwangssterilisierungen in Hagen, hat nachgewiesen, dass das städtische Gesundheitsamt eine besonders unrühmliche Rolle bei der „Unfruchtbarmachung“ (so der Nazi-Jargon) einnahm. Wie in anderen Städten hatten die Nationalsozialisten in Hagen zudem ein Erbgesundheitsgericht geschaffen, das auf Antrag des Gesundheitsamtes über eine Sterilisierung entschied. Häufigster Grund war „angeborener Schwachsinn“, aber auch Alkoholismus, körperliche Missbildungen, Taub- oder Blindheit sowie Epilepsie konnten den Betroffenen zum Verhängnis werden.