Hagen. Einen sechsstelligen Schaden hat die Jahrhundertflut im Sommer 2021 auch in der Hagener Suppenküche hinterlassen. Jetzt steht ein Neustart an.
Wohlige Heizungswärme durchströmt bereits den Gastraum, das Gros des Baustaubs ist zusammengefegt, die letzten Feuerlöscher werden aufgehängt, die Edelstahl-Gerätschaften in der Küche blitzen, nach vor den Festtagen soll das Mobiliar kommen. Stühle und Tische lagern zurzeit noch in zwei Container auf dem Betriebsgelände der Hasper Tischlerei Vormann.
Nach den Volmefluten im Sommer 2021 hatte das Team der Hagener Suppenküche alles provisorisch eingelagert, was noch zu retten schien. Vieles wurde ein Fall für den Sperrmüll, zumal das Kellergeschoss am Märkischen Ring bis unter die Decke unter Wasser stand und der Fluss alles mit einer bräunlichen Schlammschicht überzogen hatte.
Anderthalb Jahre und ungezählte Arbeitsstunden später bereitet das Team der gastlichen Stätte für Bedürftige jetzt den Neustart vor: „In der ersten oder zweiten Januar-Woche beginnen wir montags und donnerstags ab 11 Uhr wieder mit der Kaltverpflegung, die klassische Suppenküche eröffnet dann eine Woche später“, erzählt Theo Scholten, Vorstand des Teams.
Suppe aus 80-Liter-Bottichen
Vorher soll es jedoch noch ein Probeessen mit dem gesamten Team geben, um gemeinsam die neuen Räumlichkeiten zu beschnuppern und zu testen, ob die Küche und die Abläufe unter Volllast tatsächlich problemlos funktionieren.
Herzstücke der neuen Kochzeile sind zwei 80-Liter-Bottiche für das klassische Suppenangebot, aber künftig wird es – trotz der mahnenden Worte einiger Speisungspuristen – ebenfalls möglich sein, mal Bratkartoffeln mit Currywurst anzubieten: „Das funktioniert überall am besten“, erinnert sich Scholten als ehemaliger Mediziner an seine jahrelangen Kantinenerfahrungen im Krankenhausbetrieb.
Mit der ungebrochenen Unterstützung des Lions-Clubs Hagen-Harkort um seinem Präsidenten Thorsten Merz hat das Team der Suppenküche, das zwischenzeitlich an der Johanniskirche unterschlüpfen konnte, den ersten Schock sowie die Bewältigung der Flutfolgen genutzt, um die bauliche Situation neben dem CVJM-Gebäude am Märkischen Ring kritisch zu prüfen und technisch mit Sieben-Meilen-Stiefeln einen Schritt nach vorne zu machen.
Nagelneue Küche und einladender Gastraum
„Wir haben in Absprache mit dem Team die Erfahrungen der vergangenen Jahre hinterfragt und viele Dinge verbessert“, blickt Architekt Ernst Weide nicht bloß auf die nagelneue Küche sowie den atmosphärisch deutlich einladenderen Gastraum, der seinen Pathologie-Charme endgültig verloren hat.
Technisches Prunkstück der Suppenküche 2.0 ist ein neuer Aufzug, mit dem künftig die Waren per Rollwagen zu den Lagerräumen und nagelneuen Kühlaggregaten im Untergeschoss verfrachtet werden können. Somit müssen die Kisten mit den Lebensmitteln, die künftig über einen eigenen Liefereingang die Vorratsräume erreichen, viel seltener in die Hand genommen werden – die Ehrenamtlichen müssen deutlich weniger schleppen.
Hilfe zwischen zwei Baustellen
Noch im Frühjahr dieses Jahres zeigte sich Architekt Weide optimistisch, dass bereits nach der Sommerpause die Suppenküche wieder an ihrem angestammten Platz die Besucher mit Mahlzeiten versorgen könne. Doch die allerorten dominierenden Lieferkettenprobleme in Kombination mit Corona-Ausfällen sorgten bei den Sanierungen für Verzögerungen. Zumal die vielen lokalen Handwerksbetriebe, die zwischen zwei Baustellen immer wieder segensreich anpackten, oft auch nicht auf Zuruf die Zeit fanden, spontan zu unterstützen.
Am Ende addiert sich die Investitionssumme auf gut 400.000 Euro – etwa die Hälfte des Betrages übernimmt eine leider gedeckelte Elementarversicherung des Vermieters CVJM, den Restbetrag konnte der Suppenküchen-Verein zunächst einmal über private Unterstützer akquirieren – allen voran die Gönner des Lions-Clubs, die von Beginn an das Projekt ideell und materiell begleiten.
„Bei uns ist dieses Projekt schon seit Jahren ein Dauerthema“, versichert Präsident Merz. „Aber sobald alles abgerechnet ist, werden wir auch noch einen Antrag auf Fluthilfe stellen“, betont Scholten, „hier wurden die Fristen ja gerade erst verlängert.“
Präpariert für bis zu 300 Gäste
Noch bis zum Januar wird die Suppenküche an der Rückseite der Johanniskirche jeden Montag und Donnerstag in Papiertüten abgepackte Kaltverpflegung an Bedürftige ausgeben. Hier reihen sich angesichts der davongaloppierenden Inflation und den enormen Lebensmittelpreisen inzwischen bis zu 300 Menschen aneinander.
„Daran wird auch das neue Bürgergeld kaum etwas ändern“, ahnt Scholten, dass der Strom der Hilfesuchenden künftig kaum abflauen dürfte. Vor allem die großzügige Unterstützung eines Hasper Gastronomens mit Italo-Küche, der inzwischen schon 30.000 Pizzen und Nudelgerichte an Bedürftige spendiert hat, kommt bei den Gästen bestens an. „Er hat bereits versprochen, uns auch am Märkischen Ring weiter besuchen zu wollen“, erzählt der Vorstand.
„Bis zu 250 Besucher am Tag haben wir bereits geschafft“, hat Scholten durchaus den Anspruch, am Märkischen Ring künftig auch mal 300 Menschen an einem Tag mit einer warmen Mahlzeit zu versorgen. „Das kann natürlich nur in Schichten gelingen, vielleicht verlängern wir bei Bedarf die Öffnungszeiten. Denn die Suppenküche ist immer auch eine Wärmestube und ein Treffpunkt, wo die Zeit zum Verweilen und zur Kommunikation nie zu kurz kommen darf.“
Lebenshilfe per Digital-Display
Apropos Kommunikation: Wichtige Informationen für die Gäste der Suppenküche werden künftig auch auf einem Digital-Display im Gastraum zu lesen sein: „Von nützlichen Medikamenten-Angeboten der lokalen Apotheken über Wissenswertes der Stadt oder Arbeitsbehörden bis hin zu Corona-Impfterminen ist hier alles vorstellbar“, sieht sich die Suppenküche auch als eine wichtige Börse für Tipps und (Über-)Lebenshilfe.
Diese Aufgabe ist eben längst viel umfassender als die Vater-unser-Bitte an der Eingangstür: „Unser tägliches Brot gib uns heute“ (Matthäus Kapitel 6, Vers 11).