Hagen. In vielen Familien ist die Not groß. Die Vorhaller Palette in Hagen engagiert sich gegen das Elend. Doch die Armen müssen für die Gaben bezahlen.

Die Not, die herrscht in der Welt, macht sich auch in Hagen bemerkbar. „Im Moment verzeichnen wir eine erhöhte Nachfrage“, berichtet Marianne Kerpal, Vorsitzende des Vereins Vorhaller Ökumene gegen Armut: „Unter den Menschen, die zu uns kommen, sind viele Flüchtlinge aus der Ukraine.“ Aber auch die gestiegenen Energiepreise zeigten ihre Auswirkungen.

Die Rede ist von der Vorhaller Palette, die der genannte Verein betreibt und die seit 2006 Lebensmittel an bedürftige Menschen verteilt. Die Anzahl jener, die dort einkehren müssen, um sich und ihre Familien über Wasser halten zu können, wird immer größer. „Unsere Kunden kommen inzwischen aus dem ganzen Hagener Stadtgebiet“, sagt Marianne Kerpal: „Es sind Menschen, die durch Schicksalsschläge in Not geraten sind, darunter auch zahlreiche Familien mit kleinen Kindern.“

Freundliches Ladenlokal in Vorhalle

Am Montag war großer Sammeltag in dem kleinen, freundlichen Ladenlokal in der Vorhaller Straße, das der Verein dank der Unterstützung durch die Werner-Ruberg-Stiftung angemietet hat.

Traditionell beteiligten sich daran auch die Knirpse des katholischen Liebfrauen-Kindergartens, die mit einem Bollerwagen zur Palette kamen. Damit transportierten sie nicht nur kartonweise Reis, Nudeln, Müsli, Konservendosen, Schokolade und Hygieneartikel, sondern auch gut erhaltenes Spielzeug aus dem eigenen Kinderzimmer. „Wir beteiligen uns in jedem Jahr an der Sammelaktion“, so Kita-Leiterin Silke Niemczyk: „Die Kinder sind sehr motiviert, wenn sie erfahren, dass es Menschen gibt – auch bei uns in Vorhalle –, die es sich nicht leisten können, in einem Supermarkt einkaufen zu gehen.“

Die Sorge um die tägliche Mahlzeit

Zu diesen Menschen gehören Flüchtlinge und Sozialhilfeempfänger, Zuwanderer, Arbeitslose und Rentner. Sie alle eint in der Adventszeit weniger die Vorfreude aufs Weihnachtsfest als eher die Überlegung, wie sie morgen etwas zu Essen auf den Tisch bekommen sollen.

Vor allem an den Monatsenden ist die Not groß. „Es gibt eine wachsende Anzahl von Menschen, die sich kaum das Nötigste zum Leben leisten können“, so Marianne Kerpal: „Wir wollen hier eine Verbindung herstellen, so dass die Lebensmittel nicht länger vernichtet werden, sondern Menschen zugutekommen, die sie dringend benötigen.“

Bei einem Großteil der Lebensmittel, die die Vorhaller Palette verteilt, handelt es sich um Waren, die tags zuvor im Warenkorb der Caritas übrig geblieben sind. Die Zusammenarbeit mit der Caritas funktioniert auch in anderen Bereichen sehr gut. So müssen Arme, die bei der Vorhaller Palette etwas erhalten möchten, zuvor durch Vorlage eines Sozialhilfebescheides oder eines anderen staatlichen Papiers bei der Caritas ihre Bedürftigkeit nachgewiesen haben.

Bitte um Lebensmittelspenden

Und samstags, wenn das Team des Warenkorbs pausiert, klappern Mitarbeiter der Palette die Supermärkte in Hagen ab und bitten um Lebensmittelspenden. Allerdings haben die meisten Geschäfte und Supermärkte immer weniger Waren übrig, da sie mittlerweile viele Produkte, die kurz vor dem Verfallsdatum stehen, zu reduzierten Preisen selbst verkaufen.

Das Bestehen der Vorhaller Palette und die Versorgung armer Menschen sind eng mit dem ehrenamtlichen Engagement der rund 30 Helfer verbunden, die ihre Freizeit opfern, um die qualitativ einwandfreien Lebensmittel in Geschäften abzuholen und in den Sammelstellen zu sortieren.

Menschen nicht zu Almosenempfängern degradieren

Die waren werden nicht umsonst abgegeben, jeder Kunde der Palette muss für die Dinge, die er mitnimmt, bezahlen, wenn auch nur einen geringen, eher symbolisch gemeinten Betrag: „Das soll ein Stück Wertschätzung ausdrücken, wir wollen die Menschen nicht zu Almosenempfängern degradieren“, nennt Marianne Kerpal den Grund.

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150 bis 180 Personen, so schätzt die Vorsitzende des Trägervereins, werden pro Woche durch die Vorhaller Palette aus der ärgsten Not befreit. Eigentlich dürfe es so ein soziales Kaufhaus ja gar nicht geben, sagt Frau Kerpal: „Nicht in einem reichen Land wie unserem.“ Sie wolle nicht zynisch sein, sagt sie, aber die Hilfsorganisationen sorgten mit ihrem Engagement dafür, dass der Staat keine Veranlassung sehe, selbst mehr für Menschen in sozialer Not zu tun. Im Übrigen führten solche Überlegungen zu nichts, sagt sie mit einer Mischung aus Resignation und Tatkraft: „Die Menschen in Not haben nichts davon, wenn die anderen Grundsatzdiskussionen führen.“