Hagen. Die Bürger in Hagen drängen bei den Themen im Rathaus auf mehr inhaltliche Mitsprache. Hier der Blick auf zwei aktuelle Initiativen und Vorstöße.

Die jüngsten Zahlen der Kommunalwahl 2020 in Hagen lassen erschreckt aufhorchen: Von gut 147.000 Wahlberechtigten in der Stadt gaben nicht einmal mehr 62.000 Frauen und Männer ihre Stimme ab – das entspricht einer Beteiligungsquote von gerade einmal 42 Prozent. Ein Wert, der durchaus die bange Frage aufkommen lässt, welche Legitimation und Rückendeckung die politischen Mandatsträger überhaupt noch in der Bürgerschaft finden.

Impulse aus der Bürgerschaft

Das „Hagener Forum Nachhaltigkeit“ (bislang: Uni50plus Hagen – lernen und lehren) ist ein Zusammenschluss von Hagener Bürgerinnen und Bürgern im Alter jenseits von 50 Jahren, die sich Themen und Aufgaben widmen, welche für die Stadt Hagen von Interesse sind.


Dabei geht es den Beteiligten darum, sich tiefergehend und wissenschaftlich in die jeweiligen Problemstellungen einzuarbeiten, um Impulse in öffentliche Diskussionen einzubringen.

In dem Forum verteilen sich die Aktivitäten auf Themengruppen (Migration, Wohnen im Quartier, Wirtschaft, Zuwanderung aus Rumänien) und weitere Formate wie Literatur/Medien und ganz neu die Gruppe Ökologische Nachhaltigkeit.


Das „Hagener Forum Nachhaltigkeit“ versteht sich als ein offenes Format für lebensbegleitendes Lernen. Zur Mitarbeit sind Menschen eingeladen, die im Rahmen gesellschaftspolitischer Partizipation ihre Lebenserfahrung in den Diskurs zivilgesellschaftlichen Engagements einbringen wollen. Dabei sind Art und Umfang der persönlichen Mitarbeit wählbar.


Es werden wesentliche und grundlegende Themen der gesellschaftlichen Entwicklung aufgenommen und bearbeitet. Arbeitsprinzipien sind institutionelle Unabhängigkeit und Überparteilichkeit. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts versteht sich dabei als Gesprächspartner für Politik und Gesellschaft.

Vor diesem Hintergrund lohnt sich der intensivere Blick auf zwei Initiativen, die beide das Ziel haben, die politische Kaste wieder enger mit der Bürgerschaft zusammenzurücken und inhaltlich verschmelzen zu lassen. Zum einen lag dem Rat jetzt der Vorstoß vor, nicht bloß in der Stadt- sowie den Bezirksvertretungen Einwohnerfragestunden zu etablieren. Zum anderen rollt auf die Politik eine Initiative zu, die in der Stadt Bürgerräte als Beteiligungsform etablieren möchte, um das Wir-Gefühl und die Partizipation in der Stadt zu stärken.

Sorge um die Demokratie

„Wir haben Befürchtungen um die Demokratie“, machten Rolf L. Willaredt und Klaus Hirschberg jüngst als Sprecher des „Hagener Forums Nachhaltigkeit“ bei der Präsentation ihres Vorstoßes im Ausschuss für Bürgeranregungen deutlich: „Bürgerräte sind auch für die Hagener Bevölkerung attraktiv, stärken die Demokratie und schaffen im Erfolgsfall zusätzliche Identität.“ Auf diesem Wege sei es möglich, die Menschen einer Stadt für die Themen der Stadt mehr zu aktivieren und direkt in die Stadtpolitik hineinzuwirken.

Skeptischer Blick von Oberbürgermeister Erik O. Schulz am Wahlabend auf die Ergebnisse: Der Amtsinhaber siegt zwar mit deutlichem Vorsprung, doch eine Wahlbeteiligung von gerade einmal 42 Prozent stimmt doch eher nachdenklich.
Skeptischer Blick von Oberbürgermeister Erik O. Schulz am Wahlabend auf die Ergebnisse: Der Amtsinhaber siegt zwar mit deutlichem Vorsprung, doch eine Wahlbeteiligung von gerade einmal 42 Prozent stimmt doch eher nachdenklich. © WP | Michael Kleinrensing

Die bisherigen Formate, so die Wahrnehmung von Willaredt, wären diesem Anspruch nur bedingt gerecht geworden: „Die Beispiele ,Zukunftsschmiede‘ und ,Kulturentwicklungsplan‘ sind zuletzt auf eine nur mäßige Resonanz gestoßen und mündeten in eine noch dürftigere Umsetzung“, skizzierte der Forumssprecher ungeschminkt die mauen Ergebnisse und den sich daraus entwickelnden Frust. Daher sei es geboten, in Zukunft die Teilhabe besser zu etablieren und zu stärken, Schwellenängste zu senken sowie die Transparenz von Entscheidungsprozessen zu steigern, um letztlich wieder in einen stetigen Dialog zu kommen. „Wir müssen die Funkstille zwischen den Wahlen beenden und somit zugleich mehr Wertschätzung füreinander entwickeln. Wir müssen bei den Themen, die für Hagen wichtig sind, die Weisheit der Vielen nutzen.“

20 kluge Köpfe an einem Tisch

Mögliche Themenfelder seien die Stadtsauberkeit, Quartiers- und Schulentwicklung oder auch das Radwegenetz: „Wir sehen uns hier als konstruktive Unterstützung für die Arbeit der Politik“, betont Hirschberg, „wir wollen die Prozesse im Stil einer qualifizierten Politikberatung begleiten.“ Dabei dürften mit Blick auf die Arbeitsfähigkeit pro Bürgerrat, der jeweils themenorientiert eingesetzt wird, kaum mehr als 15 bis 20 Köpfe zusammenkommen. Diese Gruppe, die das gesamte Spektrum der Bevölkerungsstruktur abbilden sollte, wird parallel zu Verwaltung und Politik die Inhalte recherchieren, Experten anhören und Lösungsvorschläge entwickeln.

Rolf L. Willaredt, Sprecher des Hagener Forums Nachhaltigkeit, möchte mit den Bürgerräten eine Plattform installieren, auf der sich die Menschen der Stadt regelmäßig in aktuelle Themen einbringen können.
Rolf L. Willaredt, Sprecher des Hagener Forums Nachhaltigkeit, möchte mit den Bürgerräten eine Plattform installieren, auf der sich die Menschen der Stadt regelmäßig in aktuelle Themen einbringen können. © WP | Michael Kleinrensing

Dabei sieht sich das „Hagener Forum Nachhaltigkeit“ mit seinem Vorstoß keineswegs als Pionier, sondern eher ist bester Gesellschaft: Denn Bürgerräte gibt es längst weit verbreitet quer durch die Republik nicht bloß auf kommunaler Ebene. So auch im Deutschen Bundestag, dessen langjähriger Präsident Wolfgang Schäuble (CDU) diese Form der Beteiligung dort einst etablierte. Ob dieses Format der Mitsprache künftig auch in Hagen sich etablieren kann, soll in den nächsten Wochen in der Politik diskutiert werden

Fragestunden ausgebremst

Dabei hat der Stadtrat zuletzt erst den Vorstoß der Bewegung „#aufstehen“ ausgebremst, die in sämtlichen Fachausschüssen und politischen Beiräten das Recht von Einwohnerfragestunden etablieren wollte. Dadurch, so der Antrag, könnten konkrete Rückfragen gleich an das zuständige Fachgremium herangetragen und schnellstmöglich beantwortet werden.

Gegen die Stimmen der Fraktionen von Hagen Aktiv und BfHo/Die Partei sowie Linken und HAK folgte die Mehrheit des Rates jedoch der Empfehlung der Verwaltung, es vorerst bei den bestehenden Einwohnerfragestunden-Angeboten sowie den Sprechstunden beim Oberbürgermeister sowie den Bezirksbürgermeistern zu belassen. Zudem gebe es als direkte Plattform ja auch den Ausschuss für Bürgeranregungen und Bürgerbeteiligung sowie die Abteilung für Bürgerkommunikation auf der Teppichetage des Oberbürgermeisters, die sämtliche Themen inhaltlich kleinarbeite.