Hagen. Yusuf Tasdemir stammt aus einer bildungsfernen Familie in Altenhagen. Doch er hat es geschafft – nicht zuletzt dank staatlicher Unterstützung.
Yusuf Tasdemir sagt, er sei schon im Alter von acht Jahren Dolmetscher, Erzieher und Sachbearbeiter gewesen. Dolmetscher zwischen seinen aus der Türkei eingewanderten Eltern und den Behörden, Erzieher seiner kleineren Geschwister, Sachbearbeiter für amtliche und familiäre Dokumente. Dass er selbst sozial benachteiligt aufwachse, habe er stark gespürt: „Aber zugleich habe ich immer dieses Potenzial in mir gemerkt.“
Inzwischen hat Tasdemir die Schule in Hagen erfolgreich abgeschlossen und macht eine Ausbildung als Kaufmann für Marketing und Kommunikation. Entscheidend unterstützt hat ihn auf seinem Weg das Talent-Scouting-Programm der Landesregierung, das am Montagabend durch Eröffnung einer eigenen Niederlassung in Hagen noch stärker verankert wurde.
Schüler auf Weg in Studium und Ausbildung unterstützen
Und Yusuf Tasdemir durfte die feierliche Einweihung moderieren – eine Aufgabe, für die er wie geboren schien: „Mein erster Gedanke war: Was soll das Talentkolleg hier in Hagen? Mein zweiter: Genau hier gehört es hin, in einen stigmatisierten Stadtteil wie Wehringhausen, wo Menschen benachteiligt, abgestempelt und in eine Schublade gesteckt werden.“
Beim Talentscouting handelt es sich um ein Programm des Landesforschungsministeriums, das Schüler auf ihrem Weg in Studium und Ausbildung unterstützt. Weil in Deutschland oftmals nicht Talente und Fähigkeiten des einzelnen Schülers über dessen Bildungsweg bestimmen, sondern die familiären Hintergründe, werden Jugendliche beim Übergang zwischen Schule und Hochschule bei der Studien- oder Berufswahl von Talentscouts der Ruhruniversität Bochum begleitet – in Hagen nehmen daran bisher sieben Schulen teil.
Dritte Stadt mit eigenem Talentkolleg
Wegen des großen Erfolgs dieser Initiative ist Hagen nach Herne und Gelsenkirchen nun die dritte Stadt, in der das Programm mit einer eigenen Filiale sozusagen institutionalisiert wird. Fünf hauptamtliche Mitarbeiter sind ab sofort in den Räumen des ehemaligen Hawker-Verwaltungsgebäudes an der Dieckstraße für die Talente aus den Schulen da – vor allem, um sie beim Übergang von der Schule ins Berufsleben bzw. Studium zu begleiten. Die Scouts beraten die Schüler individuell und zeigen ihnen Perspektiven für die Zukunft auf. „Eine super Sache, von der unsere Schüler sehr profitieren“, freute sich Christine Preuß, Leiterin des Rahel-Varnhagen-Kollegs.
Insbesondere Schülern aus Nicht-Akademiker-Familien, aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte sowie aus einkommensschwachen Familien sollen im „Talentkolleg Ruhr“ (so der offizielle Name) Perspektiven und Zugänge für ein Hochschulstudium oder eine qualifizierte Berufsausbildung eröffnet werden. Individuelle Unterstützung sei besonders wichtig, betonte Landesschulministerin Dorothee Feller, die eigens nach Hagen gekommen war: „Kinder und Jugendliche brauchen Menschen, die an sie glauben und ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Man müsse unbedingt verhindern, dass junge Menschen aus schwierigen Verhältnissen durchs soziale Netz fielen.
Hoffnung auf bessere Förderung in der Zukunft
Dem konnte sich Oberbürgermeister Erik O. Schulz nur anschließen: „Wir brauchen alle jungen Leute. Jeder, den wir nicht erreichen, fehlt morgen bei der Besetzung einer Ausbildungsstelle.“
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Um die Zukunft von Yusuf Tasdemir muss man sich wohl kaum noch Sorgen machen, der junge Mann aus Altenhagen ist dennoch nicht rundum glücklich: „Was mich traurig macht: meine Ex-Mitschüler zu sehen, die liegen gelassen wurden und vergessen werden.“
Mit dem Talentkolleg vor Ort, so hofft Tasdemir, werde man in Zukunft das Potenzial von noch mehr Schülern aus den sozial benachteiligten Vierteln von Hagen bergen können.