Hagen. Gerade erst wurde die Marktbrücke in Hagen nach Simson Cohen benannt. Jetzt klagen seine Nachkommen gegen die Sparkasse. Es geht um viel Geld.
Seit wenigen Tagen trägt die bisherige Marktbrücke in Hagen den Namen des einstigen jüdischen Metzgermeisters Simson Cohen, der in der Reichskristallnacht am 9. November 1938 in seinem Haus Am Hohen Graben 2 überfallen und enteignet wurde. Nazi-Schergen erschossen zuerst seinen Hund, prügelten Cohen nieder und verletzen ihn schwer. Sie verwüsteten die Wohnung und schmissen sein Klavier aus dem Fenster hinaus in die Volme. Daraufhin konnte Simson Cohen mit seiner Familie in die Schweiz nach Bern flüchten. Dort erlag er seinen schweren Verletzungen. 84 Jahre später ziehen seine Nachkommen nun gegen die Sparkasse an Volme und Ruhr vor Gericht. Es geht um eine Mitgift und einen heute siebenstelligen Betrag.
Mitgift für Schwiegersohn
Ein Nachkomme Simson Cohens erklärt, aufgrund von schweizerischen Bundesarchivunterlagen und Landesarchivakten in Arnsberg festgestellt zu haben, dass Simson Cohen seinem damaligen Schwiegersohn eine Mitgift von 21.124,30 Reichsmark schenkte, die am 23. April 1932 auf ein Konto bei der Sparkasse Hagen überwiesen wurde. (Lesen Sie auch: Urenkel von Simson Cohen fordert Aufklärung in der Grundstücksfrage)
Der Schwiegersohn, der Schweizer Staatsbürger war, habe sich danach vergeblich bemüht, dass dieses Bankguthaben bei der Sparkasse Hagen auf ein Konto in der Schweiz überwiesen werde.
Dies sei, so erklärt der Nachkomme, unter Berufung auf die damals geltenden Devisenbestimmungen verweigert worden. „Der Schwiegersohn wandte sich deshalb an das schweizerische Außenministerium und an die schweizerische Gesandtschaft in Berlin, damit auf politischer Ebene in Deutschland interveniert werden kann – auch dies blieb erfolglos“, erklärt der Nachkomme in einer Mitteilung an die Redaktion.
Ist das Konto noch existent?
Man gehe davon aus, dass das Bankguthaben bei der Sparkasse Hagen enteignet und von der Naziherrschaft eingezogen worden sei. Bei der heutigen Sparkasse an Volme und Ruhr habe man erfragt, ob noch ein Konto vorhanden sei oder an einen Ausgleichsfonds ausbezahlt wurde worden sei. Dies habe die Sparkasse verneint und auf die abgelaufenen Verjährungsfristen des deutschen Währungsumstellungsgesetzes verwiesen.
„Dies obwohl die Enteignung des Kontos als unverjährbares Kriegsverbrechen und als Verbrechen gegen die Menschlichkeit angesehen werden muss“, behauptet der Nachkomme. Ob das so ist, das muss allerdings ein Gericht klären. Weswegen sich die Kläger nicht nur einen persönlichen Erfolg, sondern „Präjudiz“ erhoffen. Eine Entscheidung mit Leitbildfunktion für künftige solcher Rechtsfälle.
Siebenstelliger Betrag im Raum
Gegen die Sparkasse Hagen ist eine Auskunftsklage vor dem Landgericht Hagen eingereicht worden. Die Sparkasse soll verpflichtet werden, in Bezug auf „die Enteignung des Kontos des Schwiegersohns Auskunft darüber zu geben, in welcher Höhe ein Kontoguthaben allenfalls noch besteht oder bestanden hat“, so die Kläger. Zudem solle die Sparkasse Hagen verpflichtet werden, Schadenersatz mit Verzugszinsen zu zahlen. Die Höhe der Rückzahlung müsse unter Berücksichtigung des damaligen Kontoguthabens noch im Detail ermittelt werden. Man gehe aber nach heutigem Stand von einem siebenstelligen Betrag aus. Die Sparkasse in Hagen nimmt zu all dem keine Stellung. Man äußere sich nicht zum laufenden Verfahren.
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Über dem Fall schwebt auch das Thema der nachrichtenlosen Vermögen mit jüdischem Hintergrund. Die Bundesregierung hat eine Studie in Auftrag gegeben, um die Höhe der Mittel abzuschätzen. Es geht um bis zu 9 Milliarden Euro.