Hagen. Wie managt ein Ehepaar in Hagen den Spagat zwischen Berufstätigkeit und Kinderbetreuung. Eine Mutter gibt uns Einblicke.
Der kleine Oliver (2) schmiegt sich an seine Mutter. Ein langer Tag in der Betreuungsgruppe ist zu Ende gegangen, jetzt will er nach Hause. Seine Mutter, die nach der Arbeit direkt zur Großtagespflegestelle gefahren ist, um ihn abzuholen, zieht ihm die Jacke an: „Bevor Oliver auf der Welt war, war ich skeptisch, ihn so früh nach der Elternzeit in die Betreuung zu geben, aber im August war klar, dass sich Oliver unter Gleichaltrigen nicht nur sehr wohl fühlt, sondern auch soziale Kompetenzen erlernt, die er sich von seinen Eltern nur bedingt aneignen kann, etwa zu teilen oder Rücksichtnahme bei kleineren Kindern zu üben.“
Seit August, damals war er noch nicht ganz zwei, besucht Oliver die Großtagespflegestelle „Rathausmäuse“ in der Potthofstraße in Hagen, die zurzeit wegen der Flutschäden in Wehringhausen untergebracht ist.
Job und Erziehung vereinbaren
Seine Eltern Margarete (35) und Marc (41) Hamacher sind beide berufstätig und froh, dass sie eine Möglichkeit gefunden haben, um Job und Erziehung miteinander zu vereinbaren: „Oliver ist ein Wunschkind. Aber nach der Geburt haben wir überlegt, wie es weitergehen kann. Ausgaben hatten wir genug, deshalb wollten wir mein Einkommen nicht wegfallen lassen.“
Schließlich hatte sich die Familie gerade eine Wohnung gekauft. Also ging Margarete Hamacher direkt nach Ablauf der Mutterschutzfrist wieder 16 Stunden pro Woche arbeiten, an einem Tag kümmerte sich ihr Mann im Homeoffice um den Sohn. Außerdem sprang die glücklich Oma als Betreuerin ein. „So konnte ich oft zu Hause bleiben und trotzdem arbeiten“, berichtet Margarete Hamacher: „Die unterschiedlichen Anforderungen an mich haben mir gut getan.“
35-Stunden-Betreuungsplatz
Im Sommer erhielt die junge Familie schließlich einen 35-Stunden-Betreuungsplatz bei den „Rathausmäusen“. Die Mutter arbeitet inzwischen 30 Stunden die Woche, sie ist beim Chemischen- und Veterinäruntersuchungsamt Westfalen in Helfe tätig, der Vater als IT-Techniker bei der Stadtverwaltung Hagen. „Es ist uns wichtig, dass Oliver ein breites soziales Netz hat und nicht nur auf eine Person fixiert ist“, sagt Margarete Hamacher. Eine innige Beziehung zum Vater und zur Oma sei ebenfalls relevant – diese dürften kein Wochenendbespaßer bzw. keine Feiertagsoma sein. Sie wisse von anderen Müttern, welche Dramen sich abspielten, wenn die Eltern einmal Zeit für sich haben wollten.
Die „Rathausmäuse“ sind eine von zwölf an eine Institution gebundenen Großtagespflegestellen in Hagen. Neben der Stadt treten zum Beispiel auch die Caritas oder der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) als Träger in Erscheinung.
Großtagespflegestelle mit familiärem Charakter
Eine Großtagespflegestelle wird von zwei Tagesmüttern gebildet, die maximal neun Kindern betreuen, eine weitere Tagesmutter steht als Vertretung Gewehr bei Fuß. Damit die Kinder feste Bezugspersonen haben, wird genau festgelegt, welche Tagesmutter für welches Kind zuständig ist.
Damit bleibt der familiäre Charakter der Großtagespflegestelle erhalten, wenngleich sich im Alltag natürlich jede der beiden Tagesmütter um jedes Kind kümmert. „Wir sind wirklich wie eine Familie“, bestätigt Tagesmutter Jadranka Djordjevic: „Wir krabbeln mit den Kindern, machen Fingerspiele, wechseln die Windeln.“ Kleinkinder hätten noch ganz andere Bedürfnisse als ältere Kinder.
Kinder brauchen das Spielen mit Gleichaltrigen
Mit der Einrichtung von Großtagespflegestellen, in denen vornehmlich unter dreijährige Jungen und Mädchen betreut werden, ist die Stadt Hagen vor fünf Jahren einen entscheidenden Schritt in der Kindertagespflege vorangekommen. „Auch in diesem Alter brauchen Kinder soziale Kontakte und das Spielen mit Gleichaltrigen“, sagt Astrid Claussnitzer vom städtischen Fachbereich Jugend und Soziales.
Mit den relativ kleinen Einrichtungen habe man beste Erfahrungen gemacht, zumal der Betreuungsdruck aufgrund der steigenden Kinderzahlen in Hagen ständig wachse: „Und es gibt viele Eltern, die auf einen Betreuungsplatz angewiesen sind.“
18 Kinder besuchen Kita bereits im ersten Lebensjahr
Bisweilen stecke dahinter echte wirtschaftliche Not, vor allem bei alleinerziehenden Müttern, die auf ihren Arbeitsplatz angewiesen seien. Daher sind in Hagen sogar 18 Kinder, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einer Tagespflegegruppe untergebracht. Dass es der Entwicklung der kleinen Menschen eher abträglich sei, schon so früh in eine Betreuungsgruppe gegeben zu werden, sei ein durch nichts belegtes Vorurteil, so Astrid Claussnitzer: „Das Gegenteil ist der Fall.“
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Margarete Hamacher ist jedenfalls froh, dass sie für ihren Oliver bei den „Rathausmäusen“ einen Platz gefunden hat: „Für unseren Sohn, aber auch für uns ist das ein super Ausgleich. Oliver geht es gut, und wir haben nach Feierabend echte Quality-Time als Familie.“