Hagen. Arno Neumann aus Hagen war ein außergewöhnlicher, unbequemer Mensch. In seinem Nachlass fand sich ein einzigartiges Dokument.

Es ist ein außergewöhnliches Poesiealbum, auf das Pablo Arias bei seinen Recherchen über Arno Neumann in Hagen stieß. Es lag in einer Kartonkiste im Hagener Stadtarchiv, der langjährige Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Hagen hatte es nie jemandem gezeigt.

Viele der Menschen, die dort in den 40er-Jahren, als der Krieg tobte, ihre Einträge hinterlassen haben, wurden einige Zeit später von den Nationalsozialisten ermordet. Das Poesiealbum ist ein einzigartiges Zeugnis eines Hagener Jungen mitten im Holocaust. „Ein Erinnerungsbuch, das im grausamen Alltag des Ghettos vielleicht ein Stück Normalität und Halt bot“, sagt Arias.

Initiator der Städtepartnerschaft

Gemeinsam mit Rudolf Damm, einem engen Freund des vor sieben Jahren im Alter von 85 verstorbenen Arno Neumann, hat Arias ein Buch über den streitbaren Juden verfasst, der den Krieg wie durch ein Wunder überlebte und später einer der Initiatoren der Städtepartnerschaft zwischen Hagen und Modiin war sowie sich für die Verlegung von Stolpersteinen auf Hagener Gehwegen engagierte. Neumann sei eine schillernde Persönlichkeit gewesen, erinnert sich Damm: „Er hat beleidigt, weil er selbst übel beleidigt worden ist.“

In Hagen geboren, wurde Neumann 1938 mit seinen Eltern in das Ghetto Chodorow unweit von Lemberg deportiert. Inmitten der katastrophalen Zustände, mit denen sich die Juden konfrontiert sahen, legte der zwölfjährige Arno ein Poesiealbum an. Die Einträge der Menschen, die sich dort verewigten, wirken ebenso berührend wie witzig und gutmeinend – erst recht aus der Rückschau und mit dem heutigen Wissen um die brutale Realität, in der sie entstanden.

„Habe wenige Wünsche, das macht dich glücklich. Habe wenige Freunde, dafür die richtigen“, trug am 14. Mai 1942 eine Flora in das Buch ein.

Ein anderes Beispiel: „Warum hat Glück und Schmerz in einer Stunde so viel Platz?“ fragte Stasia Zukowa am 25. Mai 1944.

Und Anna Wohlmuth widmete dem Albumbesitzer den Satz: „Willst du sein Mensch und kein Aff´, lerne etwas und sei brav!“

1956 nach Hagen zurückgekehrt

Das Buch „Arno Neumann. Poesiealbum im Ghetto“ wird am Donnerstag, 10. November, um 17 Uhr in der St. Michaelskirche (Wehringhausen/Pelmkestraße) vorgestellt, alle Interessierten sind willkommen.

Nach dem Krieg machte Arno Neumann Abitur in Schlesien, ehe die Familie 1954 nach Israel auswanderte, zwei Jahre später jedoch nach Hagen zurückkehrte. Hier baute sich Neumann eine Existenz auf, wobei er einige Jahre in Diensten der Stadt Hagen verbrachte. Mit der jüdischen Tradition war er zwar vertraut, „aber besonders religiös bin ich nicht“.

Arno Neumann war der letzte Hagener Überlebende des Holocausts.